ʿAbd al-Muttalib ibn Hāschim

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Darstellung der Geburt des Propheten mit ʿAbd al-Muttalib auf der rechten Seite stehend, Illustration aus dem Dschami' at-tawarich (14. Jahrhundert) in der Edinburgh University Library

ʿAbd al-Muttalib ibn Hāschim (arabisch عبد المطلب ﺑﻦ هاشم, DMG

ʿAbd al-Muṭṭalib bin Hāšim

; * um 497; † um 578) war Großvater des islamischen Propheten Mohammed und eine wichtige Persönlichkeit im vorislamischen Mekka.

Herkunft und Namensgebung

ʿAbd al-Muttalib ist nach der islamischen Überlieferung aus einer Ehe hervorgegangen, die sein Vater, der Mekkaner Hāschim ibn ʿAbd Manāf aus dem Stamm der Quraisch, in Yathrib mit der aus Medina stammenden[1] Salmā bint ʿAmr aus dem Stamm der Chazradsch einging, als er sich gerade auf einer Handelsreise nach Syrien befand. Hāschim ließ den Jungen bei seiner Mutter. Nachdem er einige Jahre später auf einer Handelsreise in Gaza gestorben war, suchte sein Bruder al-Muttalib Salmā in Yathrib auf und bedrängte sie so lange, bis sie ihm den Jungen herausgab. Al-Muttalib nahm ihn mit nach Mekka, und als sie gemeinsam auf einem Kamel in der Stadt einritten, hielten einige Leute ihn für den Sklaven (ʿabd) von al-Muttalib, woher sein Name ʿAbd al-Muttalib herrühren soll.[2] Sein ursprünglicher Name war Schaiba („weiße Haare“); diesen soll er erhalten haben, weil er bei seiner Geburt weiße Flecken am Kopf hatte.[3]

Stellung in Mekka

Nach dem Tod seines Onkels erbte ʿAbd al-Muttalib von diesem das Amt der Bewirtung (rifāda) und Tränkung (siqāya) der Mekka-Pilger und wurde Oberhaupt der Familie Hāschim.[4] Um seine Position bei einer Auseinandersetzung mit Gegnern innerhalb Mekkas zu stärken, schloss er ein Bündnis mit dem in der Umgebung von Mekka lebenden Stamm der Chuzāʿa.[5] Auf kaufmännischer Ebene knüpfte ʿAbd al-Muttalib Handelskontakte nach Abessinien.[6]

Die islamische Überlieferung schreibt ʿAbd al-Muttalib auch die Wiederauffindung der Zamzam-Quelle zu.[7] Die diesbezüglichen Berichte fasst Muhammad ibn Saʿd in seinem „Klassenbuch“ zusammen,[8] die der mekkanische Lokalhistoriker al-Azraqī (†837) in seiner Geschichte der Stadt Mekka[9] mit weiteren lokalspezifischen Legenden ausschmückt. Außerdem soll ʿAbd al-Muttalib die religiöse Praktik des tahannuth am Berg Hirā bei den Quraisch eingeführt haben.[10]

Die Legende über die Opferung ʿAbdallāhs

ʿAbd al-Muttalib hatte zehn Söhne, von denen neun mit Namen bekannt sind: al-ʿAbbās, Ḥamza, ʿAbdallāh, az-Zubair, al-Ḥārith, Abū Lahab, al-Muqauwim, Ḍirār und Abū Tālib.[11] Die islamische Überlieferung betont vor allem die Beziehung zu seinem Sohn ʿAbdallāh, der der Vater Mohammeds war.

Nach einer Legende, die im späten 7. Jahrhundert sowohl mündlich als auch schriftlich überliefert wurde[12] leistete ʿAbd al-Muttalib an der Kaaba den Eid, einen seiner Söhne den Götzen zu opfern, wenn ihre Anzahl die zehn erreicht. Bei der Auslosung der zehn Namen zwischen den Lospfeilen bei Hubal sei das Los auf ʿAbdallāh gefallen, den späteren Vater des Propheten Mohammed. Familienmitglieder, vor allem seine Töchter, hätten ʿAbd al-Muttalib jedoch geraten, den Eid durch die Opferung von zehn Kamelen als damals übliche Sühneleistung zu ersetzen. Erst nach zehnmaliger Befragung der Lospfeile soll das Los nicht mehr auf ʿAbdallāh, sondern auf die Kamele gefallen sein, die ʿAbd al-Muttalib dann bei Mina geopfert haben will.[13]

Im Koranvers:

„Das ist die offensichtliche Prüfung (die wir Abraham auferlegt haben). Und wir lösten ihn (d. h. seinen Sohn, der geschlachtet werden sollte) mit einem gewaltigen Schlachtopfer aus.“

