RTS,S

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RTS,S, auch Mosquirix, ist ein im Zulassungsverfahren befindlicher Malariaimpfstoff, der von dem Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline in Kooperation mit der PATH Malaria Vaccine Initiative entwickelt und getestet wurde.[1] Gesponsert wurde das Vorhaben außerdem von der Bill & Melinda Gates Foundation.

Der Impfstoff ist gut verträglich, aber mäßig wirksam.

Eigenschaften

Aufbau der rekombinaten, virusähnlichen Partikel bei RTS,S

Bei RTS,S handelt es sich um einen sogenannten „präerythrozytären“ Impfstoff, der sich gegen den Malariaerreger Plasmodium falciparum richtet. Ziel ist eine Immunisierung gegen die Parasiten in der Phase auf dem Weg von der Einstichstelle in die Leber (Sporozoiten) und während ihres Aufenthaltes in der Leber (Übergang vom Sporozoiten zum Leberschizonten) – sie befinden sich damit noch nicht in den Erythrozyten.[2]

Der Totimpfstoff besteht aus zwei Epitopen: Einmal der Repeat-Region des Circumsporozoitproteins (CSP) aus P. falciparum („R“), ein B-Zell-Epitop, sowie dem T-Zell-Epitop des CSP („T“).[2] CSP aller Marlariaerreger enthält im zentralen Segment je nach Art sich wiederholende Aminosäuremotive. Bei P. falciparum sind dies 40 Motive an Asparagin-Alanin-Asparagine-Prolin (NANP) und einige Motive an Asparagine-Valin-Asparaginsäure-Prolin (NVDP).[3] Im Impfstoff werden 19 NANPs exprimiert.[4] CSP ist ein häufig vorkommendes Protein auf der Oberfläche der Sporozoiten.[5]

Die C-terminale Region des CSP (Aminosäuren 207 bis 395) ist ferner an HBsAg fusioniert („S“, von englisch surface). Zudem wird auch freies HBsAg in einem Verhältnis von etwa 1:3 mitexprimiert (zusätzliches „S“).[4] Die virusähnlichen Partikel werden mit AS01 adjuvantiert, hierbei die Untervariante AS01E.[6] Daher wird in der Literatur der Impfstoff auch als RTS,S/AS01 bezeichnet. Analog wie beim Hepatitis-B-Impfstoff wird RTS,S in Saccharomyces cerevisiae hergestellt.

Wirksamkeit

Zwar zeigt der Totimpfstoff eine gute Verträglichkeit. Jedoch ist RTS,S/AS01 ein mäßig wirksamer Impfstoff, nachteilig ist eine rasch abfallende Wirksamkeit. So wird diese bei 36 % angegeben, wenn vier Jahre nach der Grundimmunisierung nochmals geboostert wird – ohne Boostern beträgt sie schätzungsweise nur 28 %.[2]

Ein Grund für die mäßige bzw. nachlassende Wirksamkeit wurde 2022 untersucht.[7] Die durch den Impfstoff vermittelte Immunantwort richtet sich hauptsächlich gegen die Proteinbausteine 311 bis 333 des CSP. In dessen Folge werden durch T-Zellen hoch spezifische T-Zell-Rezeptoren gebildet, die nahezu ohne Kreuzreaktivität nur die Varianten des Impfstammes zuverlässig erkennen. Selbst die Abweichung einer einzigen Aminosäure kann dazu führen, dass die T-Zellen die CSP-Epitope nicht mehr erkennen.[5] Erschwerend kommt hinzu, dass die betroffene Region in CSP natürlicherseits hohen Sequenzpolymorphismen ausgesetzt ist.

Wegen der hohen Spezifität der T-Zellen können auch wiederkehrende, natürliche Infektionen mit Malaria nicht als Booster dienen – dies kann erklären, warum sich keine lebenslange Immunität ausbildet.

