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Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA), (Handelsabkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie) ist ein multilaterales Abkommen zum Geistigen Eigentum. Die Verhandlungen zum Abkommen wurden im Oktober 2010 abgeschlossen, im Mai befindet es sich um Ratifikationsprozess in den entsprechenden Parlamenten.[1]

Verhandelt wurde das Abkommen zwischen Australien, Kanada, der Europäischen Union, Japan, Südkorea, Mexiko, Marokko, Neuseeland, Singapur, der Schweiz und den Verinigten Staaten,[1] Das Abkommen vereinbart straf- und zivilrechtliche Mindeststandards, die die unterzeichnenden Staaten gegen Verletzungen von Marken-, Urheber- und anderen Rechten durchsetzen müssen.

Während der Verhandlungen brachen Konflikte zwischen den Verhandelnden Regierungen einerseits, und NGO sowie diversen Parlamenten und Parlamentariern andererseits aus. Letzter warfen ersteren vor, die Verhandlungen unter großer Geheimhaltung und Intransparenz zu führen. Die Verhandlungen liefen außerhalb etablierter Organisationen wie WIPO oder WTO, wichtige Betroffene wie Entwicklungsländer oder Konsumentenverbände wären gar nicht eingebunden. Während Akteure wie die Europäische Kommission betonen, dass sich am geltenden Recht nichts ändert, sehen Kritiker gefahren sowohl in der Ausweitung der Straftatbestände als auch der Verschärfung einzelner Strafen.

Rahmen

Ursprüngliche und etablierte Organisation für internationale Rechte zum geistigen Eigentum war die World Intellectual Property Organisation. Diese ging in ihren Ursprüngen auf das 19. Jahrhundert zurück, und ist bei den Vereinten Nationen angesiedelt. In den 1980ern suchten die Industrieländer ein anderes Forum für die Festlegung geistiger Eigentumsrechte und schlossen das TRIPS-Abkommen im Rahmen der GATT-Verhandlungen.[2] TRIPS sah im Gegensatz zu den WIPO-Abkommen konkrete Maßnahmen zur Durchsetzung geschlossener Verträge vor. Zudem gilt innerhalb der WIPO die Regel einer Stimme für ein Land, während die entwickelten Länder innerhalb der GATT weitaus größeres Stimmgewicht haben.[3]

In den Jahren vor dem ACTA-Abkommen hatte es bereits eine Anzahl internationaler Abkommen zum Geistigen Eigentum gegeben. Beim ACTA-Abkommen haben sich die Verhandlungspartner gegen die existierenden Verhandlungsrahmen innerhalb von WTO oder WIPO entschieden. Sie verzichteten ebenso darauf, Entwicklungsländer an den Verhandlungen teilnehem zu lassen, wie Stakeholder, die keine Rechtsinhaber waren.[2] Die Beteiligten Länder wollten mit dem ACTA Steering Committee eine dritte internationale Behörde in die IP-Landschaft einbringen.[4]

Verschiedene externe Beobachter gehen davon aus, dass ACTA weniger dazu gemacht ist, die Gesetze in den beitretenden Ländern zu ändern, sondern vor allem um auf der Basis von ACTA Handelsverträgen mit weiteren Staaten zu schließen und so WTP- und WIPO-Mechanismen umgehen zu können. Ein erstes solchen Abkommen könnte das Ergebnis der Trans-Pacific Partnership negotiations sein, an dem neben den ACTA-Ländern auch noch Brunei und Vietnam teilnehmen, die bisher weniger restriktive IP-Regelungen haben.[5]

Ablauf

Internationale Kritik rief der geheime Ablauf der Verhandlungen empor. Erst durch Wikileaks wurde die Existenz eines solchen Abkommens bekannt, und das erst, als die Verhandlungen schon weit gediehen waren. Selbst nachdem die Existenz der Verhandlungen öffentlich war, versuchten sowohl Journalisten und Forscher als auch die Parlamentarier der beteiligten Länder oft vergeblich Einblick in den Stand und Ablauf der Verhandlungen zu gewinnen. Ideenaustausch und Vorverhandlungen verschiedener Art fanden dabei zwischen 2004 und 2007 statt, während die offiziellen multilateralen Verhandlungen von Juni 2008 bis Oktober 2010 dauerten und insgesamt elf Verhandlungsrunden umfassten.[6]

