Staatsverschuldung Deutschlands

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Die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler zeigt dessen Prognose über die Staatsverschuldung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2006.

Die Staatsverschuldung Deutschlands besteht aus den zusammengefassten Schulden von Bund, Ländern, Gemeinden, Gemeindeverbänden, gesetzlicher Sozialversicherung und Sondervermögen des Bundes bei in- und ausländischen Kreditgebern.

Veröffentlicht werden die „Schulden beim nicht öffentlichen Bereich gemäß Finanzstatistik“ im Rahmen der Schuldenstatistik vom Statistischen Bundesamt und der Maastricht-Schuldenstand, der auf Basis des Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen von der Deutschen Bundesbank ermittelt wird. Zusätzlich werden unter anderem sogenannte Zuweisungs- oder Reroutinggeschäfte für die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität und die Kreditanstalt für Wiederaufbau als langfristige Kredite beinhaltet.[1]

Entsprechend der Deutschen Bundesbank betrug die Staatsverschuldung Deutschlands im Jahr 2021 etwa 2500 Milliarden Euro und damit 70 % des Bruttoinlandsprodukts von etwa 3600 Milliarden Euro für 2021.[2][3][4] Das Statistische Bundesamt berichtet für das Jahr 2021 eine Staatsverschuldung der Bundesrepublik Deutschland von 2300 Milliarden Euro für Bund und Länder mit Überleitung der erforderlichen Werte zum Schuldenstand der Deutschen Bundesbank.[5]

Überblick

Die Höhe der Staatsverschuldung hängt davon ab, welche Schuldenarten sowie welche öffentlichen Einheiten in die Betrachtung einbezogen werden. Für die Rechnungslegung der öffentlichen Haushalte werden zwei verschiedene Rechenwerke verwendet: die Finanzstatistik und die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR). Diese Rechenwerke unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Periodisierung und Abgrenzung der Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Sektors:

Staat nach VGR öffentlicher Gesamthaushalt nach Finanzstatistik
Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände,
Zweckverbände, Sondervermögen, Sozialversicherung
Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände,
Zweckverbände, Sondervermögen, Sozialversicherung
Periodisierung nach Entstehungszeitpunkt
z. B. Lohnsteueraufkommen Januar wird zurückgebucht auf Dezember
Bauinvestitionen werden nach Baufortschritt berücksichtigt
Periodisierung nach Kassenwirksamkeit
z. B. Lohnsteueraufkommen Januar bleibt dem Januar zugeschlagen
Bauinvestitionen werden im Jahr der Zahlung berücksichtigt
Einnahmen aus Verkauf von Beteiligungen bleiben unberücksichtigt Einnahmen aus Verkauf von Beteiligungen werden kassenwirksam

Staatsschulden können nach folgenden Kriterien unterschieden werden:

  • nach Art der Gläubiger: inländische Gläubiger, ausländische Gläubiger
  • nach Art der Schulden: Kreditmarktschulden, Kassenkredite, u. a.
  • nach der staatlichen Körperschaft: Bund, Land, Gemeinde, Gemeindeverband, Sozialversicherung, Extrahaushalt
  • nach volkswirtschaftlicher Abgrenzung (erfasst Einnahmen und Ausgaben nach dem Entstehen der Forderungen und Verbindlichkeiten und ist (weitgehend) methodische Grundlage für die Ermittlung der Haushaltsdefizite und der öffentlichen Schulden nach dem Vertrag von Maastricht und dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt)
  • nach Abgrenzung der Finanzstatistik (erfasst Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Sondervermögen und Sozialversicherung nach ihrer Kassenwirksamkeit und ist relevant für die Schuldenbegrenzung nach Artikel 115 Grundgesetz sowie für die entsprechenden Bestimmungen in den Verfassungen der Länder)
  • nach Maastricht-Kriterien

Staatsverschuldung in Deutschland

Deutschland ist zu circa 40 % bei inländischen Gläubigern verschuldet, circa 60 % der deutschen Verschuldung sind Auslandsschulden. Die inländischen Gläubiger sind zu etwa zwei Dritteln inländische Kreditinstitute und zu einem Drittel Nichtbanken (Versicherungen, Unternehmen, Privatpersonen).[6][7]

Volkswirtschaftliche Bedeutung der Staatsverschuldung

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geht davon aus, dass steigende und hohe Schuldenstandsquoten – unabhängig davon, wie sie entstanden sind – langfristig mit Wachstumsverlusten verbunden sind. Zudem belasten sie zukünftige Generationen über die zur Finanzierung des Schuldendienstes erforderlichen höheren Steuern.

