Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin

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Das Aktive Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e. V. ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel der „Aufklärung über deutsche, insbesondere Berliner Geschichte der NS-Zeit, über Entwicklungen, die die Machtübernahme der Nationalsozialisten ermöglichten und die Folgen und Kontinuitäten in der Zeit nach 1945“.

Geschichte

Das Aktive Museum ging 1983 aus einer Bürgerinitiative hervor, die ein Veranstaltungsprogramm zum 50. Jahrestag der nationalsozialistischen Machtübernahme am 30. Januar 1933 organisierte. In den folgenden Jahren konzentrierte sich die Arbeit auf das Prinz-Albrecht-Gelände in Berlin-Kreuzberg, wo die Gestapo bis 1945 ihren Hauptsitz hatte.

Das Gelände lag damals brach und wurde als Schuttablageplatz und zum Autofahren ohne Führerschein benutzt. Das Aktive Museum brachte diesen Zustand in den 1980er Jahren zur Sprache und engagierte sich mit anderen Initiativen und Gruppen mittels Aktionen und Demonstrationen für einen Denkort auf dem Gelände. Seit der erfolgten Gründung der Stiftung Topographie des Terrors arbeiten Vorstand und Geschäftsführung in den Ausschüssen der Stiftung mit und begleiten deren inhaltliche Arbeit[1][2].

Das Aktive Museum steht in diesem Sinne in der Tradition der Geschichtswerkstätten und ist ein archetypisches Beispiel eines Geschichtsvereins, der aus der Bewegung der „Geschichte von unten“ hervorging.

Weiterhin erkannte der Verein, dass in Berlin neben dem Gestapo-Gelände auch an anderen Orten Bedarf für Erinnerungszeichen an die Zeit des Nationalsozialismus besteht.

Seit 1990 bemüht er sich darum, Spuren der jüngeren deutschen Geschichte im Ostteil Berlins zu erhalten und zu markieren, bei für notwendig erachteten Umgestaltungen mitzuwirken oder neue Erinnerungszeichen zu setzen. Mit Ersatz-Gedenktafeln oder kommentierenden Ergänzungsschildern zu Namen von Straßen, die nach der Wende umbenannt wurden, wollte der Verein dazu beitragen, die historischen und politischen Brüche seit 1933 konkret erfahrbar zu machen und die damit verbundenen Widersprüchlichkeiten zu erhalten. 2020 eröffnete das Aktive Museum dazu die Ausstellung „Ausgegrenzt. NS-Täterorte in Ostberlin“ im Haus des Bankenvereins in der Berliner Burgstraße – dem historischen Sitz des Deportationsreferats der Berliner Gestapo, in dem 1942/43 unter anderem Alois Brunner arbeitete.[3]

Überregionale Beachtung fand insbesondere die Ausstellung Verraten und verkauft. Jüdische Unternehmen in Berlin 1933–1945, als diese im Rahmen einer Demonstration von Berliner Schülerinnen und Schülern beschädigt wurde. Die Ausstellung zeigte die Repression gegen jüdische Unternehmen und deren Überlebensstrategien. Sie war in Zusammenarbeit mit einer Forschungsgruppe der Humboldt-Universität erstellt und anlässlich des 70. Jahrestags des Pogroms von 1938 eröffnet worden. Die Initiative „Bildungsblockaden einreißen“, die die Demonstration organisiert hatte, verurteilte die Beschädigungen in einem offenen Brief an die Humboldt-Universität und das Aktive Museum.[4] Nach ihrer Wiedereröffnung und verschiedenen Stationen in Berlin wurde die Ausstellung übersetzt unter dem Titel „Final Sale“ in der Hebrew University in Jerusalem und im Leo Baeck Institut in New York gezeigt.[5]

Arbeitsweise

Das Aktive Museum ist kein Museum im traditionellen Sinne. Es ist ein Verein, der für seine Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen und sonstigen Projekte mit anderen Institutionen in Berlin kooperiert. Zu einem Schwerpunkt der Arbeit des Aktiven Museums hat sich die Erforschung des deutschsprachigen Exils zwischen 1933 und 1945 entwickelt. Mehrere Ausstellungen und Publikationen widmeten sich Menschen, die auf der Flucht vor nationalsozialistischer Verfolgung emigrierten:

  • 1945: Jetzt wohin? Exil und Rückkehr.
  • Leben im Wartesaal – Exil in Shanghai 1938–1947.
  • HAYMATLOZ – Exil in der Türkei 1933–1945.
  • Ohne zu zögern. Varian Fry: Berlin – Marseille – New York.
  • Letzte Zuflucht Mexiko. Gilberto Bosques und das deutschsprachige Exil nach 1939.