Obwohl Geheimverträge selbst die Information der Parlamente verhinderten leakten 2008, 2009 und 2010 Entwürfe und Interna aus den Verhandlungen an die Öffentlichkeit. Rechtswissenschaftler ebenso wie NGOs und später auch Parlamente kritisierten die Intransparenz des Verfahrens und einzelne Inhalte aus den Dokumenten. Zumindest teilweise wurden diese Bestimmungen im Laufe des Verhandlungsprozesses aus den Vertragsentwürfen gestrichen.[7]

Vorverhandlungen und Beginn der Diskussion 2004-2007

Erste Ideen für ein solchen Abkommen tauchten 2004 beim Global Congress on Combating Counterfeiting (GCCC) von World Customs Organization, WIPO, Interpol und einer Anzahl internationaler Industrieverbänden auf. Bei dem Kongress waren vor allem Regierungsvertreter und Lobbyisten von Rechteinhabern anwesend, Verstalter von Seiten der Indstrie waren Coca Cola, Daimler Chrysler, Pfizer, Procter & Gamble, British American Tobacco, Phillip Morris, Nike und Canon.[8]

Die G8-Konferenz in Gleneagles griff das Thema auf, auf dem GCCC-Kongress von 2007 schlug Japan ein neues internationales Abkommen zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte vor. Dieser Vorschlag wiederum ging auf amerikanisch-japanische Absprachen von 2006 zurück, geheime Vorgespräche fanden seit 2006 auch schon mit der Europäischen Union, Kanada und der Schweiz statt.[3] Ziele sollten sowohl die Bekämpfung Organisierter Kriminalität als auch der Kampf gegen Schmuggel und die damit einhergehenden fehlenden Zolleinnahmen sein.[6]

Seit 2007 gelangten erste vorsichtige Statements zum Thema ACTA an die Öffentlichkeit, das Schlussdokument zum GCCC 2008 erwähnt bereits kurz ein Anti-Counterfeiting Trade Agreement ohne nähere Details zu nennen, im November 2007 veröffentlichte Australien eine öffentliche Anfrage, ob sie den Verhandlungen beitreten sollten, am 15. Februar 2008 veröffentlichte das USTR eine Öffentliche Aufforderung, für Einreichungen zu ACTA.[9]

Offizielle Verhandlungen 2008, Inhalte gelangen an die Öffentlichkeit

2008 fanden Verhandlungen am 3./4. Juni in Genf, vom 29. bis 31. Juli in Washington, D.C., am 8./9. Oktober in Tokio und vom 15. bis 18. Dezember in Paris statt.[10] Neben den Nationen, die an den Vorverhandlungen teilgenommen hatten, saßen nun auch Australien, Neuseeland, Marokko, Singapur, Mexiko und Südkorea mit am Verhandlungstisch. Die Teilnehmer an den Verhandlungen beschränkten sich auf Regierungsabgesandte und wenige ausgewählte Industrievertreter. Sie unterschrieben Geheimhaltungsverträge über den Inhalt der Verhandlungen.[7]

Eine breiten Öffentlichkeit bekannt wurde ACTA am 21. Mai 2008 als Wikileaks ein Diskussionspapier zu ACTA veröffentlichte. Dies war auch das erste mal, dass tatsächliche Inhalte aus den Verhandlungen bekannt wurden. Das Papier war ursprünglich an einige ausgewählte Unternehmen verteilt wurden, die Eigentümer von starken geistigen Eigentumsrechten waren.[9] In diesen ersten bekannten Entwürfen ging ACTA weit über das hinaus, was bisher Stand im internationalen geistigen Eigentum gewesen ist.[2] Die erste offizielle Reaktion der verhandelnden Länder ließ bis Juni auf sich warten, bis das Schludokument des G8-Gipfels in Hokkaido einen Abschluß der ACTA-Verhandlungen bis 2008 forderte.[9]

Dem kanadischen Rechtswissenschaftler Michael Geist gelang es im Juli 2008 auch offiziell an einige Informationen zu kommen, indem er sich auf das kanadische Access to Information Act berief.[11] Da es immer noch keine offizielle Stellungnahme zum Inhalt des Abkommens gab, strengten Electronic Frontier Foundation und Public Knowledge im Herbst 2008 einen Prozess gegen das USTR an, um die Herausgabe verschiedener Dokumente wie Teilnehmerlisten, Tagesordnungen, Diskussionspapuer und Entwurfstexte des Abkommens unter dem Freedom of Information Act zu verlangen.[12] Sie zogen den Prozeß im Juni 2009 zurück, nachdem die Obama-Regierung die Verhandlungen als Angelegenheit der nationalen Sicherheit einstuften.[11] Im Novemer 2008 wandte sich die Foundation for Free Information Infrastructure an den Rat der Europäischen Union, und berief sich auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von 2008 in Bezug auf den Zugang zu Dokumenten. Dieser wurde unter Berufung darauf verwehrt, dass die Veröffentlichung die Interessen der EU oder eines Mitgliedsstaats gefährden könnte. Es würde die Verhandlungsposition der EU schwächen, und die Beziehungen zu den anderen beteiligten Staaten verschlechtern.[13]