Eine dauerhafte Staatsverschuldung könne aber im Zusammenhang mit öffentlichen Investitionen gerechtfertigt sein, die das Vermögen kommender Generationen erhöhen oder künftige Erträge hinterlassen und diese somit „reicher“ machen. Die intergenerative Umverteilungswirkung der Staatsschuld sei hier ein gewünschtes Ergebnis, um auch die künftigen Nutznießer der heutigen Ausgaben an den Finanzierungslasten zu beteiligen.[8]

Kennziffern der Staatsverschuldung

Staatsverschuldung 2000 – 2019 in % des BIP für die EU und Deutschland

Das Verhältnis des Schuldenstands zum nominalen Bruttoinlandsprodukt (Staatsschuldenquote) und das Finanzierungsdefizit (Nettokreditaufnahme) bezogen auf das nominale Bruttoinlandsprodukt sind wichtige Verschuldungskennziffern, die herangezogen werden, um das Vorliegen einer Haushaltskrise oder Notlage festzustellen.

Entwicklung der Staatsverschuldung

Seit 1962 kam es bis 2012 mit Ausnahme von 1989 in jedem Jahr zu einer Nettoneuverschuldung des Bundes; nur von 1950 bis 1961 war in acht Jahren eine Nettotilgung der Bundesschuld möglich. Der Bund der Steuerzahler hat errechnet, dass die Geschwindigkeit der Neuverschuldung sich zum Höhepunkt der Finanzkrise (Pressemitteilung vom 15. Januar 2009) von 474 Euro pro Sekunde im Jahr 2008 auf 4.439 Euro pro Sekunde im Jahr 2009 nahezu verzehnfachte.[9]

Entsprechend dem zunehmenden Schuldenstand waren die Zinslasten über Jahrzehnte gewachsen. Die Zinslastquote (Zinsausgaben in % der staatlichen Gesamtausgaben) lag für den Bund im Jahr 2001 bei 16,2 %; in einigen Bundesländern noch deutlich darüber. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegt die Zinslastquote etwa bei 3 %. Die deutliche Senkung des Leitzinses in der Eurozone auf ein historisch niedriges Niveau von 0,0 %[10] sowie die große Nachfrage nach den als sichere Anlage geltenden Bundesanleihen hat in den letzten Jahren die Zinsen von Neuemissionen deutlich gesenkt, weshalb auch die Zinslast insgesamt rückläufig ist.[11] Für Neuemissionen von Staatsanleihen ein- und zweijähriger Laufzeit konnte Deutschland zeitweise negative Zinsen verlangen.[12]

Erstmals im Jahr 2013 sank der Schuldenstand in Deutschland, bei einer rückläufigen deutschen Staatsschuldenquote von 81,0 % auf 78,4 % des Bruttoinlandsprodukts.

Bund und Länder verschulden sich in erster Linie, indem sie gegen Zinsen, seit einigen Jahren auch zu negativen Zinsen, Staatsanleihen verkaufen. Die Transaktion erfolgt meistens über Banken. Die Schulden der öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden zusammen (ab 2010 inkl. aller Extrahaushalte und Schulden der deutschen Sozialversicherung), haben sich seit 1950 wie folgt entwickelt:

Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts von 1950 bis 2020
Jahr in Millionen Euro
1950
  