Insbesondere die Ausstellung zu Varian Fry erhielt breite überregionale Beachtung. Unter anderem berichteten die NZZ[6], arte[7], die taz[8], die FAZ, Der Tagesspiegel[9], der Deutschlandfunk[10] und der WDR ausführlich.

Anknüpfend an das stadträumliche und Gedenktafel-Engagement des Vereins wird die seit 2005 bestehende, vorher in Regie des damaligen Bezirksmuseums Friedrichshain-Kreuzberg (heute FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum) und des Bezirksmuseums Mitte geführte Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin seit 2012 im Aktiven Museum dauerhaft fortgeführt. 2020 wurde auch die Koordinierungsstelle historische Stadtmarkierungen unter dem Dach des Aktiven Museums eröffnet.[11]

Bibliothek und Archiv

Seit 1990 erhält das Aktive Museum eine institutionelle Förderung durch das Land Berlin. Die Geschäftsstelle des Vereins befindet sich in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Dort befinden sich auch eine Präsenzbibliothek und ein Dokumentationsarchiv. Letzteres enthält eine umfangreiche Zeitungsausschnittsammlung zum Thema Umgang mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Berlin (Ortsmarkierungen, NS-Verfolgte u. v. a.)

Außerdem gibt es dort ein biografisches Archiv zur Geschichte der Emigration aus Berlin zwischen 1933 und 1945. Das Aktive Museum veröffentlicht zweimal im Jahr einen Rundbrief, der über Projekte des Vereins berichtet und richtet ebenfalls zweimal im Jahr einen Salon aus, in dem aktuelle Fragen der Erinnerungskultur diskutiert werden. Dieser Salon steht allen Interessierten offen.