Weitere Verhandlungen fanden im Oktober 2008 in Tokio und im Dezember 2008 in Paris statt. Die für März angesetzte Runde fiel aus, da nach der Obama-Amtsübernahme in den USA Ron Kirk gerade dabei war Susan Schwab abzulösen[14], so dass die nächste Runde im Juli 2009 in Rabat stattfand.[15]

Fünfte und Sechste Verhandlunsrunde, Parlamente protestieren 2009

Im Jahr 2009 verlangsamte sich der Prozess, und es kam nur zu zwei Verhandlungsrunden. Die Teilnehmer an Runde fünf tagten vom 16./17. Juli in Rabat, Runde sechs fand vom 4. bis 6. November in Seoul statt.[10]

Erste Proteste im US-Senat traten auf, als die Senatoren Patrick Leahy und Arlen Specter einen offenen Brief an die US-Vertreterin Susan C. Schwab in den Verhandlungen schrieben, in denen sie sie davor warnten, dass Abkommen so restriktiv auszulegen, dass es für den Kongress schwierig wäre, die einheimischen Gesetze anzupassen. Ebenso forderten sie Schwab auf, keine Bestimmungen für Internetserviceprovider zu verhandeln, da hier das Gesetz noch stetigen Veränderungen unterworfen wäre.[14] Am 18. Dezember 2008 beschwerte sich das Europäische Parlament in einer offiziellen Stellungsnahme über den heimlichen Ablauf der Verhandlungen.[13] Im März 2009 forderte es in einem Entschließungsantrag die Kommission auf, die Dokumente zu veröffentlichen.[16] Der Minister für Geistiges Eigentum im Vereinigten Königreich schloss sich der Forderung an, und ein Beamter der EU-Kommission versprach im April 2009 darauf hinzuwirken, dass die Dokumente öffentlich würden.[17] Ein erster Erfolg der Initiativen bestand darin, dass die Verhandlungspartner ebenfalls im April 2009 ein fact sheet veröffentlichten, dass die wichtigsten Verhandlungspunkte darstellen sollte.[18]

Im November 2009 schrieben die US-Senatoren Bernie Sanders und Sherrod Brown einen offenen Brief an den USTR Ron Kirk, indem sie die Offenlegung von Verhandlungsdokumenten verlangten, im Januar 2010 schloß sich Senator Ron Wyden an.[16]

Nach der November-Runde in Seoul veröffentlichte der USTR eine Zusammenfassung der Kernpunkte in den Verhandlungen.[15]

Verhandlungen werden öffentlich und enden 2010

2010 kam es wie 2008 zu vier Verhandlungsrunden, in denen sich die Teilnehmer auf einen Vertragstext einigten. Diese waren vom 26. bis 29. Januar im mexikanischen Guadalajara, Runde acht vom 12. bis 16. April in Wellington, und Runde neun vom 28. Juni bis 1. Juli in Luzern. Verhandlungsrunde zehn fand wiederum in Washington, D.C. statt und dauerte vom 16. bis 20. August 2010, die letzten Verhandlungen kehrten nach Tokio zurück. Mit 10 Tagen Verhandlungsdauer vom 23. September bis 2. Oktober war die elfte und letzte Verhandlungsrunde, die mit Abstand längste.[10]

Nach der Januarrunde 2010 in Guadalajara wurden wieder eine Anzahl von Dokumenten, darunter ein aktueller Textentwurf geleakt.[15] Im Februar 2010 wurde durch ein Leck in der niederländischen Regierung öffentlich, welche Delegationen die Verhandlungen geheim halten wollten und welche nicht. In Europa wechselten danach in kurzer Zeit die Geheimhaltungsbefürworter das Lager, so dass die USA als einziger Anwalt der Vertraulichkeit übrig blieb.[19]

Nach der achten Verhandlungsrunde in Wellington im April 2010 veröffentlichten die beteiligten Nationen einen offiziellen Entwurfstext des Vertrags.[4]

