Julia Kristeva

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Julia Kristeva, 2008

Julia Kristeva (bulgarisch

Юлия Кръстева

; * 24. Juni 1941 in Sliwen, Bulgarien) ist eine bulgarisch-französische Literaturtheoretikerin, Psychoanalytikerin, Schriftstellerin und Philosophin. Sie hat um 1965 den Begriff Intertextualität geprägt, um die strukturalistische Literaturinterpretation zu erweitern.

Leben

Julia Kristeva konnte dank eines Promotionsstipendiums aus Bulgarien ausreisen und lebt und arbeitet seit 1965 in Paris. Dort hat sie seit 1973 einen Lehrstuhl an der Universität Paris VII (Denis Diderot) inne.

Ihre Schriften zur Linguistik und zur Sprache prägten die poststrukturalistische Diskussion, vor allem durch ihre Mitarbeit an der literaturkritischen Zeitschrift Tel Quel. Beeinflusst wurde sie dabei u. a. von der Freudschen und Lacanschen Psychoanalyse, dem russischen Formalismus (sie spielte eine Mittlerrolle und machte Michail Bachtin in der französischen intellektuellen Szene bekannt), ihrer Freundschaft mit Roland Barthes[1] und der intensiven Auseinandersetzung mit dessen Werk und dem Hegelianismus.

Neben ihrer Forschungstätigkeit hat Kristeva einige Romane veröffentlicht. Sie gilt als engagierte Europäerin.[2]

In den frühen 1970ern untersuchte Kristeva die „weibliche Identität im Patriarchat“. Am stärksten mit der écriture féminine identifiziert wird die französische Schriftstellerin und Theoretikerin Hélène Cixous, doch auch Luce Irigaray und Julia Kristeva werden regelmäßig als bekannte Vertreterinnen des weiblichen Schreibens genannt. Kristeva wurde von Teilen der feministischen Literaturwissenschaftler wegen ihrer Nähe zur Psychoanalyse kritisiert. Ihre Arbeiten hatten dennoch Einfluss auf Theorien der Gender Studies.[3]

Kristeva ist seit 1967 verheiratet mit dem Schriftsteller Philippe Sollers.

Im März 2018 wurden Vorwürfe laut, dass Kristeva im Jahr 1971 für den bulgarischen Auslandsgeheimdienst angeworben worden und den Decknamen „Sabina“ erhalten haben soll.[4] Die Authentizität der Vorwürfe ist allerdings fraglich; auch Kristeva selbst bestreitet, für den Geheimdienst tätig gewesen zu sein.[5]

Schriften (Auswahl)

  • Des Chinoises, Edition Des Femmes, 1974; neu herausgegeben: Pauvert, 2001.
    • deutsch: Die Chinesin. Die Rolle der Frau in China, übersetzt von Annette Lallemand, Nymphenburger Verlagshaus, München 1976; Ullstein, Frankfurt/M. 1982, ISBN 3-548-35144-1
  • Etrangers à nous-mêmes, Gallimard, Paris 2001, ISBN 2-07-032618-7
    • deutsch: Fremde sind wir uns selbst, übersetzt von Xenia Rajewski, Suhrkamp, Frankfurt/M. 2001, ISBN 3-518-11604-5
  • Histoires d'amour, Nachdruck: Denoël, Paris 2007, ISBN 9782070323234
    • deutsch: Geschichten von der Liebe, übersetzt von Dieter Hornig und Wolfram Bsyer, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1989, ISBN 3-518-11482-4
  • Powers of horror. An essay on abjection, New York 1982
  • Die Revolution der poetischen Sprache, übersetzt und mit einer Einleitung versehen von Reinold Werner, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1999, ISBN 3-518-10949-9
  • Les samouraïs, Gallimard, Paris 1982 ISBN 2-07-038472-1
  • Soleil noir : dépression et mélancolie, Gallimard, Paris 1987, ISBN 2-07-070919-1
    • deutsch: Schwarze Sonne. Depression und Melancholie, übersetzt von Bernd Schwibs und Achim Russer, Brandes & Apsel, Frankfurt/M. 2007, ISBN 978-3-86099-736-9
  • Das weibliche Genie. Das Leben, der Wahn, die Wörter, Philo-Verlag, Berlin
    • 1. Hannah Arendt, 2001, übersetzt von Vincent von Wroblewsky, ISBN 3-8257-0186-7
    • 2. Melanie Klein, 2005, übersetzt von Vincent von Wroblewsky, ISBN 3-8257-0240-5
    • 3. Le génie féminin. Les mots. Colette ou la chair du monde, franz. Fayard, 2002, ISBN 2213607710; engl. Columbia University Press, 2005, ISBN 9780231128971