Veröffentlichungen

  • Schriftenreihe des Aktiven Museums Faschismus und Widerstand in Berlin e. V. Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin, Berlin, 1990 ff., DNB 977966062.
  • Aktives Museum und Neue Gesellschaft für bildende Kunst (Hrsg.): Erhalten, zerstören, verändern? Denkmäler der DDR in Ost-Berlin (= Schriftenreihe des Aktiven Museums. 1). Berlin 1990, ISBN 3-926796-14-6.
  • Stefanie Endlich: Denkort Gestapogelände (= Schriftenreihe des Aktiven Museums. 2). Berlin 1990.
  • Martin Schönfeld: Gedenktafeln in Ost-Berlin. Orte der Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus (= Schriftenreihe des Aktiven Museums. 4). Berlin 1991.
  • Kulturamt Prenzlauer Berg und Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e. V. (Hrsg.): Mythos Antifaschismus – Ein Traditionskabinett wird kommentiert. Berlin 1992, ISBN 3-86153-035-X.
  • Daniela Büchten und Anja Frey (Hrsg.): Im Irrgarten Deutscher Geschichte. Die Neue Wache 1818 bis 1993 (= Schriftenreihe des Aktiven Museums. 5). Berlin 1993.
  • Martin Schönfeld: Gedenktafeln in West-Berlin. Orte der Erinnerung an Verfolgte des Nationalsozialismus (= Schriftenreihe des Aktiven Museums. 6). Berlin 1993.
  • Verein Aktives Museum (Hrsg.): 1945: Jetzt wohin? Exil und Rückkehr. Berlin 1995.
  • Verein Aktives Museum (Hrsg.): Haymatloz: Exil in der Türkei 1933–1945. Ausstellungskatalog. Berlin 2000.
  • Georg Armbrüster, Michael Kohlstruck, Sonja Mühlberger (Hrsg.): Exil Shanghai 1938–1947. Jüdisches Leben in der Emigration (= Schriftenreihe des Aktiven Museums. 7). Hentrich und Hentrich, Teetz 2000, ISBN 3-933471-19-2 (mit Erstveröffentlichung von 14,800 Eintragungen der Ausländerliste der japanischen Fremdenpolizei auf CD-ROM).
  • Christiane Hoss, Martin Schönfeld (Hrsg.): Gedenktafeln in Berlin. Orte der Erinnerung an Verfolgte des Nationalsozialismus 1991–2001 (= Schriftenreihe des Aktiven Museums. 9). Berlin 2002.
  • Verein Aktives Museum (Hrsg.): Vor die Tür gesetzt. Im Nationalsozialismus verfolgte Berliner Stadtverordnete und Magistratsmitglieder. Red. Christine Fischer-Defoy, Kurzbiografien von Christiane Hoss. Berlin 2006, ISBN 3-00-018931-9.
  • Aktives Museum (Hrsg.): Ohne zu zögern. Varian Fry: Berlin – Marseille – New York. 2., verbesserte Auflage. Berlin 2008, ISBN 978-3-00-022946-6.
  • Christoph Kreutzmüller und Kaspar Nürnberg (Hrsg.): Verraten und verkauft. Jüdische Unternehmen in Berlin 1933–1945. 2., verbesserte Auflage. Berlin 2009, ISBN 978-3-00-026811-3.
  • Christine Fischer-Defoy, Kaspar Nürnberg (Hrsg.): Gute Geschäfte. Kunsthandel in Berlin 1933–1945. Berlin 2011, ISBN 978-3-00-034061-1.
  • Matthias Haß: Das Aktive Museum und die Topographie des Terrors (= Topographie des Terrors. Notizen. Band 4). Berlin 2012, ISBN 978-3942271653.
  • Aktives Museum (Hrsg.): Letzte Zuflucht Mexiko. Gilberto Bosques und das deutschsprachige Exil nach 1939. Berlin 2012, ISBN 978-3-00-039767-7.
  • Rundbrief. (aktives-museum.de [sämtliche Rundbriefe ab Nummer 1, Dezember 1987]).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jan-Holger Kirsch: Vom „Gestapogelaende“ zur „Topographie des Terrors“. Rückblick und Positionsbestimmung. Tagungsbericht 21. Mai 2003, Berlin. In: H-Soz-u-Kult. 1. Juni 2003, abgerufen am 21. Dezember 2010.
  2. Schmitz gratuliert zu 25 Jahren „Aktives Museum“. Pressemeldung des Landes Berlin, 5. Juni 2008, abgerufen am 4. Dezember 2018.
  3. Christine Schmitt: Täterorte Ost. In: Jüdische Allgemeine. 13. Februar 2020, abgerufen am 4. November 2021.
  4. SchülerInnen-Initiative „Bildungsblockaden einreißen!“ bedauert Beschädigung der Ausstellung über jüdische Unternehmer. Offener Brief der SchülerInnen-Initiative „Bildungsblockaden einreißen!“ bezüglich der Beschädigung der Ausstellung „Verraten und Verkauft. Jüdische Unternehmen in Berlin 1933–1945“ in der HU am 12.11.2008. (Nicht mehr online verfügbar.) In: schulaction.org. 14. November 2008, archiviert vom Original am 26. Januar 2009; abgerufen am 4. Dezember 2018.
  5. Final Sale. The End of Jewish Owned Businesses in Nazi Berlin. In: aktives-museum.de. Aktives Museum, abgerufen am 4. November 2021.
  6. Markus Bauer: Auslieferung auf Verlangen. Transit Marseille – eine Berliner Ausstellung widmet sich dem amerikanischen Fluchthelfer Varian Fry. In: NZZ. 20. Dezember 2007, abgerufen am 21. Dezember 2010.
  7. Ariane Thomalla: Ohne zu zögern. Varian Fry: Berlin – Marseille – New York. Rezension. (Nicht mehr online verfügbar.) In: arte. 22. November 2007, archiviert vom Original am 22. Juli 2012; abgerufen am 21. Dezember 2010.
  8. Ulrich Gutmair: Ausstellung über Fluchthelfer Varian Fry: Rettung aus Marseille. Mit Hilfe des Amerikaners Varian Fry konnten deutsche Intellektuelle während des 2. Weltkriegs vor den Nazis fliehen. Eine Ausstellung in der Berlin erzählt seine Geschichte. In: taz.de. 18. Dezember 2007, abgerufen am 21. Dezember 2010.
  9. Thomas Lackmann: Der Aktentaschen-Held. „Ohne zu zögern“: eine Berliner Ausstellung über Varian Fry, den Fluchthelfer von Marseille. In: Der Tagesspiegel. 21. November 2007, abgerufen am 21. Dezember 2010.
  10. Michael Schornstheimer: Rettung in letzter Minute. Eine Ausstellung über den amerikanischen Judenretter Varian Fry. In: Deutschlandfunk. 17. November 2007, abgerufen am 21. Dezember 2010.
  11. Historische Stadtmarkierungen. In: berlin.de. 26. Mai 2021, abgerufen am 4. November 2021.