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Lucien Hirth war ein französischer Widerstandskämpfer.

Jugendzeit

Lucien Hirth wurde 1923 als Sohn eines Eisenbahners in Wildenstein im Elsass geboren. Er besuchte das Gymnasium bis seine Schule im Elsass 1939 wegen der Frontnähe evakuiert wurde. Mit 17 Jahren leistete er ersten Widerstand gegen die deutsche Besetzung als er in die Schweiz flüchtete.

Widerstand und Verfolgung

Die Schweiz schob ihn aber ins unbesetzte Frankreich ab. Seiner Einberufung zum Arbeitsdienst, der im besetzten Frankreich den Militärdienst ersetzt hatte, im heimatlichen Elsass folgt er nicht und wird deshalb per Haftbefehl gesucht. Unter falschem Namen wurde er später zum Arbeitsdienst zu den ehemaligen Gebirgsjägern nach Gap in den französischen Alpen einberufen. Von dort wurden regelmäßig junge Franzosen zur Arbeit für die Deutschen bei der Organisation Todt verpflichtet. Mit seinen falschen Papieren konnte Lucien Hirth dem entgehen. Zusammen mit einem jungen Arzt unterstützte er Flüchtlinge und verletzte Widerstandskämpfer. Im Frühjahr 1944 begann eine Jagd des Sicherheitsdienst (SD) und der SS in der Gegend, Hirth flüchtete nach Grenoble.

Verhaftung

Mit der Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 träumte er wie viele Franzosen schon von der Befreiung von der deutschen Besetzung. Lucien Hirth wurde jedoch am 20. Juni 1944 mit anderen seiner Gruppe vom SD verhaftet, „stramm verhört“ (Originalzitat Hirth) und kamm in eine Zelle in Chambery. Seine wahre Identität konnte er weiter verbergen. Sein weiterer Weg ins KZ führte über Lyon – Festung Montluc zur Sammelstelle nach Compiegne.

Deportation nach Deutschland

Am 15. Juli 1944 beim Einladen am Bahnhof in einen Viehwaggon hatte er keine Illusionen mehr. Da wartete die SS, 100 Häftlinge wurden in jeden Waggon gepfercht unter Gebrüll, Kolben- und Knüppelhiebe. Abends fuhr der Zug ab, drei Tage dauerte der Transport im Viehwaggon nach Deutschland, ohne Essen, aber am schrecklichsten ohne Wasser, ein kleiner Kübel für die Notdurft. Mitte Juli, das bedeutete auch große Hitze. Im Waggon war die Luft unerträglich, viele wurden krank, litten nach den Quälereien in den Gefängnissen an Verletzungen und Krankheiten, manche wurden verrückt, so dass sie von den Mithäflingen geschlagen werden mussten, damit sie von den Wachmannschaften nicht erschossen wurden.


Neuengamme

Die Fahrt endete nachts in einem großen Lager – Neuengamme. Eine Verurteilung fand nicht statt, ebenso wenig wurden ihm Gründe für diese Deportation genannt. Erwartet wurden sie von SS, Hunden, Gebrüll und Männern in gestreiften Anzügen.

Dort bleibt Lucien Hirth bloß zehn Tage, wird zu schwerer Arbeit herangezogen. Beim Ausladen von Steinen aus einem tschechoslowakischen Schleppkahn wird er von ungarischer SS bewacht. „Wir sind jung, haben Hunger. Die SS-Leute essen Weißbrot. Sie werfen uns kleine Stücke hin, ein Sprung, aber mit ihren langen Peitschen schlagen sie uns zu Boden. Teures Brot! So verbringe ich zehn Tage im Hauptlager“ beschreibt er seine wenigen Erinnerungen an Neuengamme. Am ersten Tag muss er sich die Ansprache vom Lagerkommandanten anhören: „Sie werden nur durch den Kamin des Krematoriums hier herauskommen!“ Hirth wird Zeuge einer Erhängung, die mit musikalischer Begleitung vollzogen wird. Vom Attentat gegen Hitler erfahren die Häftlinge bereits einige Stunden später. „Die SS wurde wütend, auch wir mussten nachher büßen“, erinnert sich Lucien Hirth.

