Die Jüdin von Toledo (Roman)

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Die Jüdin von Toledo ist ein 1955 veröffentlichter historischer Roman von Lion Feuchtwanger, der in Deutschland auch unter dem Titel Spanische Ballade vertrieben wurde. Er erzählt die in die zeitgenössischen Chroniken eingegangene, mehrjährige Liebesbeziehung zwischen dem kastilischen König Alfons VIII. (1169–1214) und der Tochter Raquel seines jüdischen Ministers Jehuda Ibn Esra. Jehuda wird während der Reconquista und erneuter Aufrufe zum Kreuzzug gegen die „Ungläubigen“ vom König nach einer Niederlage zum Finanzminister bestellt und versucht, unter dem Vorwand der gründlicheren ökonomischen Vorbereitung des nächsten Krieges den Krieg zu verzögern, wohl wissend, dass in Glaubenskriegen die jüdischen Gemeinden oft als erste ausgelöscht werden.

Handlung

Viele Juden Andalusiens mussten im 12. Jahrhundert moslemischen Glauben annehmen, wenn sie nicht auswandern wollten; so auch Ibrahim, ein reicher Kaufmann aus Sevilla. Als sich ihm endlich im Alter von 55 Jahren Gelegenheit bietet, zum alten Glauben zurückzukehren, verlässt er seine gesicherte Position als Ratgeber des Emirs, bricht alle Brücken hinter sich ab und tritt unter dem Namen seiner Väter als Jehuda Ibn Esra in die Dienste des kastilischen Königs Alfonso, der zwar durch Verträge zu einem Waffenstillstand gezwungen ist, aber dennoch den Krieg gegen den Emir vorbereitet.

Jehuda glaubt, als Geldbeschaffer und Kronrat dämpfend auf Alfonsos Kriegsgelüste wirken zu können. Er erwirbt das verfallene Castillo seiner Vorfahren in Toledo, dessen sich vor Jahren die einflussreichen Ritter de Castro bemächtigt hatten. Diese waren von Alfonso zwar aus Toledo vertrieben worden, stoßen aber immer wieder frech nach Kastilien vor, da sie sich unter dem Schutz des Nachbarreiches Aragon sicher wähnen. Bei einem Scharmützel kommt einer der beiden Castro-Brüder ums Leben; der Krieg gegen das verwandte Aragon kann nur mühsam verhindert werden.

Inzwischen kommt die Wirtschaft des Landes, die seit der letzten Niederlage Alfonsos gegen den Emir von Sevilla darniederlag, durch Jehudas umsichtiges Walten wieder in Blüte. Alfonso lässt sein Lustschloss Galiana im maurischen Stil restaurieren. Bei der abschließenden Besichtigung mit Jehuda befiehlt er, dass Raquel, Jehudas überaus schöne Tochter, dort künftig als seine Nebenfrau wohnen soll. Jehuda steht vor der Wahl, entweder dem Verlangen des Königs zu entsprechen oder mit seiner Familie zu fliehen. Raquel bestärkt ihn in seiner Entscheidung, zu bleiben.

In der folgenden Zeit wird König Alfonso vollkommen von der Jüdin, die im Volk den Namen Fermosa, die Schöne, trägt, verzaubert. Er lebt mit ihr zurückgezogen in der Galiana und vergisst über diesem Liebesabenteuer seine Ehefrau Eleonor. Diese, eine Tochter des englischen Königs Heinrich II., würde ihren Gatten lieber im Felde sehen, damit er die Jüdin vergesse. Sie verspricht dem jungen König Pedro von Aragon eine Militärallianz mit Kastilien und deutet an, dass eine Art Buße für den getöteten Castro denkbar wäre, vielleicht sogar in Form einer Rückgabe des Castillo an dessen hinterbliebenen Bruder.

Kurz nachdem Raquel einem Sohn Alfonsos das Leben geschenkt hat, trifft Nachricht vom plötzlichen Tod Heinrichs II. ein, durch dessen kluge Politik ein Feldzug bisher verhindert wurde. Wenn nun sein Sohn Richard mit einem Kreuzfahrerheer aufbricht, ist jeglicher Vorwand der hispanischen Fürsten, gegen die Mauren noch länger stillzuhalten, entfallen. Alfonso eilt zu Kriegsvorbereitungen mit Aragon nach Burgos und Jehuda muss ihm schwören, dass Alfonsos Sohn in der Zeit seiner Abwesenheit auf keinen Fall beschnitten werde. In den in Burgos geschlossenen Verträgen verpflichtet sich Alfonso, mit Kriegshandlungen gegen die Moslems abzuwarten, bis er von Aragon zu Hilfe gerufen wird, denn seinen Waffenstillstand mit dem Emir darf er nicht brechen, um nicht die Heere des mächtigen Kalifen Jakúb Almansúr auf den Plan zu rufen.