7. April, Dokument aus der Ratspräsidentschaft geleakt über EU-Diskussion.[20] Das Europäische Parlament begann sich einzuschalten und es war offensichtlich, dass die EU mehr Transparenz fordern würde.[19] Der Eu-Ombudsmann wiederum betont zwar, dass die Bürger der EU einen deutlichen Belang an dem Vertrag haben, da ACTA gesetzgeberische Tätigkeiten auslösen könne, für die es dann einzige Quelle und Referenzpunkt wäre. Da die die ACTA-Verhandlungen jedoch formal kein Gesetzgebungsverfahren sind, unterliegt es formal nicht den Regeln eines Gesetzgebungsprozesses.[21] Die USA sehen Transparenz offensichtlich als Teil der Verhandlungsmasse.[19]

Im Vorfeld der neuen Verhandlungsrunde in Luzern veröffentlichten NGOs wie Médecins Sans Frontières, ACT UP Paris, Knowledge Ecology International, Oxfam, La Quadrature du Net, Third World Network, und Abgesandte des Washington College of Law am 23. Juni ein "Urgent ACTA Communique"..[20]

Die Luzerner Runde sprach anscheinend diverse kritische Punkte an, so dass die Stimmung insbesondere zwischen USA und Europa angespannt war und sich beide Delegationen im Nachhinein gegenseitig öffentlich Vorwürfe machten.[5] Entgegen vorherigen Ankündigungen war der Entwurf doch wieder vertraulich. Laut EU-Kommissar Karel de Gucht auf Drängen der US-Delegation.[19] Einige Tage nach Luzern und nur wenige Stunden nach de Guchts frustriertem Kommentar ist er aber wieder in die öffentlichkeit gekommen, wahrscheinlich über den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments.[22]

Die Verhandlungsrunde in Tokio erreichte ein "grundsätzliches Einverständnis" aller Teilnehmer. bis zur Veröffentlichung eines Abschlusstextes dauerte es allerdings noch zwei Monate bis Dezember 2010,[7] in denen einige Änderungen in den Text einflossen.[23]

Ratifikationsprozess

Der endgültige Textentwurf wurde am 15. April 2011 angenommen, und steht seit 1. Mai 2011 zur Ratifikation offen.[24]

Verhandelnde Akteure

Laut Michael Geist liegt der Grundkonflikt zwischen den USA und der Europäischen Union.[25] Andere Teilnehmer könnten sich oft nur noch einer der beiden Seiten anschließen. Der größte von diversen Konfliktpunkten ist der Umfang des Abkommens. Während die USA (und Kanada, Australien, Neuseeland und Singapur) das Abkommen auf Urheberrecht und Markenrecht begrenzen möchten, möchten EU und die Schweiz es auf alle Bereiche geistigen Eigentums ausdehnen. Von besonderer Bedeutung ist dabei für die EU der Schutz geographischer Herkunftsbezeichnungen und von Gebrauchsmustern.[19]

Weitere Konflikte sind die Ausmaße, die das Strafrecht in den entsprechenden Gebieten spielen soll, ob es "statutory damages" gibt, die Frage, wie das Abkommen mit DRM und dessen Bruch umgeht, inwieweit ISPs haftbar und verantwortlich gemacht werden für das Handeln ihrer Nutzer und wie die Unterzeichnernationen mit Generika umgehen.[5]

Europäische Union

In der EU hat der Rat die Verhandlungen begonnen, aber am 14. April 2008 in einer Sitzung des Fischereiausschusses die Kommission ermächtigt für sie zu verhandeln. Nach Abschluss der Verhandlungen müssen erst der Rat und dann die Kommission ihre Zustimmung geben.[4] Für die Ratifikation ist die Zustimmung des Europäischen Parlaments notwendig. Die Kommission hat dabei mehrfach betont, dass ACTA keine Änderungen des acquis communautaire nach sich ziehen wird.[18]

Die Europäische Union will eine Ausweitung strafrechtlicher Maßnahmen im Urheberrecht, auch für nichtkommerzielle Nutzung und für "inciting and aiding", was sehr viel sein könnte.[20]

EU will Patente, geographische Herkunftsbezeichnungen und Gebrauchsmuster drin, viele Delegationen nur Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzung.[26] EU, Schweiz und Mexiko wollen Geographieschutze, USA nicht.[26] Geographie und Gebrauchsmuster erklärt die EU zu Standardbedingungen, sonst würde es keinen Sinn ergeben, das Abkommen weiter zu verfolgen.[19]