Bunkerbau

Ende Juli 1944 ging die Fahrt mit der Bahn nach Bremen und dann mit der Marinebahn ins Außenlager KZ Farge. Einige Baracke standen bereits, andere waren im Aufbau begriffen. Er musste mit seinen Kameraden in einen unterirdischen Treibstofflager einziehen. Zeitweise waren 800 bis 1200 Männer in Bettgestelle gepfercht hier untergebracht. Eine Duschanlage, Bedürfnisanstalt und Sonderraum für die Kapos sind vom großen Raum der „einfachen“ Häftlinge abgetrennt. Ende 1944 waren ungefähr 1000 Männer im Rundbunker, die gleiche Anzahl in den oberirdischen Baracken untergebracht, die vor Kälte froren, während Hirth und die anderen im Bunker zwar sehr schlechte Luft hatten, aber es war warm vom Mief.

Morgendliches Vorbereiten zur Arbeit am „Valentin“

Hirth geht mit seinen Kameraden jeden Tag, manchmal auch am Sonntag zur Arbeit. Zwei Schichten von je zwölf Stunden wechseln einander ab. Aufstehen um vier Uhr morgens, manchmal ein wenig später im Winter, begleitet vom heftigen Gebrüll der Kapos. Schnelles Waschen ohne Seife und Handtuch ist angesagt. Danach gibt es „ein wenig schwarzes Wasser in unser rostiges Essgeschirr“ (Originalzitat Hirth), dazu eine Scheibe Schwarzbrot, ein wenig Margarine und schon brüllt der Bunkerälteste: „Alles raus“. Die ersten Hiebe gibt es von beiden Seiten der Treppe durch Kapos für die ans Tageslicht strebenden Gefangenen. Jeder will in der Mitte der Treppe bleiben, um den Schlägen auf Kopf und Rücken zu entgehen. „Endlich an der Luft. Es ist dunkel, nasskalt, der Nordwind bläst, zu fünft, Stillstehen, ... sie kommen – die SS, das Herz schlägt nicht mehr, wir haben Angst in ihre entsetzlichen Augen zu schauen. Endlich ist Abmarsch, Mützen ab, als wir durch das Tor abmarschieren.“ (Originalzitat Hirth).

Arbeit am U-Boot-Bunker

Soldaten der Kriegsmarine bewachten die Gefangenen als „Begleitkommando“. Auf Sandloren geladen geht die Fahrt zum Bunker nach Farge. Gegen Ende des Krieges und an Sonntagen ging es immer zu Fuß zur Baustelle. Die Arbeit dort wurde immer im „Höllentempo“ verrichtet, sonst setzte es Hiebe durch die Knüppel der Kapos oder Geschimpfe der deutschen Vorarbeiter. Erdarbeiten, Eisenschleppen, Gerüstbau, Betonmischen und die gefürchtete Zementkolonne sind die Arbeitsinhalte der Gefangenen. Mittags eine halbe Stunde Pause, „schnell einen Liter Suppe verschlingen“ (Originalzitat Hirth); sie besteht immer aus Kohl, manchmal auch aus einigen Kartoffeln, die jedoch immer für die Kapos und ihre „Mädchen“ bleiben.

Zurück ins Lager

Abends geht es zurück in die Schwaneweder Heide ins KZ Lager, mit dabei die getöteten oder verletzten Kameraden, Vorbeimarsch vor der SS, „Mützen ab“. Im Treibstoffbunker werden sie von den Kapos und ihren Stubendiensten erwartet. Die sind ausgeruht und gut ernährt und haben ihre Freude daran, die auf Arbeitskommando gewesenen Häftlinge zu quälen. Erneute Suppe mit einer Scheibe Brot ist das Abendessen, erschöpft lassen sich die Häftlinge auf die verseuchten Strohsäcke fallen. Regelmäßig gibt es für die kleinsten Vergehen massive Schläge mit dem Gummiknüppel. Lucien Hirth erlebt einige Erhängungen im Lager.

„Muselmänner“ – tote Kameraden

Misshandlungen, Sklavenarbeit, Unterernährung und Krankheit, unter diesen Bedingungen gehen regelmäßig Transporte von etwa 300 Häftlingen nach Neuengamme zurück. Dort reiben sie ihre letzten Kräfte in Flechtkolonnen auf. Die Toten der Jahre 1943 / 1944 kamen ins Krematorium in Bremen. Ab Ende 1944 sterben noch viel mehr, als im Vorjahr. Diese Opfer werden in der Nähe des Lagers neben einer Sanddüne begraben. Bis Ende März kommen so 4000 Menschen – Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge – ums Leben (Originalzitat Hirth).