9.574
1951
  
10.747
1952
  
12.276
1953
  
14.775
1954
  
18.311
1955
  
21.357
1956
  
22.362
1957
  
23.158
1958
  
23.991
1959
  
25.463
1960
  
28.998
1961
  
32.215
1962
  
33.129
1963
  
36.026
1964
  
39.797
1965
  
44.697
1966
  
50.294
1967
  
58.018
1968
  
62.402
1969
  
62.982
1970
  
64.210
1971
  
71.661
1972
  
79.392
1973
  
86.421
1974
  
97.368
1975
  
130.008
1976
  
150.904
1977
  
167.119
1978
  
188.579
1979
  
210.950
1980
  
238.897
1981
  
278.221
1982
  
313.733
1983
  
343.279
1984
  
366.682
1985
  
388.436
1986
  
409.300
1987
  
433.788
1988
  
461.525
1989
  
474.704
1990
  
538.334
1991
  
599.511
1992
  
686.356
1993
  
769.898
1994
  
848.057
1995
  
1.018.767
1996
  
1.082.970
1997
  
1.132.442
1998
  
1.165.414
1999
  
1.199.582
2000
  
1.210.918
2001
  
1.223.503
2002
  
1.277.271
2003
  
1.357.723
2004
  
1.429.749
2005
  
1.489.853
2006
  
1.545.364
2007
  
1.552.371
2008
  
1.577.881
2009
  
1.694.368
2010
  
2.011.677
2011
  
2.025.438
2012
  
2.068.289
2013
  
2.043.344
2014
  
2.043.918
2015
  
2.020.704
2016
  
2.009.310
2017
  
1.969.104
2018
  
1.915.767
2019
  
1.899.061
2020
  
2.172.850
2021
  
2.321.122
Datenquelle: Statistisches Bundesamt[13]

Der Verlauf zeigt, dass das Schuldenwachstum (also die Änderungsrate des Schuldenstandes) zum Teil stark schwankt. So erhöhte es sich nach der Deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 stark, verringerte sich von 1995 bis 2000. Seit dem Jahr 2001 wuchsen die Schulden jedoch wieder stärker. Die folgende Tabelle zeigt, dass seit Jahren die Staatsausgaben höher sind als die Staatseinnahmen. Es ist hierbei zu beachten, dass die „Neuverschuldung“ oft nur die Neuverschuldung des Bundes darstellt. Die Gesamtneuverschuldung inklusive Ländern und Gemeinden liegt meist deutlich höher.

Konsolidierter Bruttoschuldenstand des Staates in Prozent des Bruttoinlandsprodukts[13]
Jahr 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021
Schuldenquote 65,7 73,2 82,0 79,4 80,7 78,3 75,3 71,9 69,0 64,6 61,2 58,9 68,7 69,3

Im Zeitraum von 1979 bis 2010 liegt der jährliche Finanzierungssaldo in Relation zum BIP bei −2,7 %. Insofern ist sogar der Anstieg der Jahre 2007 bis 2010 „im normalen Bereich“, bei einem mittleren Finanzierungssaldo von −2,3 % und somit deutlich unter dem langjährigen Mittel. Zuletzt im Zuge der mit der Finanzkrise ab 2007 einhergehenden Bankenrettung stieg der Schuldenstand (brutto) bis 2009 um knapp 100 Mrd. Euro.[14] Die COVID-19-Pandemie führte 2019 bis 2020 ebenfalls zu seinem sprunghaften Anstieg der Schuldenstands um etwa 273 Mrd. Euro.

Der Bundeshaushalt wurde zwischen 1970 und 2014 jeweils mit einer Netto-Neuverschuldung abgeschlossen.