Interviews

Literatur

  • Jürg Altwegg: Liebesgrüße aus Paris, FAS Nr. 14/2018 vom 8. April 2018, S. 43
  • Eva Angerer: Die Literaturtheorie Julia Kristevas. Von Tel Quel zur Psychoanalyse, Wien: Passagen Verlag 2005.
  • Sara Beardsworth: Julia Kristeva, Psychoanalysis and Modernity, Suny Press, 2004. (2006 Goethe Award for Psychoanalytic Scholarship for the best book published in 2004)
  • Megan Becker-Leckrone: Julia Kristeva and literary theory. Palgrave Macmillan, 2005, ISBN 0-333-78194-5
  • Louis-Jean Calvet: Roland Barthes. Eine Biographie. Suhrkamp Verlag, 1993.
  • David Crownfield: Body/Text in Julia Kristeva: Religion, Women, and Psychoanalysis, State University of New York Press, 1992
  • Kelly Ives: Julia Kristeva: Art, Love, Melancholy, Philosophy, Semiotics and Psychoanalysis, Crescent Moon Publishing Édition, 2010.
  • Alice Jardine: At the Risk of Thinking. An Intellectual Biography of Julia Kristeva, New York: Bloomsbury 2020, ISBN 9781501341335.
  • Christian Kupke: Julia Kristeva. In: Stephan Moebius & Dirk Quadflieg (Hg.): Kultur. Theorien der Gegenwart. Wiesbaden: VS-Verlag für Sozialwissenschaften, 750 S., 2006, ISBN 3-531-14519-3
  • John Lechte: Julia Kristeva, live theory. Continuum Press, London 2004, ISBN 0-8264-6355-X
  • Kelly Oliver: Ethics, Politics, and Difference in Julia Kristeva's Writing, Routledge Édition, 1993.
  • Jennifer Radden: The Nature of Melancholy: From Aristotle to Kristeva, Oxford University Press, 2000.
  • Bettina Schmitz: Arbeit an den Grenzen der Sprache. Julia Kristeva. Ulrike Helmer Verlag, Königstein im Taunus 1998, ISBN 3-89741-006-0
  • Bettina Schmitz: Die Unterwelt bewegen. Politik, Psychoanalyse und Kunst in der Philosophie Julia Kristevas, ein-FACH-verlag, Aachen 2000, ISBN 3-928089-26-9
  • Anna Smith: Julia Kristeva: Readings of Exile and Estrangement, Palgrave Macmillan, 1996.
  • Inge Suchsland: Julia Kristeva. Zur Einführung. Junius-Verlag, Hamburg 1992, ISBN 3-88506-874-5

Auszeichnungen

Siehe auch

Weblinks

Commons: Julia Kristeva – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Louis-Jean Calvet: Roland Barthes. Suhrkamp, 1993.
  2. Olivier Guez: Sprich über deine Schatten. Interview mit Julia Kristeva. Aus dem Französischen von Michael Bischoff. In: FAZ, 4. Mai 2013, S. 40.
  3. Hans-Christoph Keller: Fertility of Thoughts: Julia Kristeva an der HU — Presseportal. Abgerufen am 20. Februar 2022.
  4. Ulrich Schmid: Fall einer poststrukturalistischen Ikone – Julia Kristeva war eine Spionin des Geheimdiensts. In: NZZ.ch 28. März 2018.
  5. Spionagevorwürfe gegen Julia Kristeva - Viel Lärm um Nichts. In: Deutschlandfunk Kultur. (deutschlandfunkkultur.de [abgerufen am 7. April 2018]).