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Heinrich von Stephan förderte Antoine durch Ankauf postalischer Bilder, die er in die Sammlung des Postmuseums aufnehmen und in der Ausstellung aufhängen ließ. Staatssekretär Reinhold Kraetke ermöglichte ihm 1905 eine Studienreise nach den Kanarischen Inseln. Antoine verstand es seinerseits, seine Arbeiten für die Behörde mit seinem künstlerischen Schaffen außerhalb des Dienstes stets in Harmonie zu halten.
Wenn die Zeitungen späterhin den Künstler Otto Antoine würdigten, erwähnten sie auch immer wieder, dass er mit Billigung seiner Vorgesetzten selten vor neun Uhr morgens zum Dienst kam und dann mitunter wohl noch unrasiert. Und als der oberste Chef der Behörde seinen malenden Beamten eines Morgens beim Rasieren überraschte, reagierte er mit Gelächter und nicht mit Unwillen. Die sonst in der Behörde an Disziplin und Strenge angelegten preußischen Maßstäbe galten für den Maler nicht. Als während des Ersten Weltkriegs das Zeichnen von Straßen und Plätzen grundsätzlich verboten war und Antoine in einem Vorort beim Aufnehmen einer Skizze ertappt und festgesetzt wurde, da verbürgte sich seine Behörde durch telefonischen Bescheid uneingeschränkt für seine Harmlosigkeit. Antoine durfte sein Dienstzimmer sogar als Maleratelier verwenden. Der Blick von diesem ging auf die Dreifaltigkeitskirche (auch Schleiermacherkirche) in der Mauerstraße. Er malte sie oft, bei Sonnenschein und bei Regen, im Sommer und im Winter, mit und ohne Soldaten. Der Betrachter des auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1914 gezeigten Gemäldes mit diesem Motiv entdeckt im Verkehrsgewühl der Großstadt alsbald das leuchtende Gelb einer Postkutsche.
Zur Illustration einzelner Sachthemen gab das Reichspostmuseum zahlreiche Darstellungen bei Antoine in Auftrag. Und bald waren die ersten Arbeiten in der Ausstellung des Museums der Öffentlichkeit zugänglich. Dazu gehörten auch die Gemälde „Ein Hochzeitspaar im Wagen“, 1897, und die „Augsburger Boten Peter Derffus und Gottfried Thanner“, 1898. Im September 1905 erwarb das Reichspostmuseum das während des erwähnten Studienaufenthalts entstandene Gemälde „Personenpost auf den Kanarischen Inseln“. Das Bild stellt einen zur Abfahrt bereiten Personenpostwagen auf Gran Canaria dar. Wie die Inschrift am Wagen besagt, geht die Post von Las Palmas nach Santa Brigida. Der Ort liegt in den Bergen. Deshalb ist eine besondere Bespannung mit vier Maultieren notwendig; drei Maultiere in einer Reihe, das vierte als Vorspann. Die unter den Fahrgästen befindliche Frau trägt nach spanischer Sitte ein weißes Tuch auf dem Kopf. Über dem Posthaus und der stimmungsvoll wiedergegebenen Straße wölbt sich ein tiefblauer Himmel.
Immer wieder stellte Antoine in seinen Bildern den Post- und Telegrafenbetrieb in den Brennpunkten des hauptstädtischen Verkehrs dar. Bekannt ist sein Gemälde von 1912, dass auf einem Bahnsteig des Anhalter Bahnhofs um 1900 mehrere Postbeamte beim Verladen von Paketen aus gelben Wagen in einen grünen Bahnpostwagen zeigt. Sein Gemälde „Paketpost am Schlesischen Bahnhof“ fand auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1912 viel Beifall. Es vermittelt einen Eindruck vom Betrieb in der Postverladestelle des Berliner Postamts 17. Mit dem 1909 entstandenen Bild vom Fernsprechamt in der Französischen Straße war Antoine 1911 auf der Großen Berliner Kunstausstellung vertreten. Es zeigt eine große gewölbeartige, mit Gaslampen beleuchtete Halle, in der in mehreren langen Reihen von Schränken Frauen Telefonverbindungen herstellen. Zweimal, um 1900 und 1908, malte Antoine den Betrieb im großen Saal des Haupttelegraphenamtes Berlin in der Jägerstraße. Die von ihm dargestellten Personen tragen hier die Züge der wirklich tätig gewesenen Beamten. Die Bilder sind insofern von aktuellem Interesse, als das denkmalgeschützte und von der Telekom restaurierte Gebäude des ehemaligen Kaiserlichen Telegrafenamtes mit dem von Antoine gemalten Saal heute einen Teil der Hauptstadtrepräsentanz der Telekom in Berlin bildet.