Die Datenschutzgruppe der Europäischen Gemeinschaft sieht diverse potenzielle Probleme mit ACTA. Die 3-Strikes Regelungen im ACTA legen zumindest nahe, dass teilnehmende Regierungen im gewissen Maße bestimmten Menschen den Internetzugang sperren und das Internet selbst überwachen, um dies durchzusetzen. Dies widerspräche europäischen Datenschutzbestimmungen. Ebenso legen die Bestimmungen zu Notice-and-Takedown-Vorschriften nahe, dass europäische Länder eine Prozedur wie in den USA schaffen; dabei würden dritte (ISPs, Social Media) gezwungen aufgrund einer einseitigen takedown-notice Inhalte unverzüglich vom Netz zu nehmen und wahrscheinlich an den Notice-erstattenden Daten des Einstellenden zu geben; ohne dass es für die takedown-notice irgendwelcher Hürden bedürfte, um sie zu schreiben. Bisher ist dies nur auf Anforderung der Ermittlungsbehörden in Strafverfahren zulässig. ACTA schließt nicht aus, dass Computer, Musikplayer etc. an Grenzen von Zöllnern verdachtsunabhängig untersucht werden. Dies wäre ein schwerer Eingriff in die Privatsphäre, und da ACTA explizit gegen Filesharer auch im kleinen Maßstab vorgehen will, lägen solche Durchsuchungen nahe.[27]

Vereinigte Staaten

Viele Industrieverbände et al, die starke Anhänger des Abkommens sind, sind gegen weitere Ausweitung.[19] Die Vereingten Staaten verhandeln ACTA als executive agreement, was bedeutet, dass keine Zustimmung des US-Kongresses notwendig ist, sofern es keine Änderung bestehender Gesetze verlangt.[18]

Nicht beteiligte

Indien dagegen, weil es internationale Balance ändert und geltendem internationalem Handelsrecht widerspricht.[20]

NGOs sehen nächsten Versuch medizinische Entwicklung in Entwicklungsländern zu behindern durch generelles Generika-Verbot.[26] NGOs sehen Versuch, Regelungen durchzusetzen, die in WIPO, WTO, Weltzollunion nicht durchsetzbar wären. Danach dann Versuch die Regelungen anderen Ländern in Bilateralen Vereinbarungen aufzudrücken.[28]

NGOs fürchten, dass ISPs und andere Privatunternehmen zunehmend als Polizeibehörde mißbraucht werden,[20] die dazu mit Methoden vorgehen müssten, die staatlichen Stellen wegen fundamentaler Eingriffe in die Grundrechte nicht erlaubt wären.[26] - "Intermediary liability".[28]

Michael Geist: Wahre Ziele Indien, Brasilien et al. Könnten sich dagegen wehren, sind aber nicht direkte beteiligt.[28] Danach dann durchsetzung

ISPs und verwandte auch dagegen, dass sie überwachen müssen.[20]

BusinessEurope, the International Intellectual Property Protection Forum of Japan (IIPPF), and the Global Intellectual Property Center (GIPC) of the US Chamber of Commerce sind dafür.[26]

WIPO-Direktor Francis Gurry: ACTA und ähnliches schlecht für multilaterale Organisationen. Zeigt welche Probleme UN et al damit haben, schnell auf Entwicklungen zu reagieren.[29] Geist: wenn die Industrienationen glauben, sie hätten ein Durchsetzungsinstrument in ACTA, haben sie keinen Grund mehr, WIPO-Development Agenda in good faith zu verhandeln.[28]

NGO-Kritik an Zollregelungen. Insbesondere weil auch Sachen betroffen wären, die im Ex- und Importland legal wären, aber nicht auf der Durchreise.[28]

Inhalt

ACTA setzt auf das TRIPS-Abkommen auf. TRIPS legte Mindeststandards fest, die aber in den sogenannten TRIPS-plus-Abkommen zwischen einzelnen Staaten verschräft werden können. ACTA ist ein solches TRIPS-plus-Abkommen.[15] Es wird ein eigenständiges Abkommen sein,[18], dessen Durchsetzung keiner der etablierten Organisationen für geistige Eigentumsrechte obliegt, sondern von einer neu zu gründen Organisation wahrgenommen wird.[6] Obwohl es laut Titel des Abkommens vor allem um die Durchsetzung bereits bestehender Rechte insbesondere im Markenrecht dient, geht es ebenso um die Etablierung neuer Rechte, wie um die Durchsetzung von Rechten außerhalb des Markenrechts. Das Abkommen sieht sowohl zivil- wie strafrechtliche Maßnahmen vor, die Staaten gegen Verstöße kommerzieller Art gegen bestimmte Formen des Urheberrechts und gewerblichen Rechtsschutzes treffen müssen.[6]

