Amalekiter

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Die Amalekiter (עֲמָלֵק) waren ein Stamm im Land Kanaan, der in der Frühzeit Israels mit den Israeliten um den Landbesitz kämpfte. Sie gelten in der Bibel als Nachkommen Esaus, des Sohnes von Isaak und älteren Zwillingsbruders von Jakob (Gen 36,12 EU). Amalek wird als Enkel Esaus genannt. Esau soll kanaanäische Frauen genommen haben (Gen 36,1 EU), was seine Nachkommen zu einem Mischvolk machte. Von da an steht der Name Amalek – oft ohne nähere Erklärung – für Feinde des Volkes Israel.

Das Volk der Amalekiter

Die Amalekiter siedelten im Süden Kanaans nahe dem heutigen Negev. Sie lebten offenbar anders als die hebräischen Halbnomaden in festen Städten, die jeweils einem Stadtfürsten unterstanden. Manche ihrer Namen weisen darauf hin, dass sie den Ba’al (einen kanaanäischen Fruchtbarkeitsgott) verehrten (Gen 36,31f.39). Andererseits lebten sie auch wie kriegerische Nomaden von Überfällen auf Nachbarstämme.

Amalek als Feind Israels bei dessen Auszug aus Ägypten

Mose werden die Arme hochgehalten, Miniatur aus einer Weltchronik (14. Jh.)
Aaron und Hur stützen Mose beim Gebet, Bildfeld an der großen Knesset-Menora

Ihr Konflikt mit den Neuankömmlingen aus der Wüste wird in Ex 17 EU dargestellt: Nachdem das Volk Israel aus Wassermangel gegen Mose rebelliert und seinen Gott angezweifelt hatte, lagerte es geschwächt an einer neu entdeckten Felsenquelle (Massa und Meriba, V. 7). Hier wurden sie von Amalek überfallen. Amalek kann hier der Name des Anführers oder der personifizierte Name des Stammes sein. Mose beauftragte mit der Abwehrschlacht Josua, den Sohn Nuns, seinen späteren Nachfolger und leitete diese, indem er von einer Höhe aus seine Arme gen Himmel reckte, um Gottes Beistand zu erhalten (V. 11):

„Und wenn Mose seine Hand emporhielt, siegte Israel; ließ er sie aber sinken, siegte Amalek.“

Nachdem zwei Männer Moses Arme bis zum Sonnenuntergang stützten, habe Israel schließlich gesiegt. Moses habe dann Gottes Auftrag erhalten, das Ereignis für Josua aufzuzeichnen (V. 14):

„Denn ich will Amalek unter dem Himmel austilgen, dass man seiner nicht mehr gedenke.“

Die Geschichte ist eine ätiologische Erzählung, die den auffälligen Felsen auf einer Anhöhe als Sitzplatz des Mose deutete und wohl als Altar für Feldgottesdienste vor einer Schlacht verwendete (V. 15f):

„Die Hand an den Thron JHWHs! Er führt Krieg gegen Amalek von Kind zu Kindeskind.“

Diese Erbfeindschaft in der Tradition des Heiligen Kriegs der Richterzeit wurde in der deuteronomischen Rückschau auf die vorstaatlichen Traditionen Israels später nochmals bekräftigt (Dtn 25,17–19 EU):

„Denke daran, was dir die Amalekiter taten auf dem Weg, als ihr aus Ägypten zogt: wie sie dich unterwegs angriffen und deine Nachzügler erschlugen, all die Schwachen, … als du müde und matt warst, und Gott nicht fürchteten.“

Dies begründet das Gebot, die Amalekiter auszulöschen. Doch diese Aufforderung steht nun im Kontext der ausführlichen Schutzgesetze für ebendiese Schwachen (Dtn 23,16 bis 25,16): Eine Innenpolitik, die deren Recht wahrt und verteidigt, gilt hier auch außenpolitisch als der beste Schutz des Volkes vor Fremdmächten. Das Gericht an diesen wird Gott allein vorbehalten, der selbst das 1. Gebot auch dort durchsetzen werde (Dtn 32,35f EU):

„Die Rache gehört mir … Denn JHWH wird seinem Volk Recht verschaffen, und über seine Knechte wird er sich erbarmen.“

Wichtige Rabbiner wie Maimonides und Rabbi Pinhas Halevi von Barcelona lehrten, dass es immer noch Amalekiter gäbe, und mit diesen eben auch die Pflicht, sich ihrer Taten zu erinnern und sie zu vernichten.