Verdeckte Staatsverschuldung

Neben der vorliegenden Verschuldung, die sich aus den in aller Regel verbrieften Staatsverbindlichkeiten (Bundesanleihen, -schatzbriefe, Kommunalanleihen, Kommunalkrediten etc.) ergibt, spricht man auch von der impliziten Verschuldung (engl. implicit debt; in der Politik und den Medien auch Schattenverschuldung), die sich aus der Höhe der zukünftigen staatlichen Verpflichtungen, wie z. B. Renten- und Pensionszahlungen, ergibt. Die Berechnung der impliziten Verschuldung wird kontrovers diskutiert, da sie unter anderem von Annahmen über die Höhe der Zahlungsströme (Cash-Flow) der künftigen Zinsstruktur abhängt. Eine Änderung der Sozialversicherungssysteme oder der Bevölkerungsverteilung hätte beispielsweise Auswirkungen auf die zukünftigen Zahlungsströme und damit auf deren Kapitalwert. Aus diesem Grund beziehen sich die veröffentlichten Zahlen auf die explizite Verschuldung. Es gibt Vorschläge, die implizite Verschuldung in eine Generationenbilanz zu integrieren. Verdeckte Staatsverschuldung beschreibt eine Staatsverschuldung, bei der der Schuldner nicht der Staat selbst ist, sondern eine ausgelagerte Einheit. wie z. B. der Fonds Deutsche Einheit. Auch wenn diese Schulden nicht als Schulden des Staates bilanziert werden, sind sie doch wirtschaftlich diesem zuzurechnen. Extrahaushalte mit ihren Forderungen und Schulden zählen zum öffentlichen Gesamthaushalt.[15]

Die Europäische Zentralbank (EZB) warnte denn auch im Nachgang der Finanzkrise vor den Folgen der Schattenverschuldung in den Euroländern. Die Garantien für andere EU-Mitgliedstaaten und eigene Kreditinstitute hätten demnach 2012 die Schulden Deutschlands um 11,2 % auf eine Staatsschuldenquote von rund 90 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anwachsen lassen.[16]

Verschuldung der Bundesländer

Pro-Kopf-Verschuldung der Bundesländer auf Kreisebene 2019.

Die Pro-Kopf-Verschuldung der Einwohner ist in den drei Stadtstaaten und im Saarland am höchsten. Von den Flächenstaaten ist das Saarland pro Kopf am höchsten verschuldet, die wirtschaftsstarken Südstaaten Bayern und Baden-Württemberg sowie Sachsen haben weniger Schulden.

In der untenstehenden Tabelle ist bei der Spalte „Änderung des Pro-Kopf-Schuldenstands …“ zu berücksichtigen, dass die Inflation unberücksichtigt ist. Rechnet man mit einer jährlichen Inflation von etwa 2 Prozent, würden die dort angegebenen Zahlen um einen Wert von mehr als −20 Prozent negativer (= günstiger) ausfallen.

Die Entwicklung der Schulden der deutschen Bundesländer bei nichtöffentlichen Bereich 2008 bis 2020[17][18][19][20][21]
Bundesland Schulden­stand pro Einwohner nach Jahr Schulden-
stand 2020
in Mrd. Euro
Änderung des
Pro-Kopf-
Schulden-
stands
2008–2020
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Baden-Württemberg 4.391 4.383  6.044  6.365  6.537  6.661  6.058  5.832  5.685  4.907  4.675  4.708  5.163  57,323 +17,6% 
Bayern 2.861 3.307  3.451  3.380  3.384  3.200  3.026  2.905  2.602  2.359  2.097  1.958  2.401  31,505 −16,1% 
Berlin 16.340 17.140  17.651  17.651  18.213  17.799  17.347  17.063  16.669  15.925  15.008  14.773  16.307  59,723 −0,2% 
Brandenburg 7.407 7.531  8.788  8.750  8.877  8.526  8.283  8.274  7.955  7.459  7.179  7.303  7.981  20,151 +7,7% 
Bremen 23.085 24.256  27.372  28.638  30.155  30.615  31.299  34.153  32.119  30.828  31.770  43.972  57.827  39,296 +150,5% 
Hamburg 12.223 12.733  14.119  13.900  14.273  14.393  16.148  15.137  17.674  18.206  18.750  18.239  19.152  35,339 +56,7% 
Hessen 6.266 6.845  8.544  9.155  9.834  9.683  10.370  10.516  9.975  9.414  8.470  8.557  9.542  60,009 +52,3% 
Mecklenburg-Vorpommern 6.887 6.892  7.426  7.382  7.591  7.399  7.340  7.518  6.519  6.093  5.791  5.746  6.243  10,048 −9,4% 
Niedersachsen 7.190 7.394  8.448  8.759  8.813  8.843  8.917  9.407  9.232  9.080  8.950  8.877  9.795  78,323 +36,2% 
Nordrhein-Westfalen 7.615 7.988  12.283  12.775  14.699  13.669  13.558  13.633  13.285  12.786  12.278  12.420  12.810  229,715 +68,2% 
Rheinland-Pfalz 7.549 7.928  10.316  10.817  11.164  11.223  11.309  11.417  11.279  10.927  10.548  10.482  10.728  43,907 +42,1% 
Saarland 10.112 11.270  14.257  14.948  16.077  16.860  17.647  18.463  18.014  17.715  17.449  17.577  17.891  17,620 +76,9% 
Sachsen 2.951 2.534  2.432  2.196  2.302  2.086  1.846  1.767  1.303  1.144  1.040  923  1.818  7,387 −38,4% 
Sachsen-Anhalt 9.465 9.543  10.340  10.376  10.556  10.373  10.475  10.818  10.396  10.503  10.195  10.682  10.848  23,720 +14,6% 
Schleswig-Holstein 8.642 9.330  10.843  11.149  11.444  11.281  11.372  11.240  11.859  11.691  12.158  12.108  12.535  36,431 +45,0% 
Thüringen 7.797 7.960  8.401  8.438  8.498  8.819  8.682  8.335  8.542  8.452  7.962  7.909  8.389  17,830 +7,6% 

