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Doppelte Halbsprachigkeit bezeichnet den Umstand, dass Kinder (vor allem aus Immigrantenfamilien) in einem fremdsprachigen Ausland einen Teil ihrer muttersprachlichen Kompetenz verlieren und gleichzeitig auch nur mangelnde Kenntnisse in der Sprache des Gastlandes erwerben. Sie weisen somit in beiden Sprachen nur eine Teilkompetenz auf. (So liegt auch in den Wortteilen semi- ('halb-') und part(i)- ('teil-'), die Vorstellung zu Gründe, dass eine Sprachkompetenz nur teilweise erreicht ist.

Als Synonyme werden auch die Bezeichnungen Semilingualismus und Partilingualismus gebraucht, was jedoch in der Benennung eine negative Seite des Bilingualismus zum Ausdruck bringt. Der Ausdruck Halbsprachigkeit wurde erstmals durch den dänischen [bitte überprüfen und eventuell korrigieren] Linguistien Nils Erik Hansegård (1968 „halvsprakigkeit“) verwendet und ist auch durch die finnische Linguistin Tove Skutnabb-Kangas (ab 1978) bekannt geworden.


Psycholinguistische Aspekte

Wenn ein Kind keine persönliche, soziale und kulturelle (bzw. oft identisch: nationale) Identität in angemessenem Ausmaß erreicht, kann es auch nur bedingt am Leben und der Kultur einer Gesellschaft partizipieren. Dazu trägt im Wesentlichen die Sprache bei. Ist die Sprachentwicklung gerade bei Kindern aus Migrantenfamilien beeinträchtigt, so kann eine "doppelte (also: beide Sprachen betreffende) Halbsprachigkeit" entstehen. Dieser sprachpsychologisch zwar umstrittene Begriff meint, dass die "davon betroffenen Kinder ... zwar gelernt ... haben, sich in beiden Sprachen verständlich zu machen. Sie verfügen jedoch in keiner der Sprachen über eine altersgemäße Sprachkompetenz" (Glumpler/ Apeltauer 1997). [Quelle in der Literaturliste am Ende angeben!]

Semilingualismus wird auch als extreme Form einer sog. "subtraktiven Zweisprachigkeit" und als ernsthafte Sprachstörung angesehen: „...a semilingual is seen as someone with deficiencies in both languages when compared with monolinguals. Such a person is considered to possess a small vocabulary and incorrect grammar, consciously thinks about language production, is stilted and uncreative with both languages, and finds it difficult to think and express emotions in either language“ (Baker & Prys Jones 1998). [Quelle in der Literaturliste am Ende angeben!]


Die "Schwellenhypothese" von Cummins

Die „Semilingualismus-These" wurde besonders in den USA und vor allem durch Jim Cummins (1976) [Quelle in der Literaturliste am Ende angeben!] bedeutende Anerkennung, indem er sie in seine sog. „Schwellenhypothese“ (Threshold Hypothesis) integrierte (vgl. Cummins 2000). [Quelle in der Literaturliste am Ende angeben!]

Cummins geht davon aus, dass für die kognitive und intellektuelle Entwicklung eines zweisprachig aufwachsenden Kindes und dem damit verbundenen schulischen Bildungserfolg das Niveau beider Sprachen ausschlaggebend ist. Die Beeinträchtigungen durch die unzulängliche Kompetenz in der Erst- wie auch in der Zweitsprache müssen in der Schule erkannt und aufgefangen werden, denn sonst könnten sie zu Störungen des Schriftspracherwerbs und gar zu Einschränkungen der Leistungsentwicklung eines Kindes in allen Fächern generell führen. Denn ein kognitiv anspruchsvoller Gebrauch der Zweitsprache (der in aller Regel mit dem spezifischen Gebrauch von Schriftsprache einhergeht) werde nur dann erreicht, wenn zuvor eine entsprechende Sicherheit in der Erstsprache erreicht worden sei.


Ursachen

Die Gefahr einer doppelten Halbsprachigkeit besteht bei bilingualen Kindern immer. Sie ist aber meist bei Migrantenkindern zu beobachten. Die Ursache für die relativ schlechten Schulleistungen von SchülerInnen mit Migrationshintergrund ist aber nicht die mangelnde Fähigkeit zur Trennung zwischen zwei Sprachsystemen. Sie liegt eher in der fehlenden oder mangelhaften Förderung der Erstsprache in der Schule, sodass die kognitiv-akademischen Sprachfähigkeiten dann nicht von der Erst- auf die Zweitsprache übertragen werden können.