Wie alle Verträge zum international geistigen Eigentum setzt ACTA nur Mindeststandards fest, die in einzelnen Regionen und Ländern noch verschärft werden können.[26] Für Europäer steht in dem Abkommen wenig Neues. Ähnliche Bestimmungen stehen beispielsweise in Richtlinie 2004/48/EG.[4] Seit der Luzern-Runde steht explizit in Artikel 1.1, dass alle Bestimmungen in Bezug auf TRIPS interpretiert werden sollen.[30]

Obwohl allerdings verkündet, dass ACTA nicht inhaltlich in die Rechtssysteme der Länder eingreift, stehen einige bedeutende Änderungen auf dem Plan. Für Europa beispielsweise Ausweitung strafrechtlicher Tatbestände.[4] Könnte zwar sein, dass ACTA zumindest US- und EU-Gesetze nicht weiter verschäfte, würde diese aber auf dem derzeitigen Stand festfrieren.[31] Besonders problematisch die möglichen Regelungen für ISPs. Bisher Europarecht mere conduit für ISPs, sind nicht verantwortlich für kopieren und durchleiten, wenn sie keine inhaltlichen Änderungen vornehmen (Richtlinie 2000/31/EG), ACTA könnte das aushebeln.[4] Für andere Länder sind die EU-geforderten Schutzrechte geographischer Bezeichnungen und von Gebrauchsmuster eine entscheidende Änderung, da diese in vielen Jurisdiktionen gar nicht existieren.[19] Noch allerdings ist offen, ob ISPs nur für Urheberrechtsverletzungen in Anspruch genommen werden oder auch für Vertstößen in anderen Bereichen wie Patent- oder Markenrecht.[5]

Artikel 2.1.2 befasst sich mit Durchsetzung. Besonders 2.2.1 sieht "Injunctions" gegen Dritte oder ISPs vor, ohne dass klar wäre, ob diese ISPs bestimmte Bedingungen erfüllen müssen um darunter zu fallen. Bisher in vielen Jurisdiktionen müssen diese zum Beispiel Wissen von der Verletzung haben, unklar ob es da auch noch so wäre.[30]

Artikel 2.2 beschäftigt sich mit den Ausgleichszahlungen. Im Verhältnis beispielsweise zum britischen Recht müssten Gerichte mehr Faktoren in diese Rechnung integrieren, insbesondere die Annahme der Geschädigten, was ihr Verdientsausfall ist. Es wäre zumindest möglich, dass die Zahlungen dadurch wesentlich ansteigen.[30]

Artikel 2.3 sieht Zerstörung von Gegenständen vor, wobei noch umstritten ist ob es sich dabei um alle IP-Verletzungen (EU) oder nur Urheberrechts- und Markenverletzungen handeln soll. Kann sowohl von privater Seite per Gericht als auch staatlicher Seite. Während für privat verfügte Zerstörungen noch leichte Grenzen gelten "except in exceptional circumstances", ist dies für staatliche Zerstörung nicht vorgesehen. Das steht im Gegensatzu zu ziemlich allen lokalen Gesetzen, die jeweils größere Ausnahmeregelungen haben, was nicht zerstört werden darf. In Deutschland beispielsweise bestimmt UrhG §98 Abs. "Bauwerke sowie ausscheidbare Teile von Vervielfältigungsstücken und Vorrichtungen, deren Herstellung und Verbreitung nicht rechtswidrig ist, unterliegen nicht den in den Absätzen 1 bis 3 vorgesehenen Maßnahmen." TRIPs schreibt sogar gar nichts von Zerstörung, sondern schreibt in Artikel 37 nur vor "shall be liable to pay to the right holder a sum equivalent to a reasonable royalty such as would be payable under a freely negotiated licence in respect of such a layout-design". [32]

Urheber- und Strafrecht stehen in Artikel 2.14.1 [20] Three-thrikes optional.[26] DRM-Umgehungsverbote stehen drin.[26] Im Entwurf steht drin, dass ISPs Internetverbindungen trennen sollen, wenn sie mitkriegen, dass gerade Copyright Infringement passiert.[26] Strafrechtliche Sanktionen für kommerzielle Trademark-Verletzungen, kommerzielle Urheberrechtsverletzungen und Urheberrechtsverletzungen ohne direkten oder indirekten finanziellen Vorteil.[31] Das wäre eine Verschärfung gegenüber TRIPs, das strafrechtliche Sanktionen nur für "‘wilful’ acts ‘on a commercial scale’" und nicht für jede kommerzielle Handlung egal wie absichtlich oder gutgläubig und egal in welchem Maßstab.[5] In seiner schärfsten Variante wäre jeder Versuch einen Film im Kino aufzuzeichnen, eine strafbare Handlung, was weit über alle gängigen Gesetze hinausginge.[30]