Weihnachten 1944

Lucien Hirth erinnert sich gut an Weihnachten 1944. Im „Stillgestanden“ müssen alle Häftlinge vier Stunden draußen stehen, bei Regen, Kälte und Wind. Warum? Es gibt keine Antwort. Für viele Kameraden ist dies die letzte Weihnacht. Während der Gefangenschaft in Farge werden die Kleidungsstücke nur ein einziges Mal gewechselt. Unter freiem Himmel, bei Wind und Kälte müssen die Häftlinge sich nackt ausziehen und warten, bis ihre Kleidung gewaschen ist. Die bekommen sie ganz nass zurück, müssen sie so anziehen. Es dauert acht Tage, bis sie wieder trocken ist, aber die Läuse sind immer noch drin.

Die „Evakuierung“

Die Front kommt näher, Lucien Hirth hört den Lärm der Artillerie. Alle träumen von der Befreiung. „Oh weh, das Schlimmste erwartet uns noch“ (Originalzitat Hirth). Die Kranken und Marschunfähigen werden mit der Bahn am 6. und 7. April 1945 „evakuiert“. Eigentlich sollen sie ins Sterbelager nach Bergen-Belsen kommen, doch sie irren in Nordwestdeutschland umher unter schlimmsten Zuständen, gelangen schließlich ins Auffanglager Sandbostel. Lucien Hirth marschiert am 7. April mit 200 anderen zu Fuß nach Neuengamme, 80 ohnmächtige Häftlinge kommen im Hauptlager an. Kameraden, die nicht mehr laufen können, werden am Ende der Kolonne von der SS umgelegt mit einem Pistolenschuss (Originalzitat Hirth). Sie erhalten im Hauptlager nach acht Tagen die erste warme Suppe und erstmals ein Halbpaket vom Roten Kreuz. Die Russen unter ihnen bekommen nichts. Hirth wird am 24. oder 25. April per Bahn nach Lübeck transportiert und sofort auf die bereitliegende „Athen“ verfrachtet.

Auf der „Athen“ und der „Cap Arcona“ – dann die Befreiung

Die läuft aus, keiner weiß, wohin. Nach kurzer Zeit ein Stop, alle werden aufs Deck gerufen. Sie sehen neben sich ein riesiges Schiff, die „Cap Arcona“. Schnell verschwinden die Gefangenen unter Deck des schon gefüllten Schiffes. Die Luxuskabinen sind von der SS besetzt, in den Zwischendecks Kapos, Polen, Belgier und Franzosen. Irgendwie kann sich jeder einrichten. Die Russen sind in den Laderäumen, ganz tief im Unteren des Riesenschiffes. Lucien Hirth bleibt mit seinen Kameraden drei Tage auf dem Schiff, ohne Licht, ohne Essen und Trinken, ohne Toilette. Aus einem einzigen Wasserhahn quillt Meerwasser. Die es trinken, werden verrückt. Zweimal werden die Toten in der Zeit weggeschafft. Lucien Hirth ist erstmals in seiner Gefangenschaft vollkommen verzweifelt und hoffnungslos. Am dritten Tag schaut ein SS-Mann nach ihnen, brüllt sie an, sie seien nicht zum Anschauen. Kurze Zeit später werden die Franzosen und Belgier nach oben aufs Deck gerufen. Mit den letzten Kräften steigen sie über Körper, treten auf Köpfe und Hände anderer Kameraden, um herauszukommen. Sie atmen die frische Seeluft ein und sehen die Küste am Horizont. Neben ihnen ist eine Menge Leichen aufgestapelt. Am 30. April werden die Franzosen und Belgier wieder auf die „Athen“ zurückgebracht. Lucien Hirth darf an Deck bleiben. Er sieht am 3. Mai gegen Mittag den ersten Überflug der englischen Flieger. Auf der „Athen“ ist Flak, die schießt. Alle Gefangenen müssen in den Laderaum, nachmittags kommen die Flieger wieder. Die Gefangenen hören die Flak aber auch andere Explosionen. Auch die „Athen“ wurde getroffen, legt aber in Neustadt an. In wenigen Minuten ist die Tragödie vorbei, sie werden von englischen Stoßtruppen empfangen. 7000 Häftlinge haben die Befreiung nicht erlebt.

Ehrungen

Lucien Hirth wurde Ehrenmitlied des Vereins Lehrpfad...

Weblinks