Kawesqar
Das Volk der Kawesqar (übersetzt ‚Menschen‘), in deutscher Schreibweise Kaweskar (auch Kawéskar oder Kawashkar geschrieben, Fremdbezeichnung: Alakaluf oder Alakalufen, Halakwúlup)[1] ist eine der vier ethnischen Gruppen, die bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Westpatagonien siedelten. Ebenso wie die anderen Ureinwohner Feuerlands wurden sie dort im Zuge der Invasion und Besiedelung durch eurasische Siedler bereits Anfang des 20. Jahrhunderts fast vollständig ausgerottet.
1985 hat es (gemäß Brockhaus von 1988) noch etwa 50 Halakwúlup gegeben. Ihre heutige Zahl wird sehr unterschiedlich angegeben: Nach Ethnologue lag sie 2002 bei 2.620,[2] nach den Erhebungen des evangelikal-fundamentalistisch ausgerichteten Bekehrungsnetzwerkes Joshua Project bei 1.800.[3] Dabei handelt es sich heute vielfach um Mestizen, die sich als Kawesqar verstehen. Sprecher der nach SIL International fast ausgestorbenen Sprache (8b – nearly extinct)[2] gab es 2006 noch 22.
Geschichte
Die Kawesqar siedelten als Seenomaden von der Brecknock-Halbinsel nordwärts in den Wasserkanälen an der Westküste von Patagonien. Ursprünglich reichte ihr Siedlungsgebiet bis in die Nähe von Puerto Montt. Einzelne Familien zogen in großen Rindenkanus von einem Lagerplatz zum anderen, auf der Suche nach Seelöwen, Fischen oder Pinguinen.
Von den in Küstennähe errichteten Hütten wurden beim Weiterziehen die Holzgerüste zurückgelassen und dienten so oft nachkommenden Familien als Unterkunft.
Die Kawesqar kamen im Vergleich zu den anderen Ureinwohnern der Westküste Feuerlands und Patagoniens schon relativ früh in Kontakt mit den Weißen, die als Pelztierjäger und Walfänger in ihre Gebiete eindrangen. Der erste Europäer war der Entdecker García Jofre de Loaísa, der 1526 ihr Territorium betrat. Die Größe der Bevölkerung lag bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts um 4.000 Personen. Mit der Gründung von Fuerte Bulnes im Jahr 1843 auf der Brunswick-Halbinsel begann die Kolonisierung durch Chile. Von da an standen die Kawesqar dauerhaft in Kontakt mit den Kolonisten. Gewaltsame Auseinandersetzungen und Infektionskrankheiten, gegen die die Indigenen keine Abwehrkräfte hatten, dezimierten sie rapide. Ende des 19. Jahrhunderts gab es noch etwa 500 Kawesqar und 1925 nur noch 150. 1940 erließ die chilenische Regierung ein Gesetz zum Schutz der Kawesqar, von denen bis dahin fast niemand Spanisch sprach. Das Gesetz sah allerdings eine Zwangsumsiedlung nach Puerto Edén auf der Insel Wellington vor und hatte die Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung und eine zunehmende Assimilation zur Folge. Um 1970 wurde ihnen eine zweisprachige Erziehung auferlegt, so dass die indigene Sprache aufgrund der geringen Personenzahl vor dem Aussterben steht. 1995 siedelten viele Kawesqar nach Puerto Natales und Punta Arenas um, da die Lebensbedingungen dort durch Arbeitsplätze in der Fischereiindustrie und den Verkauf von Kunsthandwerk an Touristen deutlich besser sind.[4]
Ebenso wie die anderen Ureinwohner Feuerlands wurden die Kawesqar im Zuge der Besiedelung durch weiße Siedler fast vollständig ausgerottet, wozu eingeschleppte Krankheiten entscheidend beitrugen. Heute leben nur noch einige ethnisch den Kawesqar zugehörige Menschen (1990 ca. 50 Personen) in Puerto Edén im Süden Chiles.
Nach den laufenden Erhebungen des Joshua Projektes bekennen sich heute noch 10 Prozent der Kawesqar zur traditionellen Religion, während 90 Prozent offiziell Christen sind.[3]
Siehe auch
Literatur
- José Emperaire: Les Nomades de la Mer. Éditions Gallimard, Paris 1955.
- Martin Gusinde: Die Halakwulup. Vom Leben und Denken der Wassernomaden am Kap Horn. Verlag St. Gabriel, Mödling bei Wien 1974. (Die Feuerland-Indianer; Bd. 3, Halbbd. 1.) ISBN 3-85264-050-4.
- Jean Raspail: Sie waren die ersten – Tragödie und Ende der Feuerland-Indianer. München 1988. ISBN 3-548-35326-6 (Qui se souvient des hommes ... Paris 1986.)
- Juan José Rossi: Los Alakaluf. Buenos Aires: Editorial Galerna 2007
- Christina Hofmann-Randall: Die Feuerlandindianer. Anthropologische Beschreibung der ersten Entdecker. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 11, 1993, S. 261–272.
Weblinks
- Literatur über die Kawésqar im Katalog des Ibero-Amerikanischen Instituts in Berlin
- www.patagoniainteractiva.com (englisch/spanisch)
- Das Land der Kawésqar (spanisch)
- "Der Sohn des Canelo (Drimys winteri - eine Baumart)" Ein Märchen der Kawésqar (Mediendatei auf Spanisch)
Einzelnachweise
- ↑ Christina Hofmann-Randall (1993), S. 261.
- ↑ a b Ethnologische Informationen nach ISO-Sprachcode 639-3: alc auf ethnologue.com. SIL International, abgerufen am 3. Februar 2016.
- ↑ a b Joshua Project: Chile (Memento des Originals vom 19. Februar 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (Kawashkar), abgerufen am 18. Januar 2016.
- ↑ Native peoples > Kawashkar. In: Webseite des Museo Chileno de Arte Precolombino, Santiago de Chile, abgerufen am 3. Februar 2016.