Alter Jüdischer Friedhof (Breslau)
Der Alte Jüdische Friedhof (Breslau) ist der ältere der beiden erhaltenen jüdischen Friedhöfe (polnisch: cmentarz żydowski) von Breslau (Wrocław). Er befindet sich an der ul. Ślężna (Lohestraße) 37/39, südöstlich der Schweidnitzer Vorstadt, und ist heute als Museum der Friedhofskunst Teil des Breslauer Stadtmuseums.
Geschichte der Jüdischen Friedhöfe Breslaus
Im frühen Mittelalter entstanden entlang der bedeutenden Handelswege Mittel- und Osteuropas jüdische Gemeinden. Der früheste Nachweis von Jüdischem Leben im Handelszentrum Breslau ist eine Mazewa aus dem Jahre 1203. Er stammt aus dem ersten jüdischen Friedhof der Stadt, der damals außerhalb der Stadt, vor dem Ohlauer Tor am Stadtgraben (ul. Podwale), lag und heute als ältestes jüdisches Grabmal auf polnischem Boden im Breslauer Stadtmuseum ausgestellt ist. 1345 wurde dieser Friedhof von König Johann von Böhmen enteignet und die zahlreichen Mazewen zum Bau der Stadtmauer freigegeben.
Nach dem Verlust dieses ersten Friedhofs musste die jüdische Gemeinschaft Breslaus ihre Toten auf Friedhöfen benachbarter Städte begraben, bis im Jahre 1760 ein zweiter Friedhof in der Schweidnitzer Vorstadt, nahe dem heutigen Hauptbahnhof, entstand, der 1856 ebenfalls geschlossen wurde.
Als Ersatz konnte am 17. November 1856 der Alte Jüdische Friedhof an der Lohestraße eröffnet werden.[1] Zusätzlich wurde im Jahre 1902 der Neue Jüdische Friedhof im Wohnquartier Cosel (Kozanow) an der Frankfurter Chaussee (später Flughafenstraße), heute ul. Lotnicza 51, angelegt, der noch heute von der kleinen jüdischen Gemeinde Breslaus genutzt wird. Auf sieben Hektar befinden sich hier rund 20.000 Gräber.
Während der Neue Jüdische Friedhof eher der einfachen Bevölkerung diente, war der Alte Jüdische Friedhof bis zum Ende der 1920er Jahre die bevorzugte Grabstätte der erfolgreichen, assimilierten Juden Breslaus. Das zeigen auch die aufwändigen und unorthodoxen Grabbauten und Grabdenkmäler. Der Friedhof wurde 1942 geschlossen und erlitt noch heute sichtbare Schäden beim Kampf um die Festung Breslau. In den Nachkriegsjahren verfiel der Friedhof mit seinen einmaligen baulichen Anlagen, wurde dann aber 1975 in die Liste der Denkmale der Stadt Breslau aufgenommen. Restaurierungsarbeiten auf dem ca. 5 Hektar großen Gelände mit ca. 12.000 Grabstätten wurden in den Jahren 1978–1980 begonnen. Als Museum für Friedhofsarchitektur ist es seit 1988 für Besucher geöffnet.
Einige mittelalterliche Grabplatten aus dem Ohlauer Friedhof, die man nach Jahrhunderten an verschiedenen Stellen in Breslaus Fundamenten und Straßen freilegte, befinden sich heute entweder im Breslauer Stadtmuseum selbst (Zeughaus), oder sie wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem Gelände des Alten Jüdischen Friedhofs in die Friedhofsmauer eingelassen.
Der Alte Jüdische Friedhof in der Gegenwart
Der mit einer hohen Mauer umfriedete Gräberbereich in Rechteckform ist reich mit Bäumen und Büschen bestanden und durch ein regelmäßiges Netz von Alleen parzelliert. Ihm nördlich vorgelagert stehen auf einer Geländeerweiterung kleinere Nebengebäude mit der Pförtnerloge. Beidseits vom schmiedeeisernen Friedhofstor sind auf der Außenfront der Mauer mittelalterliche Grabsteine ausgestellt. Links beeindruckt schon alleine durch seine Größe eine Mazewa von 1345, dem Jahr der Schließung des ältesten Breslauer Judenfriedhofs vor dem Ohlauer Tor. Die Innenfront der Umfassungsmauer ist insbesondere im Norden und im Westen vielfach in die Grabbauten miteinbezogen. Diese lassen sich generell in eher einfache Grabdenkmäler (Grabplatten, Stelen, Säulen, Obelisken, steinerne Baumstämme, Sarkophage etc.) und komplexere und prunkvolle Grabbauten (Grüfte, Portiken, Baldachine, Portale etc.) unterteilen. Sie kommen beide in einer bemerkenswerten Vielfalt zeitgenössischer und historischer Stilrichtungen vor.