Staatsschulden und Staatsvermögen

Den Staatsschulden in Deutschland stehen beträchtliche Staatsvermögen gegenüber. Die Staatsvermögen bestehen aus Sachvermögen (Gebäude, Bauland, Infrastruktur etc.) und Geldvermögen. Insgesamt ist das Vermögen größer als die Staatsschulden. Die Differenz bildet das Reinvermögen des Staates. Nach Berechnungen des DIW auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Bundesbank ergibt sich gegen Ende der 2010er Jahre ein Reinvermögen (auch Nettovermögen oder Eigenkapital) von unter 10 % des BIP. 1991 lag das staatliche Reinvermögen noch bei 52 % des BIP.[22] Inzwischen ist das Reinvermögen des Staates wieder gestiegen von 275 Mrd. Euro 2011 auf 895 Mrd. Euro 2018.[23]

Während sich das private Gesamtvermögen in Deutschland von 1992 bis 2012 mehr als verdoppelte (von 4,6 auf 10 Billionen Euro), ist das Staatsvermögen im gleichen Zeitraum um 800 Milliarden Euro gesunken.[24]

Grenzen der Staatsverschuldung

Rechtliche Grenzen

Art. 115 Grundgesetz (GG) besagt, dass die neu aufgenommenen Kredite die Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten dürfen. Ausnahme: Zur Abwehr einer „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ ist auch eine höhere Verschuldung zulässig.

Außerdem sollten vor der Einführung des Euro gemäß den im Maastricht-Vertrag festgelegten EU-Konvergenzkriterien und seit seiner Einführung gemäß Art. 126 des AEU-Vertrags u. a. die folgenden Kriterien erfüllt sein:

  • Das Haushaltsdefizit darf maximal 3 % des BIP betragen.
  • Die Gesamtverschuldung darf 60 % des BIP nicht überschreiten. Hierbei werden die Schulden des Bundes, der Länder und der Gebietskörperschaften zusammengezählt. Dabei zählen als Schulden z. B. nicht Schulden aus Lieferungen und Leistungen.