Die Zweisprachigkeit allein ist aber für Semilingualismus nicht verantwortlich, sondern vielmehr ein komplexes Ursachensystem aus Umwelt- und Individualfaktoren. Hierzu zählen u.a.:

  • die Ablehnung der Muttersprache durch die Umgebung (kann geschehen, wenn das Prestige der Migrantensprache im Gastland sehr gering ist)
  • der Abbruch der muttersprachlichen Förderung während der Sprachentwicklung
  • ein zu frühes Angebot der Zweitsprache
  • ungünstige Sozialisationsbedingungen
  • Entwicklungsverzögerungen beim Kind
  • niedriges Bildungsniveau der Erzieher
  • zu wenig sprachliche Ressourcen in den Kindergärten
  • schlechte Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Kindergärten


Störungsbild

Die doppelte Halbsprachigkeit kann zunächst die Oberflächenstruktur der Sprache betreffen. Die Kinder

  • verfügen über einen begrenzten Wortschatz,
  • weisen eine nicht korrekte Artikulation auf,
  • haben Probleme mit der Redeflüssigkeit und
  • benutzen ein gemischtes Sprachsystem (vermischen Teile beider Sprachen).

Weiters kann die doppelte Halbsprachigkeit auch die Tiefenstruktur der Sprache betreffen. Die Kinder

  • haben Probleme bei der Einordnung von Begriffen in semantische Felder (Wortfelder) und sie
  • können abstrakte Begriffe nur beschränkt verstehen und gebrauchen.

Als Folge haben Kinder mit solchen Beeinträchtigungen Probleme bei der bei der Wiedergabe von Sinnzusammenhängen.

Die negativen Auswirkungen der doppelten Halbsprachigkeit treten in den meisten Fällen auch bei der Denkentwicklung und der Sozialisierung des zweisprachigen Kindes auf. Semilingualismus tritt vor allem während der schulischen Ausbildung auf. Sein negativer Einfluss schlägt sich im Lernverhalten, in den Schulleistungen und in der Persönlichkeitsentwicklung nieder. Dies kann nicht nur soziale Isolation und Selbstisolation, sondern auch die Minderung der beruflichen Chancen zur Folge haben.


Prophylaxe

Untersuchungen belegen, dass eine gut entwickelte Muttersprache die Grundlage für den Erwerb der Zweitsprache ist und andererseits eine Vernachlässigung der Muttersprache zu Schwierigkeiten in der Zweitsprache führen kann. Um doppelte Halbsprachigkeit zu vermeiden und die Entwicklung einer ausgewogenen Mehrsprachigkeit optimal zu erzielen, muss demnach die Muttersprache in der Schule auch als Standard- und Schriftsprache gelehrt werden. Kinder brauchen also eine gezielte Förderung in einer Standardvarietät ("Hochsprache") ihrer Muttersprache - zunächst im Mündlichen und dann im Schriftlichen - sowie parallel dazu eine fundierte Förderung der Zweitsprache.


Online-Quellen

http://www.ecml.at/documents/relresearch/hammer.pdf

http://ifla.unistuttgart.de/projekte/lernaktiv/files/Zweisprachigkeit.ppt

http://www2.ilch.uminho.pt/deg/Flores_Trier.pdf

http://www.alp.dillingen.de/ref/sp/msHCD3/1-Theorie/1-1-10-DoppelteHalbsprachigkeit.doc

http://www.laga-nrw.on.spirito.de/data/statement_zur_mehrsprachigkeit_claudia_maria_riehl.pdf

http://wien.gruene.at/integration/artikel/lesen/219/


Literatur

Oswald G., Schelter A.: Grundlegendes zur Zweisprachigkeit, Tandem Oberfranken Ost, 2004. [Bibliografische Angaben kontrollieren]

Lotter Monika: Deutsch als Zweitsprache. [Quelle ergänzen]

Triarchi-Herrmann, Vassilia: Mehrsprachige Erziehung. Wie Sie Ihr Kind fördern. München: Reinhardt-Verlag 2003.