Sure 37, Vers 106-107: Übersetzung: Rudi Paret

sieht die Koranexegese die von Abraham beabsichtigte Opferung seines Sohnes, die durch die Schlachtung eines Widders (kabsch), dem islamischen Rechtsverständnis entsprechend, als Sühneleistung (kaffāra) abgegolten werden konnte. Im koranexegetischen Werk von at-Tabarī und später bei Ibn Kathīr bezeichnet sich Mohammed folglich als „Sohn der zwei Geopferten“ (Ibn adh-dhabīḥaini) und deutet damit die – nicht durchgeführte – Opferung seines Vaters durch ʿAbd al-Muttalib an und versteht sich somit durch die Person Ismaels, der mit seinem Vater Abraham als der Erbauer des Kaaba-Heiligtums von Mekka verehrt wird, als Teil der abrahamitischen Tradition. Denn, so die islamische Tradition und Koranexegese, Abraham wollte seinen Sohn Ismael als Opfer darbringen.

Im vorislamischen Arabien sind Menschenopfer, männliche Kinder und Kriegsgefangene, als rituelle Praxis bekannt, im 6. Jahrhundert allerdings nicht mehr üblich gewesen. Dieser in der Retrospektive erzählte Bericht wird in der Forschung daher als unhistorisch, sein Stellenwert in der islamischen Geschichtsschreibung als apokryph betrachtet.[14]

Die Beziehung zum Propheten

Da ʿAbdallāh bereits vor der Geburt des Propheten starb und dessen Mutter Āmina einige Jahre nach seiner Geburt ebenfalls verschied, fiel ʿAbd al-Muttalib, dem damals bereits über 70-jährigen Großvater Mohammeds, die Aufgabe zu, sich um den Waisen zu kümmern. Schon wenig später, als Mohammed 8 Jahre alt war, starb er allerdings,[15] die weitere Fürsorge übernahm Mohammeds Onkel Abu Talib.

Die islamische Überlieferung betont die besondere Nähe ʿAbd al-Muttalibs zum Propheten. So soll er ihn beschnitten und ihm den Namen Muhammad verliehen haben und auch bei seiner Geburt anwesend gewesen sein.[16]

Literatur

Quellen
  • Ibn Saad: Biographien... (Hrsg. Eugen Mittwoch). Brill, Leiden 1905. Bd. I. Theil 1. S. 48 ff., S. IX (Inhaltsangabe) in deutscher Sprache
Studien

Einzelnachweise

  1. Hans Jansen: Mohammed. Eine Biographie. (2005/2007) Aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas. C.H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-56858-9, S. 234.
  2. Vgl. Peters 77f.
  3. Ibn Saad: Biographien... (Hrsg.) Eugen Mittwoch. Brill, Leiden 1905. Bd. I. Theil 1, S. 46
  4. Vgl. ʿAbd al-Malik ibn Ḥabīb: K. at-Ta'rīḫ. Ed. J. Aguadé. Madrid 1991. S. 76.
  5. Vgl. Peters 78f.
  6. W. Montgomery Watt (1953), S. 30
  7. W. Montgomery Watt (1953), S. 31
  8. Ibn Saad: Biographien... (Hrsg.) Eugen Mittwoch. Brill, Leiden 1905. Bd. I. Theil 1, S. 48–51; S. IX (Inhaltsangabe) in deutscher Sprache
  9. Fuat Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums. Brill, Leiden 1967. Bd. 1, S. 344
  10. Vgl. M.J. Kister: "Al-Taḥannuth: an enquiry into the meaning of a term" in Bulletin of the School of Oriental and African Studies 31 (1968) 223–236. Hier S. 232f.
  11. Vgl. ʿAbd al-Malik ibn Ḥabīb ebda.
  12. Zu dieser Frage der Überlieferungsmodalitäten in der Frühzeit siehe: G. Widengren: Oral tradition and written literature among the Hebrew in the light of Arabic evidence, with special regard to prose narratives. In: Acta Orientalia (AO), Bd. 23 (1958), S. 201–262; hier: S. 212
  13. Ibn Saad: Biographien... (Hrsg.) Eugen Mittwoch. Brill, Leiden 1905. Bd. I. Theil 1, S. 53–54; S. IX-X. (Inhaltsangabe) in deutscher Sprache
  14. Joseph Henninger: Menschenopfer bei den Arabern. In: Anthropos 53 (1958), S. 721ff.- mit weiteren Quellenangaben; Julius Wellhausen: Reste arabischen Heidentums. Berlin 1897. S. 116
  15. Vgl. Ibn Ishāq: Kitāb Sīrat Rasūl Allāh. Bearb. von Abd el-Malik Ibn Hischâm. Aus d. Hs. zu Berlin, Leipzig, Gotha u. Leyden hrsg. von Ferdinand Wüstenfeld. 2 Bde. Göttingen 1858-59. S. 108. Hier online verfügbar: http://archive.org/stream/p1daslebenmuhamm01ibnhuoft#page/n439/mode/2up
  16. Vgl. Rubin.