Entwicklung

Das das CSP-codierende Gen, auf dem der Impfstoff basiert, wurde in den 1980er Jahren sequenziert.[2] Da die CSP-Antigene – auch RTS,S für sich alleine –[8] nur schwach immunogen sind, wurden verschiedene Varianten mit verschiedenen Trägern und insbesondere Adjuvanzien in den darauf folgenden Jahrzehnten präklinisch und klinisch erprobt. Hierbei erwiesen sich Aluminiumsalze aufgrund der fehlenden Wirksamkeit als ungeeignetes Adjuvanz. Die Impfstoffentwicklung mündete in die Variante RTS,S mit dem Adjuvanz AS02, die 2006[9] bei tierexperimentellen Studien mit Rhesusaffen untersucht wurde und führte zu weiteren Studien. Die Impfstoffprogramm mit AS02 wurde zugunsten AS01 beendet, da es vergleichsweise eine bessere Schutzwirkung zeigte.[8]

Zulassung

Der Impfstoff erhielt eine positive Beurteilung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) für die Anwendung außerhalb der EU.[10] RTS,S wäre der erste wirksame Impfstoff gegen Malaria; Studien ergaben eine signifikante Abnahme der Neuerkrankungen bei den Geimpften um 31 bis 56 % je nach Alter der Impflinge.

Bevor Impfungen in Subsahara-Afrika beginnen können, sollte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Stellungnahme abgeben.[11] In einer Pressemitteilung vom Oktober 2015 wies die WHO auf die Komplexität der Anwendung des Impfstoffs hin (so müssen vier Einzeldosen verabreicht werden) und empfiehlt eine Pilotierung.[12][13] Die Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung (GAVI) hat im Juli 2016 erklärt, zur Finanzierung der Pilotierung, die in zwei Phasen von 2017 bis 2022[veraltet] laufen könnte, beizutragen.[14] Der Hersteller ging davon aus, dass bei Sicherstellung der Finanzierung der Pilotierung die ersten Impfungen im Jahr 2018 erfolgen könnten.[15]

Die Pilotierung durch ein von der WHO koordiniertes Programm in Ghana, Kenia und Malawi startete 2019.[16] Nach Pilotversuchen mit 800.000 Kindern, bei denen tödliche Krankheitsverläufe laut der WHO um 30 % zurückgegangen waren, sprach die WHO im Oktober 2021 eine Empfehlung für eine breite Anwendung von RTS,S bei Kindern in Subsahara-Afrika und in anderen Malaria-Regionen aus.[17]

Auf deutscher Seite ist an den Forschungen Peter Kremsner vom Universitätsklinikum Tübingen beteiligt; im von Albert Schweitzer gegründeten Krankenhaus in Lambaréné, Gabun forscht die Arbeitsgruppe von Selidji Todagbe Agnandji.[18] Die Studie wurde zwischenzeitlich kritisiert, weil kein ausdrückliches Einverständnis der Eltern der geimpften Kinder eingeholt worden war.[19]