Gegen Generika.[20] Schon jetzt beschlagnahmt die EU Generika im Transitverkehr, die nach Europarecht gegen Patent (oder Markenrechte) verstoßen, auch wenn diese im eigentlichen Ex- und Importland legal sind. Es ist noch möglich, dass diese Provision auch für die anderen Länder bindend wird.[5]

Betroffene

Gegenüber dem TRIPS-Abkommen beschreibt ACTA eine wesentlich breitere Auslegung des Terms commercial activity. Während diese in TRIPS noch an einen bestimmten Umfang der Aktivitäten gebunden ist, schließt ACTA in Artikel 23.1 jedes Verhalten darunter ein, bei ein direkter oder indirekter ökonomischer Vorteil aus der Handlung erwächst.[33]

Rolle des Strafrechts

Artikel 23.1 bestimmt, dass alle Unterzeichnerstaaten strafrechtliche Maßnahmen für Verstöße gegen Marken-, Urheber- oder verwandter Rechte vorsehen müssen, sofern diese in kommerziellen Maßstab stattfinden.[34] Zumindest in einigen Unterzeichnerstaaten gehen die Bestimmungen zur strafrechtlichen Verfolgung von Verstößen gegen geistige Eigentumsrechte weit über das hinaus, was bisher geltenden Gesetz ist.[33]

Das Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht hatte sich schon 2006 angesichts ähnlicher Versuche dagegen ausgesprochen, Strafrecht zum Bestandteil internationaler Abkommen zum Geistigen Eigentum zu machen. Das Gewaltmonopol des Staates sei zentraler Bestandteil des Staates, seine Gestaltung könne nicht an Gremien delegiert werden, in denen keine Parlamentsvertretr, aber dafür Vertreter bestimmter Interessengruppen Anwesend wären.[8]

Überwachung

ACTA bevollmächtigt die Zollstellen der unterzeichnenden Länder, ohne gerichtliche Verfügung, Waren zu konfiszieren die gegen geistige Schutzrechte verstoßen. In Ländern wie Mexiko ginge das über die herrschende Gesetzleslage hinaus, ACTA würde ohne legilstiaven Prozess Gewalten von der Judikative zur Exekutive verschieben.[35]

Gestrichene Bestimmungen

Zahlreiche weitere Bestimmungen tauchten in den Dokumenten auf, die an die Öffentlichkeit gelangten, und sorgten teilweise für vehementen Protest von NGOs und Rechtswissenschaftlern. Diese Punkte tauchen nicht mehr in den Abschlussdokumenten auf, ob sie aufgrund der Proteste gestrichen wurden, ist aufgrund des intransparenten Verfahrens nicht nachvollziehbar.

Rolle der Internetserviceprovider

Für besonders verhemente Proteste sorgten Bestimmungen, die Internetserviceproviders (ISP) die Pflicht auferlegt hätten, den Traffic ihrer Nutzer zu überwachen, und damit als eine Art Privatpolizei zu agieren. Diese Bestimmung gelangte nicht bis ins Abschlussdokument, aufgrund der intransparanten Verhandlungen ist nicht bekannt, ob die Proteste etwas damit zu tun hatten.[36]

Three-strikes

Vereinbarkeit mit dem acquis communautaire

Im Februar 2011 veröffentlichten 29 europäische Rechtswissenschaftler eine Erklärung, in der sie auf die Unvereinbarkeit von ACTA mit dem acquis communautaire der Europäischen Union hinwiesen. Die Initiative ging von Axel Metzger und Rita Matulionyte an der Universität Hannover aus, zu den Erstunterzeichnern gehörten auch Lionel Bently, Thomas Dreier, Josef Drexl, Nikolaus Forgo, Reto Hilty, Thomas Hoeren, Bernt Hugenholtz, Matthias Leistner, Ansgar Ohly, Nikolaus Peifer, Alexander Peukert, Haimo Schack, Gerald Spindler, Martin R.F. Senftleben, Malte Stieper, Uma Suthersanen, Andreas Wiebe und Dan Wielsch.[37]