Unterwerfung und Ausrottung der Amalekiter unter Saul, David und Hiskija

In 1. Buch Samuel 15 behauptet König Saul, die Amalekiter besiegt und als Volk ausgerottet zu haben. Da Saul den König Agag der Amalekiter zunächst nicht getötet hatte, wurde ihm vom Propheten Samuel das Recht auf das Königtum aberkannt. Samuel selbst zerhackte daraufhin Agag.

Im 1. Buch Samuel 27 und 30 ist berichtet, dass danach David Krieg gegen die Amalekiter führte und das Volk unterwarf (vgl. 2. Buch Samuel; 2 Sam 8,12 EU). Vollständig ausgerottet wird das Volk jedoch entsprechend dem Bericht im 1. Buch der Chronik (1 Chr 4,43 EU) erst von den Söhnen Simeons unter Hiskija im Gebirge Seïr.

Haman und Ester

Dem Stamm Amalek wird im Buch Ester auch Haman zugeordnet, ein Beamter am Hofe des Perserkönigs Ahasveros, der durch seinen Hass auf Mordechai sich selbst und seine zehn Söhne an den Galgen bringt.

Amalek und Amalekiter als wiederkehrende Figuren in der jüdischen Geschichte

In der jüdischen Überlieferung sind verschiedene Personen, die sich durch besondere Feindschaft gegenüber den Juden hervorgetan haben, dem Stamm Amalek zugeordnet worden. Dazu zählen zum Beispiel der Kosakenführer Bohdan Chmelnyzkyj (1595–1657) sowie Adolf Hitler. Die Nationalsozialisten galten prominenten Juden, so zum Beispiel Simon Dubnow, Arthur Szyk und Raul Hilberg, als Amalekiter. Solche Überlieferungen hängen mit Vorstellungen über Reinkarnation zusammen, die auf Hebräisch Gilgul genannt wird (wörtlich: „Rollen“, hier der Seele).

Einige Rabbis gehen sogar so weit, bestimmte Völker mit den Amalekitern zu identifizieren, wie beispielsweise der Gaon von Wilna, auf den sich Rabbi Joseph Chaim Sonnenfeld berief, als er sich 1898 weigerte, Kaiser Wilhelm II. bei seinem Palästinabesuch zu begrüßen, da die Deutschen von den Amalekitern abstammten.[1] Rabbi Joseph Ber Soloveitchik und andere Rabbiner lehren, dass alle Judenhasser von der Saat Amaleks stammten, so die Nationalsozialisten, die Sowjets, Nasser und der Mufti. Wiederum andere, wie Rabbi Jack Riemer, sehen in islamischen Fundamentalisten Amalekiter. Die Palästinenser als Volk wurden mit Amalek gleichgesetzt, seit Rabbi Moshe Ben-Tzion Ishbezari aus Ramat Gan 1974 sie als solche bezeichnete.[2] Dieser Betrachtungsweise schloss sich Rabbi Israel Hess 1980 an.[3] Hess war Rabbi am Campus der Bar-Ilan-Universität und veröffentlichte im Februar 1980 einen Artikel mit dem Titel „Die Aufforderung zum Völkermord in der Torah“.[4][5]

Nach dem Tode Jassir Arafats wurde dieser von 200 Rabbis aus Pikuach Nefesh als „Amalek unserer Generation“ bezeichnet und der Vorschlag gemacht, dessen Todestag als Freudentag zu feiern.[6]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. The First Word: Are Jews still commanded to blot out Amalek? – Jerusalem Post (Memento vom 16. März 2006 im Internet Archive) (englisch).
  2. Nur Masalha: The Bible and Zionism: Invented Traditions, Archaeology and Post-Colonialism in Palestine-Israel. Zed Books (englisch).
  3. Robert Eisen: The peace and violence of Judaism: from the Bible to modern Zionism. Oxford University Press, 2011, S. 152 (englisch).
  4. Yisrael Hess: Mitzvot Hagenocide Batorah. In Bat Qol. Bar-Ilan-Universität, 26. Februar 1980 (englisch).
  5. Nur Masalha: The Bible and Zionism: Invented Traditions, Archaeology and Post-Colonialism. Zed Books, 2007, S. 150 f. und 199 (englisch).
  6. Elliott S. Horowitz: Reckless Rites: Purim and the Legacy of Jewish Violence. Princeton, University Press, 2006, S. 3 (englisch).