Cyberfeminismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 28. September 2022 um 19:20 Uhr durch imported>Elena Patrise(2299565) (→‎Literatur: Sadie Plant hinzugefügt).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Mit Cyberfeminismus wird eine postmoderne Philosophie sowie ein Ensemble von Theorien und Praktiken benannt, die sich auf im Internet stattfindende Interaktionen zwischen Feminismus und Cyberspace beziehen.

Entstehung

VNS Matrix Cyberfeminist Manifesto for the 21st Century - anonyme Adaption auf baskisch

Der Cyberfeminismus entstand durch die Verbreitung der neuen Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) und die gleichzeitig stattfindende Dritte Welle des Feminismus und ist besonders mit dem Namen Donna Haraway verknüpft, die 1985 A Cyborg Manifesto veröffentlichte. Inspiriert von diesem Manifest, waren die ersten, die den Begriff Cyberfeminismus prägten, die australische Künstlerinnengruppe VNS Matrix in ihrem Cyberfeminist Manifesto for the 21st Century (1991).[1] In diesem Manifest proklamieren VNS Matrix: Die Klitoris ist eine direkte Verbindung zur Matrix.[2] Neben VNS Matrix sind wichtige Vertreterinnen und Theoretikerinnen des Cyberfeminismus u. a. Rosi Braidotti, Sadie Plant, OBN, Nancy Paterson, Nathalie Magnan, Zoe Soufoulis und Alluquere Rosanne alias Sandy Stone.[3]

Für Cyberfeministinnen beinhaltet die Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) nicht nur einen subversiven Umgang mit maskuliner Identität, sondern die Kreation einer Vielzahl neuer Subjektivitäten, in denen die Technologie nicht nur die Gesellschaft und die Technologie selbst verändern kann, sondern auch die herkömmlichen Gender-Rollen. In diesem Sinne fordern die cyberfeministischen Theorien und Praxen die hierarchischen Machtbeziehungen zwischen Männern und Frauen in den IKT heraus, erforschen das wechselseitige Verhältnis von Frauen und digitalen Medien und verweisen auf die Schaffung von Netzwerken und die Eroberung von Räumen im Cyberspace, die aus der Entwicklung neuer Partizipationsformen hervorgehen.[4][5][6]

Cyberfeminismus benötigt notwendigerweise eine dezentralisierte, vielschichtige und mitbestimmungsorientierte Praxis, in welcher viele verschiedene Strömungen nebeneinander existieren können.[7]

Cyberfeminismus und Kunst

Die Praxis der cyberfeministischen Kunst ist eng verbunden mit der Gendertheorie.

An der First Cyberfeminist International, welche im Rahmen der Documenta X im Hybrid Workspace in Kassel 1997 stattfand, wurde von Cyberfeministinnen aus unterschiedlichen Ländern 100 Anti-Thesen formuliert, die sich mit der Definition von Cyberfeminismus auseinandersetzten.

Cyberfeminismus ist:

  • ‚kein grünes Häkeldeckchen‘
  • ‚keine Theorie, aber auch keine Praxis‘
  • ‚kein leerer Kühlschrank‘
  • ‚not about boring toys for boring boys‘
  • ‚not anti-male‘
  • ‚n’est pas triste‘
  • ‚weder eine Verlegenheitslösung, noch eine Nudelsauce‘, und vor allem:
  • ‚nicht mehr wegzudenken ...‘[3]

Festivals

  • 1997 First Cyberfeminist International, Documenta X, Kassel
  • 1999 Next Cyberfeminist International, Rotterdam[8]
  • 2001 Very Cyberfeminist International, Hamburg[9]
  • 2017 Post Cyberfeminist International, London

Literatur

  • Sadie Plant: Nullen und Einsen. Digitale Frauen und die Kultur der neuen Technologien, Berlin Verlag, 1998 ISBN 978-3-8270-0290-7 (eng. Zeros and Ones. Digital Women and the New Technoculture, Fourth Estate, 1995)
  • Cornelia Sollfrank (Hg.): Die schönen Kriegerinnen – Technofeministische Praxis im 21. Jahrhundert, transversal texts, 2018 ISBN 978-3-903046-16-0
  • Francesca Schmidt: Netzpolitik. Eine feministische Einführung, Leverkusen 2021, ISBN 978-3-8474-2216-7

Einzelnachweise

  1. Sue V. Rosser: Through the Lenses of Feminist Theory: Focus on Women and Information Technology. In: Frontiers: A Journal of Women Studies. 26.1, 2005, ISSN 0160-9009, S. 1–23.
  2. VNS Matrix: Cyberfeminist Manifesto for the 21st Century, abgerufen am 10. Dezember 2014.
  3. a b Weber, Jutta: Ironie, Erotik und Techno-Politik : Cyberfeminismus als Virus in der neuen Weltunordnung? Eine Einführung. Hrsg.: Die Philosophin : Forum für feministische Theorie und Philosoph. Jg. 12 Auflage. Nr. 24, 2001, S. 81–97 (https://www.genderopen.de/handle/25595/871).
  4. Nuria Vergés Bosch, Alex Hache, Eva Cruells López: Colectivo Donestech: Ciberfeminismo de investigación, abgerufen am 10. Dezember 2014.
  5. Susan Hawthorne, Renate Klein (Hrsg.): CyberFeminism: Connectivity, Critique, and Creativity. Spinifex Press, Melbourne 1999, ISBN 1-875559-68-X.
  6. Mary Flanagan, Austin Booth (Hrsg.): Reload. Rethinking Women + Cyberculture. MIT Press, Cambridge 2002, ISBN 0-262-56150-6.
  7. Alex Galloway: A Report on Cyberfeminism: Sadie Plant relative to VNS Matrix. (Memento des Originals vom 4. Juni 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/switch.sjsu.edu Switch 4 (1), abgerufen am 10. Dezember 2014.
  8. Old Boys Network (Hrsg.): next Cyberfeminist International. Editor: Cornelia Sollfrank, Old Boys Network, Hamburg 1999, S. 4.
  9. Helene von Oldenburg, Claudia Reiche (Hrsg.): Very cyberfeminist international reader : OBN Conference. Hamburg 2001.