Noyan
Noyan [auch Noyon] ist ein persischer und türkischer männlicher Vorname und Familienname mongolischer Herkunft mit der Bedeutung „Herr“[2], „Anführer (einer Gruppe)“, „Prinz“, „Fürst“, „Edler“, „Oberbefehlshaber“, „Beschützer“, der auf eine Bezeichnung für nomadische Stammesführer, den daraus hervorgegangenen Adelstitel im Mongolischen Reich[3] und seinen Nachfolgestaaten bzw. einen späteren mongolischen Ehrentitel zurückgeht.
Bedeutungsentwicklung
Vor der Gründung des mongolischen Reiches wurden die nomadischen Gemeinschaften von den Noyad (Plural von Noyan) unabhängig geführt. Dschingis Khan griff bei der Staatsgründung um 1190 auf diese bestehenden Strukturen zurück und ordnete sie nach dem Dezimalsystem. In seiner Gesellschaftsreform wurde die Bevölkerung in Gruppen von 1.000 oder 10.000 Haushalten eingeteilt, die sogenannten Minghan und Tumen. Als Herrscher über diese Familien und ihre Weideländer regierte jeweils ein Noyan. Zu Kriegszeiten stellte jeder Haushalt einen Kämpfer bereit.
Nach dem Ende des Mongolischen Reiches existierte der Titel mit unterschiedlicher Dauer in den verschiedenen Nachfolgestaaten weiter. Im Laufe der Zeit verlor der militärische Aspekt an Relevanz und zivile Aufgaben rückten in den Vordergrund. Die Bedeutungen variierten von Region zu Region. Noyan wurde zu zu einem klar definierten Regierungsrang, einer allgemeinen Bezeichnung für Adelige, einem Ehrentitel, oder zu einer höflichen Anredeform wie „Sir“ und „Mister“ bzw. zu einem Vor- und Familiennamen.
Im mongolischen Buddhismus wird Noyan bis heute als Ehrentitel verwendet, wie für die Inkarnationsreihe der Noyan Qutuytu (auch Noyon Khutagt). Einer ihrer bekanntesten Vertreter ist der als mongolischer Nationaldichter angesehene Dulduityn Rawdschaa.
Mythologie
In der mongolischen Mythologie ist Noyan eine Bezeichnung für Naturgeister[4]. Sie gehören zu den sogenannten Herrengeistern und werden als Besitzer und Beschützer natürlicher Phänomene und Gebiete verehrt (z. B. Feuer, Wald, Fluss, Berg), mit denen sie eine Einheit bilden. Die Geister können in menschen- oder tierähnlicher Gestalt in Erscheinung treten. Hauptsächlich handelt es sich um Nachfahren von Gottheiten, zum Teil auch von Ahnen. Verwandeln sich die Seelen verstorbener Schamanen oder Familien- und Sippenältester in einen Noyan, werden sie als Schutzgeister der Familie und Sippe angesehen.
Namensträger
Vorname
- Noyan Öz (* 1991), deutsch-türkischer Fußballspieler
Familienname
- Bedri Noyan (1912–1997), türkischer Völkerrechtler und Mediengründer
- Abbas Noyan (* 1949), afghanischer Politiker
- Kurtcebe Noyan (1888–1951), türkischer General
- Ünal Noyan (* 1993), deutsch-türkischer Fußballspieler
Titel
- J̌ebe Noyan (um 1180–vermutl. 1223), General des frühen Mongolischen Reichs unter Dschingis Khan
- Dulduityn Rawdschaa (1803–1856), 5. Noyan Qutuytu, Mönch und Dichter
Sonstiges
- Noyan (Québec), Gemeinde in der kanadischen Provinz Québec
Einzelnachweise
- ↑ Jackson, Peter. "10. UNBELIEVING MONARCHS AND THEIR SERVANTS". The Mongols and the Islamic World: From Conquest to Conversion, New Haven: Yale University Press, 2018, p. 238 https://doi.org/10.12987/9780300227284-015
- ↑ Noyan im Namenswörterbuch der türkischen Sprache (türk.)
- ↑ Sneath, David: The Headless State: Aristocratic Orders, Kinship Society, and Misrepresentations of Nomadic Inner Asia. Columbia University Press, New York 2007, ISBN 978-0-231-51167-4, S. 114 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Agnes Birtalan: Die Mythologie der mongolischen Volksreligion. in: Hans W. Haussig und Egidius Schmalzriedt (Hrsg.): Wörterbuch der Mythologie Band VII – Götter und Mythen in Zentralasien und Nordeurasien. (Zweiter Teil) Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-12-909871-2, S. 877–1098 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).