Anmerkungen

  1. a b European Commission: Anti-counterfeiting
  2. a b c Ayoob S. 176
  3. a b Ayoob S. 177
  4. a b c d e f Axel H. Horns in: IPJur: News From ACTA Negotiations, 15. Juli 2010
  5. a b c d e f Kim Weatherall: ACTA: new (leaked) text, new issues… in: The Fortnightly Review of IP and Media Law, 15. Juli 2010
  6. a b c d Robert Ellis: Conflicts at the Intersection of ACTA & Human Rights: How the Anti-Counterfeiting Trade Agreement violates the right to take part in cultural life, PIJIP Research Paper No. 2010-XX S. 9
  7. a b c Robert Ellis: Conflicts at the Intersection of ACTA & Human Rights: How the Anti-Counterfeiting Trade Agreement violates the right to take part in cultural life, PIJIP Research Paper No. 2010-XX S. 11
  8. a b Robert Ellis: Conflicts at the Intersection of ACTA & Human Rights: How the Anti-Counterfeiting Trade Agreement violates the right to take part in cultural life, PIJIP Research Paper No. 2010-XX S. 16
  9. a b c Ayoob S. 178
  10. a b c Ministry of Economic Development: Anti-Counterfeiting Trade Agreement: Negotiations
  11. a b Ayoob S. 188
  12. Ayoob S. 180
  13. a b Ayoob S. 189
  14. a b Ayoob S. 181
  15. a b c d Ayoob S. 182
  16. a b Ayoob S. 190
  17. Ayoob S. 191
  18. a b c d Irini A. Stamatoudi: Copyright Enforcement and the Internet Kluwer Law International, 2010 ISBN 9041133461 S. 82
  19. a b c d e f g h Michael Geist: ACTA Coming Down to Fight Between U.S. and Europe, 15. Juli 2010
  20. a b c d e f g h EDRI: ACTA - new criminal sanctions for non-commercial copyright uses?
  21. Matthias Spielkampf: EU-Ombudsmann: Bürger haben ein Interesse an Information zu ACTA, aber kein Recht darauf
  22. La Quadrature du Net: New ACTA leak: 2010 07 13 consolidated text (Luzern round), 14. Juli 2010
  23. FFII: ACTA compare
  24. Intelllectual Property Watch: New “Final” ACTA Text Published, Open For Signature, 27. Mai 2011
  25. Detailierte Darstellung der Unterschiede nach der Luzernrunde, siehe Michael Geists Scorecard
  26. a b c d e f g h i Monica Ermert: ACTA Negotiators Vow To Mesh With National-Level Rights; Withhold New Text Intellectual Property Watch
  27. Working Party on data protection and privacy Kommentar zum Stand der ACTA-Verhandlungen
  28. a b c d e Kaitlin Mara: ACTA Risks Long-Term Damage To Democratic Public Policymaking, NGOs Say, 30. Juni
  29. Catherine Saez: ACTA A Sign Of Weakness In Multilateral System, WIPO Head Says, 30. Juni 2010
  30. a b c d Andres Guadamuz: How will ACTA affect UK copyright law?
  31. a b Alex Feerst: ACTA Communique: “ACTA is the predictably deficient product of a deeply flawed process”
  32. James Love: ACTA's Article 2.3, on "Other Remedies": the July 1, 2010 text, Knowledge Ecology International 19. Juli 2010
  33. a b Robert Ellis: Conflicts at the Intersection of ACTA & Human Rights: How the Anti-Counterfeiting Trade Agreement violates the right to take part in cultural life, PIJIP Research Paper No. 2010-XX S. 5
  34. Robert Ellis: Conflicts at the Intersection of ACTA & Human Rights: How the Anti-Counterfeiting Trade Agreement violates the right to take part in cultural life, PIJIP Research Paper No. 2010-XX S. 14
  35. Conflicts at the Intersection of ACTA & Human Rights: How the Anti-Counterfeiting Trade Agreement violates the right to take part in cultural life, PIJIP Research Paper No. 2010-XX S. 18
  36. Robert Ellis: Conflicts at the Intersection of ACTA & Human Rights: How the Anti-Counterfeiting Trade Agreement violates the right to take part in cultural life, PIJIP Research Paper No. 2010-XX S. 12
  37. Institut für Rechtsonformatik: Signatories

Literatur

  • Emily Ayoob: The Anti-Counterfeiting Trade Agreement in: 28 Cardozo Arts & Ent. L.J. 175 (2010-2011)

Weblinks

Links