Diese als Maastricht-Kriterien bezeichneten Grenzen sind willkürlich gesetzt worden und wurden seitens Deutschlands und auch anderer Länder seit 2002 mehrfach überschritten. Deutschland hat beim Staatsdefizit 2006 erstmals seit fünf Jahren wieder die Vorgaben des Euro-Stabilitätspaktes erfüllt. Der Wirtschaftsaufschwung und höhere Einnahmen ließen das deutsche Haushaltsloch auf 1,7 % des Bruttoinlandsprodukts schrumpfen nach 3,2 % im Jahr 2005. Die 60-%-Grenze stellte den zum Zeitpunkt der Maastricht-Verhandlungen (1991) durchschnittlichen Verschuldungsgrad der damaligen Beitrittskandidaten dar. Man unterstellte dabei ein durchschnittliches nominales Wachstum der Sozialprodukte von etwa 5 %, das heißt 3 % reales Wachstum und 2 % Inflation. Danach dürfte die Nettokreditaufnahme nur bei 60 % der Sozialproduktzunahme (also 3 %) liegen, wenn der Schuldenstand gleich bleiben sollte.

2009 beschlossen Bundestag und Bundesrat die Einführung einer Schuldenbremse, die ab 2016 dem Bund höhere strukturelle Defizite als 0,35 % des nominalen Bruttoinlandsproduktes und ab 2020 den Ländern außer in besonders schweren Rezessionen oder Katastrophen die Aufnahme neuer Schulden verbietet.

Öffentliche Schulden im Vergleich mit privatem Vermögen

Den öffentlichen Schulden steht in Deutschland ein weitaus größeres privates Nettovermögen gegenüber, so dass die Staatsverschuldung aus makroökonomischer Sicht durchaus entspannt ist, allerdings besitzen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung fast zwei Drittel dieses Vermögens. Die deutsche Volkswirtschaft hat ein per Saldo positives Auslandsvermögen.

Nach Berechnungen des DIW bestand das private Nettovermögen im engeren Sinne 2009 aus 7370 Milliarden Euro, was 307 % des BIP entspricht. Zusammen mit dem übrigen Nettovermögen beträgt das gesamte Nettovermögen der privaten Haushalte 9700 Milliarden Euro, 405 % des BIP. Demgegenüber nimmt sich die Staatsschuldenquote (2009) in Höhe von 73 % des BIP (1760 Milliarden Euro) noch recht moderat aus. [...] Insgesamt stellt sich die intergenerative Belastungswirkung des öffentlichen Gesamthaushalts in Deutschland aus makroökonomischer Sicht durchaus entspannt dar. [...] Allerdings sind die Betroffenheit von künftigen Steuererhöhungen oder Kürzungen von Staatsleistungen einerseits und der Nettovermögensbesitz andererseits deutlich unterschiedlich verteilt. Das private Nettovermögen im engeren Sinne ist sehr stark konzentriert [...] die reichsten zehn Prozent besitzen über 60 % des Vermögens (2007).[22] Das Vermögen der reichsten zehn Prozent ist demnach mehr als dreimal größer als die gesamte Staatsverschuldung.

Sonderkonto zur Tilgung

Die Bundeskasse Halle (Saale) unterhält seit 2006 bei der Bundesbank Leipzig ein Sonderkonto (IBAN DE17 8600 0000 0086 0010 30), auf das Bürger ohne die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit Geld unter dem Betreff „Schuldentilgung“ überweisen können.[25] Seit Kontoeröffnung wurden 1.164.564,35 € eingezahlt (Stand: 6. Dezember 2018).[26]