Literatur

  • W. G. Metzger, Z. Sulyok, A. Theurer, C. Köhler: Entwicklung von Impfstoffen gegen Malaria – aktueller Stand. In: Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz. Band 63, Nummer 1, Januar 2020, S. 45–55, doi:10.1007/s00103-019-03070-1, PMID 31828371, PMC 7223738 (freier Volltext) (Review).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. PATH Malaria Vaccine Initiative welcomes positive opinion by European regulators on GSK’s Mosquirix™ (RTS,S). Path, 23. Juli 2015, abgerufen am 29. Oktober 2015 (englisch, Pressemitteilung).
  2. a b c d Wolfram Gottfried Metzger et al.: Entwicklung von Impfstoffen gegen Malaria – aktueller Stand. In: Bundesgesundheitsblatt. Band 63, 11. Dezember 2019, S. 45–55, doi:10.1007/s00103-019-03070-1.
  3. D. Gray Heppner Jr. et al.: Towards an RTS,S-based, multi-stage, multi-antigen vaccine against falciparum malaria: progress at the Walter Reed Army Institute of Research. In: Vaccine (= Vaccines and Immunisation. Based on the Fourth World Congress on Vaccines and Immunisation). Band 23, Nr. 17, 18. März 2005, S. 2243–2250, doi:10.1016/j.vaccine.2005.01.142, PMID 15755604 (englisch).
  4. a b W. Ripley Ballou, Johan Vekemans: Malaria Vaccines. In: Stanley A. Plotkin et al. (Hrsg.): Plotkin's Vaccines. 7. Auflage. Elsevier, 2017, ISBN 978-0-323-35761-6, S. 563, doi:10.1016/B978-0-323-35761-6.00035-3 (englisch).
  5. a b Warum die Impfung gegen Malaria schnell ihre Schutzwirkung verliert. In: Deutsches Krebsforschungszentrum. 20. Juni 2022, abgerufen am 24. September 2022.
  6. SmPC Mosquirix. (PDF) In: EMA. S. 2, abgerufen am 18. September 2022 (englisch).
  7. Ilka Wahl et al.: Clonal evolution and TCR specificity of the human TFH cell response to Plasmodium falciparum CSP. In: Science Immunology. Band 7, Nr. 72, 10. Juni 2022, S. eabm9644, doi:10.1126/sciimmunol.abm9644, PMID 35687696 (englisch).
  8. a b Nathalie Garçon, Alberta Di Pasquale: From discovery to licensure, the Adjuvant System story. In: Human Vaccines & Immunotherapeutics. Band 13, Nr. 1, 16. September 2016, S. 19–33, doi:10.1080/21645515.2016.1225635, PMID 27636098, PMC 5287309 (freier Volltext) – (englisch).
  9. V. Ann Stewart et al.: Pre-clinical evaluation of new adjuvant formulations to improve the immunogenicity of the malaria vaccine RTS,S/AS02A. In: Vaccine. Band 24, Nr. 42-43, 30. Oktober 2006, S. 6483–6492, doi:10.1016/j.vaccine.2006.06.033, PMID 16904798 (englisch).
  10. GSK’s malaria candidate vaccine, Mosquirix™ (RTS,S), receives positive opinion from European regulators for the prevention of malaria in young children in sub-Saharan Africa. GlaxoSmithKline, 24. Juli 2015, archiviert vom Original am 28. Juli 2015; abgerufen am 22. September 2019 (englisch, Pressemitteilung).
  11. Christopher Weckwerth: Weltweit erster Malaria-Impfstoff vor Zulassung. welt.de, 24. Juli 2015, abgerufen am 26. Juli 2015
  12. Pilot implementation of first malaria vaccine recommended by WHO advisory groups. WHO, 23. Oktober 2015, abgerufen am 29. Oktober 2015 (englisch).
  13. Tania Rabesandratana: WHO experts temper malaria vaccine hopes. SciDev.Net, 28. Oktober 2015, abgerufen am 29. Oktober 2015 (englisch).
  14. WHO welcomes support from Gavi for malaria vaccine pilot programme. WHO, 23. Juni 2016, abgerufen am 29. Oktober 2016 (englisch, Information note).
  15. GSK and PATH welcome commitment by Gavi, the Vaccine Alliance, to co-fund pilot implementation programme for RTS,S malaria vaccine candidate in Africa. UNITAID funding decision expected later this summer. GlaxoSmithKline, archiviert vom Original am 14. November 2016; abgerufen am 29. Oktober 2016 (englisch).
  16. Wolfgang Geissel: WHO startet Pilotprojekt zur Malaria-Impfung. Ärztezeitung, 30. April 2019, abgerufen am 21. September 2019.
  17. tagesschau.de: Kampf gegen Infektionskrankheit: WHO empfiehlt Malaria-Impfstoff für Kinder. In: tagesschau.de. Abgerufen am 6. Oktober 2021.
  18. Arbeitsgruppe Agnandji. Universitätsklinikum Tübingen, abgerufen am 27. November 2017 (Tropenmedizin).
  19. Kritik an WHO-Projekt zur Malaria-Impfung. In: aerztezeitung.de. 27. Februar 2020, abgerufen am 8. Oktober 2021.