Während der Abwesenheit des Königs lassen Jehuda und Raquel den Knaben von einem Freund heimlich aus der Galiana weg und in Sicherheit bringen. Damit ist der Eid nicht gebrochen, eine christliche Taufe, wie von Alfonso gewünscht, aber unmöglich. Alfonso rast bei seiner Rückkehr vor Wut, er verlässt Raquel im Zorn und lässt die moslemischen Gesandten in Toledo, welche noch friedlich vermitteln wollen, grob abfertigen. Übermütig fordert er den Kalifen heraus, der von Fez mit einem riesigen Heer nach Sevilla aufbricht. In der Schlacht bei Alarcos unterliegen die christlichen Ritter dem muslimischen Heer. Toledo wird von Flüchtlingen überschwemmt. Alsbald gehen Gerüchte um, die Juden hätten den Moslems die christlichen Kriegspläne verraten. Jehuda lebt nun bei Raquel in der Galiana; sie glauben, im Schloss des Königs vor Verfolgern sicherer zu sein. Die Wut des Pöbels richtet sich zunächst gegen Jehudas Castillo, das vollkommen verwüstet wird. Castro erhält von der listigen Königin Eleonor den Auftrag, die Juden zu schützen, er soll aber lieber einzelne preisgeben, als alle zu gefährden. Castro interpretiert dies als Aufforderung, gegen Jehuda vorzugehen, dringt mit seinen Leuten in der Galiana ein und erschlägt Jehuda. Auch Raquel wird ermordet.

Durch die schmerzhafte Niederlage, die sein Land an den Rand des Abgrunds bringt, und den Verlust der Geliebten wandelt sich König Alfonso und führt im Alter sein Land ganz im Sinne Jehudas zu neuer Blüte. Die Wiedereroberung der südlichen iberischen Halbinsel bleibt aber weiterhin sein Ziel.

Hintergrund

Feuchtwanger stellt seinen Roman in den Kontext der Reconquista, der Wiedereroberung der Iberischen Halbinsel (zur Titelfigur, vgl. Rahel la Fermosa). Die teilweise hochkomplizierten und undurchsichtigen verwandtschaftlichen und militärischen Beziehungen zwischen den iberischen Königshäusern werden von ihm verständlicherweise großzügig verarbeitet. So sind z. B. einige Szenen, die den jungen „König Pedro von Aragon“ betreffen, eindeutig dem Sohn und Erben Ferdinands II. von Leon, Alfonso IX., zuzuschreiben.

Der Stoff wurde mehrmals literarisch behandelt: Lope de Vega schrieb vorher Las paces de los Reyos y Judía de Toledo (1617); Luis de Ulloas schrieb Raquel (1650). Franz Grillparzer lernte den Stoff durch Lope kennen und verfasster darüber das Bühnenstück Die Jüdin von Toledo (1855).

Adaptionen

Ausgaben

  • Lion Feuchtwanger: Spanische Ballade. Roman. Rowohlt, Hamburg 1955.
  • Lion Feuchtwanger: Die Jüdin von Toledo. Aufbau-Verlag, Berlin 1955.
  • Lion Feuchtwanger: Die Jüdin von Toledo. Roman. 4. Auflage. Aufbau-Taschenbuch, Berlin 2003, ISBN 3-7466-5615-X.

Literatur

  • Lion Feuchtwanger: Nachwort des Autors 1955. In: Lion Feuchtwanger: Die Jüdin von Toledo. Roman, 4. Auflage. Aufbau Taschenbuch-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-7466-5615-X, S. 501 ff.
  • Gisela Lüttich: Zu diesem Band. In: Lion Feuchtwanger: Die Jüdin von Toledo. Roman. 4. Auflage. Aufbau Taschenbuch-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-7466-5615-X, S. 507 ff.
  • Norbert Rehrmann: „Ein sagenhafter Ort der Begegnung“. Lion Feuchtwangers Roman „Die Jüdin von Toledo“ im Spiegel von Kulturgeschichte und Literaturwissenschaft. Verlag Walter Frey, Berlin 1996, ISBN 3-925867-18-X.
  • Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur. 6., verb. und erw. Auflage. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1979, ISBN 3-520-23106-9.

Weblinks

  • Maya Doetzkies: Lion Feuchtwanger: Die Jüdin von Toledo. Rezension. (milleetdeuxfeuilles.ch, aufgerufen am 27. September 2022)
  • Roland Häcker: Lion Feuchtwanger: Die Jüdin von Toledo. Rezension. Literaturclub Sindelfingen. (literaturklubsindelfingen.files.wordpress.com, aufgerufen am 27. September 2022)
  • Markus Kohlbeck: Lion Feuchtwanger: Die Jüdin von Toledo. Rezension. (bonaventura.blog, aufgerufen am 27. September 2022)

Einzelnachweise

  1. Jens Fischer: Jugendliches Mittelalterstück. Kritik. In: Die Deutsche Bühne. 7. Mai 2012. (die-deutsche-buehne.de (Memento vom 5. August 2015 im Webarchiv archive.today))