Literatur

  • Daniel Buscher: Der Bundesstaat in Zeiten der Finanzkrise. Ein Beitrag zur Reform der deutschen Finanz- und Haushaltsordnung (Föderalismusreform). Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-13166-2.
  • Sebastian Finsterbusch: Staatsverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland. 1. Auflage. polisphere library, 2005, ISBN 3-938456-04-3.
  • Hans-Peter Ullmann: Staat und Schulden. Öffentliche Finanzen in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-36385-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Deutsche Bundesbank: Die Maastricht-Schulden: methodische Grundlagen sowie die Ermittlung und Entwicklung in Deutschland. in Monatsbericht April 2018, S. 59ff
  2. Deutsche Bundesbank. In: Verschuldung gem. Maastricht-Vertrag - Deutschland - Gesamtstaat. Abgerufen am 4. April 2022.
  3. General government - General government debt - OECD Data. In: OECD Organisation for Economic Co-operation and Development. Abgerufen am 4. April 2022 (englisch).
  4. Bruttoinlandsprodukt in Deutschland 1950-2021. In: Statista.com. Abgerufen am 4. April 2022.
  5. Schulden, Finanzvermögen. Statistisches Bundesamt, abgerufen am 4. April 2022.
  6. Monatsbericht April 2006 der Deutschen Bundesbank (Memento vom 3. Februar 2007 im Internet Archive) (906 kB)
  7. Auslandsverschuldung, abgerufen am 16. April 2010 (Einteilung der Gläubiger).
  8. Staatsverschuldung wirksam begrenzen - Expertise des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, März 2007
  9. Umstellung der Schuldenuhr. Bund der Steuerzahler, 15. Januar 2009, archiviert vom Original am 2. März 2009; abgerufen am 4. August 2012.
  10. Aktuelle Leitzinsen der Notenbanken | Leitzinsen EZB / FED. In: Online-Broker LYNX. LYNX B.V. Germany Branch, abgerufen am 4. Mai 2020.
  11. Bundesbank: Staat spart 120 Milliarden Euro durch Niedrigzinsen. In: Der Spiegel. 11. August 2014, abgerufen am 1. Januar 2020.
  12. Negativzins – Bund verdient erstmals Geld mit Staatsanleihe. In: manager magazin. 18. Juli 2012, abgerufen am 1. Januar 2020.
  13. a b Statistisches Bundesamt: Schulden des Öffentlichen Gesamthaushalts - Fachserie 14 Reihe 5 - 2021
  14. Bundestagsdrucksache 17/1522. (PDF; 106 kB) bundestag.de, 26. April 2010, abgerufen am 4. August 2012.
  15. Statistisches Bundesamt:„Was beschreibt die Statistik über die Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts?“
  16. Franz Schuster, Europa im Wandel, 2013, S. 89
  17. Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts am 31.12.2013 beim nicht-öffentlichen Bereich. Statistisches Bundesamt, abgerufen am 18. Januar 2015.
  18. Simone Scharfe: Schulden des öffentlichen Gesamthaushaltes am 31. Dezember 2013. (PDF) Statistisches Bundesamt, abgerufen am 26. Februar 2015.
  19. Finanzen und Steuern: Vorläufiger Schuldenstand des Öffentlichen Gesamthaushalts. Statistisches Bundesamt, 26. Juni 2018, abgerufen am 29. August 2018.
  20. Vorläufiger Schuldenstand des Öffentlichen Gesamthaushalts - Fachserie 14 Reihe 5.2 - 4. Vierteljahr 2018. Statistisches Bundesamt, 26. März 2019, abgerufen am 6. April 2019.
  21. Schulden des Öffentlichen Gesamthaushalts - Fachserie 14 Reihe 5 - 2020. Statistisches Bundesamt, 28. Juni 2021, abgerufen am 8. August 2021.
  22. a b Stefan Bach: Wochenbericht. (PDF; 615 kB) DIW, 15. Dezember 2010, abgerufen am 4. August 2012.
  23. Sektorale und gesamtwirtschaftliche Vermögensbilanzen, Herausgeber Statistisches Bundesamt (Destatis) (Sachvermögen) und Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main (Geldvermögen), Erschienen im Dezember 2019
  24. Thomas Öchsner: Neuer Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung: Reiche trotz Finanzkrise immer reicher. In: Süddeutsche Zeitung. 18. September 2012, abgerufen am 15. Januar 2020.
  25. Christoph Schäfer: Spendenkonten: Almosen für Deutschland. Die Bundesregierung und Thüringen haben Spendenkonten angelegt, um ihre Schulden zu senken. Die freiwilligen Geldgeber erhalten allerdings keine Spendenquittung – und auch keinen Dank. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Januar 2012, abgerufen am 24. November 2017.
  26. Schuldenabbau: Bürger schenken dem Staat mehr als 600.000 Euro. In: Zeit Online. 23. Dezember 2018, abgerufen am 24. Dezember 2018 (Der Spendenbetrag entspricht der Summe der beiden im Artikel genannten Beträge).