Antoine schuf viele weitere Gemälde mit postalischen Motiven. Wiederholt malte er natürlich das Reichspostamt mit dem Reichspostmuseum an der Ecke von Leipziger- und Mauerstraße. Selbst nach seiner Pensionierung befasste er sich mit Postmotiven.
Otto Antoine war ebenso Grafiker und Zeichner. Er schuf Neujahrskarten, Einladungskarten, Werbungen für den Rundfunk und anderes mehr. Die Zeichnungen, mit denen er seine Gemälde vorbereitete, lassen erkennen, wie genau er die Stadt, ihren Verkehr und ihre Veränderungen beobachtete. 1909 illustrierte Antoine die von Albert Falkenberg (Postbeamter) herausgegebene „Kleinstadtkomödie“, und 1919 erschienen von ihm 32 Federzeichnungen in dem Buch „Die Schönheit der deutschen Landschaft“ von Adolf Gruettner. Für das von Professor A. Miethe 1912 bei Westermann in Braunschweig herausgegebene Werk „Die Technik im 20. Jahrhundert“ steuerte Antoine mehrere farbige Darstellungen aus technischen Großbetrieben in künstlerischer Auffassung bei.
Der Maler von Berlin - The Painter of Berlin
Unmittelbar nach seinem Umzug 1891 von Koblenz nach Berlin nahm Antoine Kontakt zu den Berliner Künstlern auf. Er studierte nebenberuflich an der Hochschule für Bildende Künste und belegte Kurse im Landschafts- und Aktmalen. Dabei fand er in Professor Franz Skarbina (1849-1910) einen Künstler, der sein Talent erkannte und förderte, und der ihn lehrte, was er, der Autodidakt, noch zu lernen hatte. In seinen ersten Schaffensjahren malte Antoine hauptsächlich Landschaften und viel in Aquarell. Nach seiner Lehrzeit bei Skarbina bevorzugte er Ölfarbe und wandte sich zunehmend Motiven der Stadt zu. Groß ist die Anzahl der Ölbilder, Pastelle, Aquarelle und Radierungen mit berlinischen Motiven. Pferdekutschen auf regennasser Straße, geschäftiges Treiben in der Leipziger Straße oder Passanten am Brandenburger Tor sind Eindrücke, die der Künstler in ihrer Zufälligkeit und Augenblicklichkeit festhielt. Dom, Schloss und Schlossbrücke (Kaiser-Friedrich-Brücke), Unter den Linden, Brandenburger Tor, Leipziger Platz mit Wertheim, Potsdamer Platz, Alexanderplatz mit Berolina und Polizeipräsidium, Reichstag, Tiergarten, Kurfürstendamm, Gedächtniskirche und Tauenzienstraße, Rathaus und Altes Museum gehören in die lange, hier längst nicht vollständige Liste der Berliner Bilder. Es ist das repräsentative Berlin, das Berlin der monumentalen Bauten. Alle Bilder sind impressionistischer Technik gemalt. Das Zeitkolorit und seine Wandlungen sind an den Verkehrsmitteln, den Droschken, Elektrischen und Bussen mit ihrem noch offenem Obergeschoß und an der Kleidung der Fußgänger ablesbar. Mehrmals hielt Otto Antoine in seinen Gemälden auch militärische Szenerien, wie beispielsweise die Wachablösung Unter den Linden oder die Geburtstagsparade für den Kaiser, fest. Sonnabends und sonntags zog er gern in die Natur, begleitet von seiner Frau und seinen Kindern, um vor den Toren der Stadt unter freiem Himmel zu malen.
Seit einem Aufenthalt in Neuwarp an der Ostsee 1916 war Otto Antoine mit dem Maler Hans Hartig (1873-1936) freundschaftlich verbunden. Während Hartig, der bislang Landschaften und die Ostsee als Motiv bevorzugte, unter dem Einfluss seines Freundes Antoine die Großstadt für seine Malerei entdeckte, gelang es ihm umgekehrt, Antoine für Motive der Ostsee zu interessieren. Mit dem Bildnis des im Hafen von Neuwarp malenden Hans Hartig setzte Antoine seinem Freund ein bleibendes Denkmal. Zu den Künstlern, mit denen Otto Antoine befreundet war, gehörten auch andere „Postmaler“, wie die im Berliner Kunstleben hervorgetretene Richard Albitz (1876-1954) und Gustav Fenkohl (geb. 1872).
