al-Muntada al-Adabi
Al-Muntada al-Adabi (arabisch المنتدى الأدبي, DMG
), oder kurz al-Muntada, für deutsch: „der Literaturclub“,[1][2] war eine arabisch-nationalistische Schul- und Kulturorganisation in Palästina zur Zeit des britischen Mandats.
Vorgeschichte der Organisation
Die Organisation in Palästina war zunächst einer von zahlreichen gleichnamigen Ablegern der osmanischen Dachorganisation al-Muntada al-Adabi. Ihre Gründung ging von einer klandestinen osmanischen Oppositionsbewegung um das Comité central pour la Syrie[2] – entstanden 1908 durch die melkitischen Brüder Mutran aus Baalbek –, die Arabische Jugendliga al-Fatat[2] – entstanden 1909 in Paris – und von den Offizieren der Gruppe Al-Qahtaniyya[2] aus. Letztere traten ab 1909 für eine türkisch-arabische Doppelmonarchie am Beispiel Österreich-Ungarns ein.[3] Weil die arabischen Intellektuellen und Geistlichen und die beteiligten Offiziere der osmanischen Armee in Istanbul geheim agierten, gründeten sie 1910[2] den öffentlich sichtbaren al-Muntada al-Adabi. Der Historiker Vincent Cloarec schreibt unter Berufung auf Eliezer Tauber, dass al-Muntada in dieser Phase noch keine arabisch-nationalistischen Ziele anstrebte, sondern vielmehr nach besseren Möglichkeiten zur Teilnahme der arabischen Bevölkerungsgruppe an den Institutionen des Osmanischen Reiches und nach kultureller und sprachlicher Autonomie innerhalb des Staates strebte.[2]
Fortbestand unter dem britischen Mandat
Der al-Muntada al-Adabi in Palästina bot Sport- und Kulturveranstaltungen an, betrieb ein Orchester[4] und verbreitete arabischsprachige Literatur. Zu seinem politischen Programm gehörte die Ablehnung des Zionismus[1] und zumindest zeitweise auch die Einheit[5] von Palästina mit Syrien (Großsyrien). Die Organisation erhielt ursprünglich finanzielle Unterstützung Frankreichs,[4][1] das um Zustimmung für seine Expansion in Syrien warb. Deshalb stand al-Muntada zunächst der Palestine Catholic Association[4] nahe, die Frankreichs Ziele offen unterstützte. Unter dem Druck der Briten gab sich al-Muntada 1919[4] jedoch eine neue Führung, in der wenig später der einflussreiche Familienverband von Raghib an-Naschaschibi tonangebend wurde. Leitende Stellungen nahmen a'yan (Notabeln) wie Jamil al-Hussaini,[5] AWS-Gründer Fakhri an-Naschaschibi,[5] Mahmud ʿAziz al-Khalidi[5] und Hasan Sidqi al-Dajjani[5] ein. Die Organisation behielt ihre stärkste Basis in Jerusalem, war aber auch in Jaffa,[4] Tulkarm[4] und Gaza[4] mit Niederlassungen vertreten. In der Mitgliederstruktur überwogen neben Studienabgängern vor allem Lehrer, Offiziere und Polizisten.
Als Gegenorganisation zum al-Muntada al-Adabi übernahm die politisch dominierende Familie Husseini, unter der Führung von Mohammed Amin al-Husseini, den ursprünglich damaszenser[5] Al-Fatat-Ableger[5] al-Nadi al-Arabi. Laut dem Historiker Benny Morris hatte al-Muntada al-Adabi eine geheime Untergrundsektion, die Jamʿiyat al-Ikha' wa l-ʿAfaf[5] (dt. Vereinigung der Brüderlichkeit und Reinheit[5]). Morris zufolge hatte diese und besonders auch der durch nationalistische und antisemitische[5] Parolen auffallende al-Nadi al-Arabi mit der Geheimgruppe al-Fidaʿiyya (dt. Mit jenen, die bereit sind, sich zu opfern) ein gewaltbereites Programm gegen Juden und arabische Eigentümer, die diesen Land verkauften. Die beiden Gruppen seien aber nie zur Gewalttätigkeit übergegangen.[5]
Einzelnachweise
- ↑ a b c Jean-Claude Lescure: Le conflict israélo-palestinien en 100 questions (Kapitel 12: Quelles différences entre nationalisme arabe et nationalisme palestinien?). In: Collection Texto. 2. Auflage. Éditions Tallandier, Paris 2021, ISBN 979-1-02104253-7, S. 47.
- ↑ a b c d e f Vincent Cloarec, préface de Henry Laurens: La France et la question de Syrie (1914–1918). 3. Auflage. CNRS Éditions (Centre national de la recherche scientifique), Paris 2010, ISBN 978-2-271-07066-1, S. 23 f. (dort zitiert nach Eliezer Tauber: The Emergence of the Arab Movements, Frank Cass Publisher, London 1993, pp. 62–63, 91–100, 101–108).
- ↑ Bichara Khader: L’Europe et la Palestine : des croisades à nos jours. In: Jean-Paul Chagnollaud (Hrsg.): Collection Comprendre le Moyen-Orient. Éditions L’Harmattan/Éditions Bruylant (Bruylant-Academia)/Éditions Fides et Labor, Paris-Montréal/Bruxelles/Genève 1999, ISBN 978-2-7384-8609-7, S. 99.
- ↑ a b c d e f g Mark Tessler: A History of the Israeli-Palestinian Conflict. In: Mark Tessler (Hrsg.): Indiana Series in Middle East Studies. 2. Auflage. Indiana University Press, Bloomington and Indianapolis 2009, ISBN 978-0-253-22070-7, S. 220.
- ↑ a b c d e f g h i j k Benny Morris: Vittime – Storia del conflitto arabo-sionista, 1881–2001. In: Collana La Storia – Le Storie. 6. Auflage. BUR Rizzoli (Mondadori Libri), Milano 2019, ISBN 978-88-17-10756-3, S. 51 (Originalausgabe: Righteous Victims: A History of the Zionist-Arab Conflict, 1881–1999, Alfred A. Knopf (publisher), New York 1999; übersetzt von Stefano Galli).