Das Abrücken von den bescheidenen, eng gedrängten Mazzeben und die häufige Verwendung des Deutschen in den Grabinschriften manifestiert Assimilation und Zeitgeist. Auffällig sind in dieser Hinsicht auch die zahlreichen Gräber von Gefallenen des Ersten Weltkriegs und von Personen, deren preußische Beamtentitel stolz genannt werden. Daneben fallen die Namen zahlreicher wohlhabender Breslauer Bankinhaber und Unternehmer auf. Die Internationalität des damaligen Handels dokumentiert sich in den letzten Ruhestätten von Personen aus Warschau, Hamburg, Tanger, Boston etc., die in Breslau starben und nicht in ihre Heimat übergeführt werden konnten, da Tote nach talmudischer Regel spätestens einen Tag nach ihrem Tod begraben werden müssen.
Gräber bekannter Persönlichkeiten
- Salomon Kauffmann (1824–1900) Textilhändler und Philanthrop
- Jenny Asch (1832–1907), Malerin, Philanthropin und Fröbelpädagogin
- Sigismund Asch (1825–1901), Humanmediziner und Politiker
- Leopold Auerbach (1828–1897), Arzt
- Markus Brann (1849–1920), Historiker
- Jonas Bruck (1813–1883), Zahnmediziner
- Julius Bruck (1840–1902), Zahnmediziner
- Ferdinand Julius Cohn (1828–1898), Botaniker
- Hermann Cohn (1838–1906), Ophthalmologe
- Moritz Deutsch (1818–1892), Chasan, Musikologe
- Siegmund Fraenkel (1855–1909), Semitist
- Ernst Fränkel (1844–1921), Gynäkologe
- Wilhelm Salomon Freund (1831–1915), Jurist
- Georg Gottstein (1868–1936), Chirurg
- Heinrich Graetz (1817–1891), Historiker
- Max Kayser (1853–1888), Sozialdemokrat, MdR
- Friederike Kempner (1828–1904), schlesische Dichterin
- Ferdinand Lassalle (1825–1864), Gründer der ersten Arbeiterpartei in Deutschland
- Felix Priebatsch (1867–1926), Historiker
- Jacob Rosanes (1842–1922), Mathematiker
- Clara Sachs (1862–1921), Malerin
- Arnold Schottländer (1854–1909), deutscher Schachmeister
- Julius Schottländer (1835–1911), deutscher Gutsbesitzer und Philanthrop
- Paul Schottländer (1870–1938), Wissenschaftler und Mäzen
- Benedict Zuckermann (1818–1891), Bibliothekar und Lehrer
Siehe auch
Literatur
- Maciej Łagiewski, Anna Stroka (Übersetzung): Das Pantheon der Breslauer Juden. Der jüdische Friedhof an der Lohestraße in Breslau. (Macewy mówią). Nicolai Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-87584-884-5.
- Maciej Łagiewski, Stanisław Klimek: Der alte jüdische Friedhof in Breslau. Via Nova, Wrocław 2005, ISBN 83-88649-78-7 (deutsch: Laumann Druck & Verlag, Dülmen 2005, ISBN 978-3-89960-279-1).
- Amalie Reisenthel: Orientalismus als Mittel zur Identitätsfindung: Sepulkralarchitektur auf dem Jüdischen Friedhof Breslau, Lohestraße. Lit Verlag, Münster 2015, ISBN 978-3-643-13086-0.
Weblinks
- Jüdischer Friedhof Lohestraße mit Namen
- La vieux cimitière juif à Breslau (Wrocław) (französisch)
- Virtuelles Schtetl (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Klaus Klöppel: Breslau - Niederschlesien und seine tausendjährige Hauptstadt, Trescher Verlag, 6. Aufl., 2018, ISBN 978-3-89794-417-6, S. 125
Koordinaten: 51° 5′ 13″ N, 17° 1′ 30″ O