Otto Antoine blieb zeitlebens dem Impressionismus verhaftet. Nach seiner Lehrzeit bei Skarbina veränderte er seine Malweise stilistisch kaum. Auch nicht, als um 1905 in Berlin eine Kunstrevolution einsetzte, die vom Impressionismus zum Expressionismus führte. Unter dem Druck staatlicher Kunstlenkung seit 1933 neigte er dann wie auch andere Maler zu realistischeren Darstellungen. Schließlich war Antoine aber ein Zeitgenosse der großen Impressionisten Max Liebermann, Walter Leistikow, Max Slevogt, Lovis Corinth und Lesser Ury.
1893 wurde zum ersten Mal eine Arbeit von Antoine auf der Großen Berliner Kunstausstellung (Grobeka) im Landesausstellungsgebäude am Lehrter Bahnhof ausgestellte, 1894 folgte ein Ölgemälde („Es dunkelt...“). Ab 1897 war er dann fast regelmäßig auf dieser alljährlichen Ausstellung vertreten, die in der Zeit Kaiser Wilhelms II. (1859-1941, Kaiser von 1888-1918) nur die Werke der offiziellen Malkunst präsentierte. Zuerst waren es Darstellungen aus seiner rheinländischen Heimat (z. B. 1900 „Abend an der Mosel“, 1901 „Lahneck“ und 1901 „An der Loreley“), dann, etwa ab 1911, hauptsächlich Berliner Motive. Ebenso hatten Antoines Bilder stets auch einen Platz im Künstlerhaus, der Ständigen Ausstellung von Werken lebender Künstler des Vereins Berliner Künstler. 1938 und 1941 bis 1943 war Antoine mit Darstellungen monumentaler Bauten, Plätze und Alleen der Reichshauptstadt, wie er sie z. B. in seinen Gemälden „Brandenburger Tor“, „Siegessäule“ oder „Vor dem Zeughaus in Berlin“ mit Zeughaus, Dom, Wache und Partien von Universität und Oper geschaffen hatte, auf der Großen Deutschen Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst in München vertreten.
Otto Antoine war viele Jahre Mitglied des 1841 gegründeten Vereins Berliner Künstler. Später vertrat er im Vorstand des Vereins seine Künstlerkollegen und wirkte wiederholt beim Aufbau der Großen Berliner Kunstausstellung mit. Dann war er Ehrenmitglied und Ehrenpräsident des Vereins. Als nach dem Ersten Weltkrieg in der offiziell geförderten Kunst Berlins ein demokratischer Pluralismus einzog und die Künstlervereinigungen Verein Berliner Künstler, Berliner Sezession, Freie Secession und Novembergruppe erstmalig unter einem Dach einen Gesamtüberblick über das Kunstschaffen Berlins gaben, vertraten in der dazu gebildeten gemeinsamen Jury Otto Antoine und Hans Hartig die Interessen des Vereins Berliner Künstler. Als im Herbst 1933 durch Gesetz die Reichskulturkammer geschaffen wurde, entschied sich Antoine für die Mitgliedschaft in dieser repräsentativen, kontrollierenden und zensierenden Einrichtung, um seinen Beruf weiter ausüben zu können.
So wie Otto Antoines Ruhm wuchs, nahmen Anerkennung und Aufträge zu. Museen, öffentliche und staatliche Einrichtungen, private Liebhaber und Sammler kauften seine Arbeiten. Popularität erlangte er zusätzlich durch Wiedergabe seiner Bilder in Kalendern und durch hohe Postkartenauflagen vieler seiner Bilder, postalische Motive eingeschlossen.
Mehrere Arbeiten von Otto Anoine gingen in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren. Dazu gehören beispielsweise 24 Ölbilder mit Darstellungen von Straßen, Brücken und Plätzen Berlins, die die Stadt Berlin als wichtige Zeitdokumente in Kriegsverwahrung nahm und in den Warthegau verbrachte. Ebenfalls als verschollen gilt das Bild „Leipziger Straße“ aus dem Bestand der Berliner Nationalgalerie, das sich im Oberschlesischen Museum Gleiwitz befand. Ein großer Teil seines Schaffens blieb erhalten. Einen kompletten Überblick zu den Standorten der Arbeiten Antoines gibt es gegenwärtig aber nicht. Die folgenden Informationen geben einige Anhaltspunkte. Eine größere Anzahl von Werken befindet sich im Besitz der Familie und anderer privater Sammler. Die von Antoine für das Reichspostmuseum gemalten Bilder und einige nach dem Zweiten Weltkrieg von den deutschen Postmuseen erworbene Arbeiten werden heute in der Museumsstiftung Post und Telekommunikation bewahrt. Dazu gehören vor allem 22 Ölbilder und 16 Aquarelle sowie Zeichnungen und kolorierte Faksimile. Die Stiftung Stadtmuseum Berlin bewahrt aus ehemals städtischem Besitz vier Gemälde („Sicherheitspolizei in Berlin, 1920“, „Kaiser-Friedrich-Brücke, 1921“, „Leipziger Platz, 1925“, „Am Potsdamer Platz, 1930“) und zwei Grafiken von Antoine. Das Deutsche Technikmuseum Berlin besitzt das Gemälde „Überführung der Hochbahn zu Berlin über die elektrische Vorortbahn und Fernbahn“ (vermutlich 1905) mit den gelben Straßenpostwagen am Gleisdreieck. Antoines Ölgemälde aus der Zeit um 1920 vom Berliner Straßenverkehr am 1882 erbauten Alexanderplatz befindet sich im Bezirksamt Reinickendorf in Berlin. Die Rhein-Chemie Holding in Heidelberg besitzt eine Sammlung von Aquarellen mit Berliner Ansichten (29 waren in der Ausstellung "Alt-Berlin im Bild" aus Anlass des 100. Geburtstages des Künstlers zu sehen).
Über siebzigjährig reiste Otto Antoine zum ersten Mal nach Amerika, um seine dort lebende Tochter zu besuchen. Ein Künstlerkollege äußerte damals in einer Ausstellung des Vereins Berliner Künstler „Nun werden hier demnächst wohl lauter Wolkenkratzer hängen!“ Von seiner Reise brachte Antoine solche Skizzen und Bilder, wie beispielsweise „Chicago , Michigan Avenue, Zentrum“, mit.
1942 verlor Antoine durch Bomben Wohnung und Atelier in der Weimarischen Straße 2 in Berlin Wilmersdorf, wo er seit über vier Jahrzehnten mit seiner Familie gelebt hatte. Für kurze Zeit gingen er und seine Frau nach Schlesien, bevor sie dann ab Sommer 1944 in Unteruhldingen am Bodensee wohnten. In dieser Zeit waren die für die Arbeit des Malers notwendigen Materialien knapp und bezugsscheinpflichtig. Da der für Antoine zuständige Landesleiter der Reichskammer der bildenden Künste beim Landeskulturwalter Gau Baden in Karlruhe im Sommer 1944 nicht mehr arbeitsfähig war, wandte er sich am 31. Dezember 1944 an den Landeskulturwalter Gau Berlin. Am 10. Januar 1945 erhielt er noch einen letzten Reichsbezugsausweis für einige Utensilien.
In Unteruhldingen war Otto Antoine bis zu seinem Tod aktiv. In einigen Bildern hielt er seine neue Heimat am Bodensee fest. Bis zuletzt arbeitete er an einem Zyklus von Aquarellen für eine (nicht erschienene) Kunstmappe über das Berlin von einst.
Werke
Bekannt ist Antoine vor allem für seine Berliner Stadtansichten, die das Großstadtleben in gelassener Weise schildern. Einige dieser Werke sind im Besitz der Stiftung Stadtmuseum Berlin , des Deutsches Historisches Museum, des Deutsches Technikmuseum und des Museums der Stadt Gliwice. Die Museumsstiftung Post und Telekommunikation verfügt über eine umfangreiche Sammlung aus dem Schaffen Antoines als „Postmaler“. Hier nur einige Gemälde:
- „Verstimmt“, Aquarell, 1893
- „Es dunkelt...“, 1894
- „Personenpost auf den Kanarischen Inseln“, 1905
- „Am Postschalter, um 1750“
- „An einem Berliner Postschalter, 1896“
- „Die Feldpost auf dem Marsche. Feldpostkraftwagen auf der Brücke“, nach 1914)
- „Die Feldpost im Weltkriege“, 1918,
- „Geburtshaus von Heinrich von Stephan in Stolp, Pommern"
- „Reichsdruckerei“
- „Sicherheitspolizei in Berlin, 1920“
- „Überführung der Hochbahn zu Berlin über die elektrische Vorortbahn und Fernbahn“, um 1920
- „Kaiser-Friedrich-Brücke, 1921“
- „Leipziger Platz, 1925“
- „Am Potsdamer Platz, 1930“
- „Mit dem Postkraftwagen durch den Taunus“, 1930
- „Postabfertigung Flughafen Tempelhof“, 1930
- „Selbstbildnis“ 1931
- „Reichspostdirektion Berlin, Lietzensee mit Funkturm“,1932
- „Das Reichspostzentralamt, um 1935“
- „Postdampfer Bremen“, 1936
- „Brandenburger Tor“, (zwischen 1938 und 1943)
- „Siegessäule“, zwischen 1938 und 1943
- „Vor dem Zeughaus in Berlin“, zwischen 1938 und 1943
- "Reges Treiben vor dem Berliner Reichstag", zwischen 1938 und 1943
- "Blick auf die Von-der-Heydt-Brücke in Berlin Tiergarten", zwischen 1938 und 1943