Zweirichtungsfahrzeug

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Als Zweirichtungsfahrzeug werden Fahrzeuge bezeichnet, die – im Gegensatz zu Einrichtungsfahrzeugen – mit jedem ihrer beiden Enden voraus fahren können. Man findet sie fast ausschließlich im Schienenverkehr. Ein Zweirichtungsfahrzeug hat dabei entweder an beiden Enden einen Führerstand oder in der Mitte einen erhöhten Mittelführerstand, welche an beiden Seiten die nötigen Bedienelemente aufweisen. Die Begriffe „vorne“ und „hinten“ sind somit bei Zweirichtungsfahrzeugen nur zur Unterscheidung der beiden Fahrzeugenden von Bedeutung (etwa „Führerstand 1“ und „Führerstand 2“), technisch sind sie gleichwertig. Oft spricht man auch kurz vom Zweirichter.

Allgemeines

Der Existenzgrund für Zweirichtungsfahrzeuge ist zum einen, dass die Bahnsteige nicht an allen Zugangsstellen (Bahnhöfe, Haltestellen) an derselben Fahrzeugseite liegen, und zum anderen, dass Schienenfahrzeuge in Kopfbahnhöfen (Eisenbahn) bzw. an Endstellen (Straßenbahn) ihre Fahrtrichtung wechseln müssen. Die Natur eines Zweirichtungsfahrzeugs macht dabei einige betriebliche Besonderheiten nötig; zum Beispiel muss das Fahrzeug stets „wissen“, wo für dasselbe gerade vorne ist. Üblicherweise wird das Ende, an dem der Triebfahrzeugführer bzw. Straßenbahnfahrer den Hebel des Richtungsschalters aufgesteckt und verlegt hat, als vorne angesehen. Auch muss ein Zweirichtungsfahrzeug in der Lage sein, an beiden Fahrzeugenden Zugspitzen- und Zugschlusssignale/Rücklichter anzuzeigen; am besten sollten technische Vorkehrungen getroffen werden, damit keine unlogischen Kombinationen von Endsignalen eingestellt werden können. Auch sollte eine sogenannte seitenselektive Türsteuerung (SST) dafür sorgen, dass an Zugangsstellen nur die Türen auf der Bahnsteigseite freigegeben werden (um zu vermeiden, dass Fahrgäste sich aus Versehen in den Gleisbereich des Nachbargleises begeben).

Schienenverkehr

Stadtbahn Stadler Tango in Bochum
Dieser DoT4 wurde im Juli 1979 nur noch als Einrichter genutzt, die linke Tür steht zu Belüftungszwecken aber offen

Fast alle Eisenbahnfahrzeuge sind heute Zweirichtungsfahrzeuge, während früher beispielsweise viele Dampflokomotiven Einrichtungsfahrzeuge waren, die mit Hilfe von Drehscheiben gewendet werden mussten. Triebwagen und Lokomotiven haben an beiden Enden Führerstände, Personenwagen haben an beiden Seiten Türen. Rangierlokomotiven haben normalerweise Mittelführerstände.

In der Anfangszeit der Straßenbahn waren Zweirichtungswagen die Regel, zunächst als Pferdebahn (wobei zwar die Pferde umgespannt wurden, der Wagen selbst jedoch nicht gedreht wurde), später als einzeln fahrende elektrische Triebwagen (sogenannte Solowagen). Mit dem Aufkommen von antriebslosen Beiwagen wurde der Zweirichtungsbetrieb jedoch komplizierter, an den Endstellen musste der Triebwagen jeweils umsetzen, bevor das Gespann die Fahrt in die Gegenrichtung fortsetzen konnte. Zur Vereinfachung und zur Verringerung der vor allem mit Stangen- und Lyrastromabnehmern aufwändigen Richtungswechsel wurde bald darauf in einigen Netzen der Betrieb mit Standbei- oder Stoßtriebwagen eingeführt. Später errichteten viele Betriebe (sofern es die örtlichen Verhältnisse ermöglichten) an den Endstellen Wendeschleifen, um den sogenannten „Umsetzvorgang“ zu vermeiden. Diese Wendeschleifen wurden zunächst auch von Zweirichtungsfahrzeugen befahren, erst deutlich später (als genügend Wendeschleifen zur Verfügung standen) begannen einige Betriebe, ihre Fahrzeuge umzubauen oder durch neue Einrichtungsfahrzeuge zu ersetzen. Vorteile von Einrichtungsfahrzeugen sind weniger erforderliche Führerstände und Einstiegstüren, zusätzlich können auf der türlosen Seite zusätzliche Sitzplätze untergebracht werden. Dennoch setzen viele Straßenbahnbetriebe bis heute auf Zweirichtungsbetrieb oder setzen beide Fahrzeugarten gemischt ein. Zweirichtungswagen bieten den Vorteil der größeren betrieblichen Flexibilität, sie können über Gleiswechsel als Notkehranlagen oder Stumpfgleise die Fahrtrichtung wechseln, die Endstellen verbrauchen somit nicht soviel Platz wie bei Wendeschleifen (oder Gleisdreiecken). Auch kann bei Streckenunterbrechungen infolge von Bauarbeiten oder Betriebsstörungen der Betrieb besser aufrechterhalten werden. Durch die Nutzung von Vielfach- und Wendezugsteuerungen wurde auch der Zug- und Beiwagenbetrieb ohne Umsetzvorgänge möglich.

Ein spezieller Vorteil von ausschließlich im Einrichtungsverkehr genutzten Zweirichtungswagen ist deren Belüftung im Sommer. Hierbei stehen die nicht benötigten Türen offen, werden aber mit hüfthohen Gittern gesichert.

Sonderformen

Triebköpfe

Die Lokomotiven der italienischen Baureihe E.464 sind eigentlich Triebköpfe

Bekannteste Sonderform im Eisenbahnverkehr sind die Triebköpfe (die im Grunde genommen Zweirichtungsfahrzeuge mit nur einem Führerstand sind), sowie die Steuerwagen. Beide Formen sind zwar für sich genommen Einrichtungsfahrzeuge, dennoch werden sie im planmäßigen Betrieb stets zusammen mit einem weiteren Triebkopf (Triebkopf + Zwischenwagen + Triebkopf, z. B. ICE-V und ICE 1) oder in Wendezugeinheiten (Triebkopf + Zwischenwagen + Steuerwagen, z. B. ICE 2, bzw. Lokomotive + Zwischenwagen + Steuerwagen, Normalzustand bei heutigen Intercity und vielen Regionalzügen) eingesetzt, so dass diese Züge problemlos in beide Richtungen fahren können.

Unechte Zweirichtungswagen

Als Sonderfälle gibt es unechte Zweirichtungswagen. Diese werden auch als halbe Zweirichtungsfahrzeuge oder Anderthalbrichtungsfahrzeuge bezeichnet; es müssen aber zwei unterschiedliche Konzepte unterschieden werden:

  • Einrichtungsfahrzeuge mit beidseitigen Türen: diese Fahrzeuge sind dort zu finden, wo Einrichtungsfahrzeuge auch an Mittelbahnsteigen (z. B. auf Tunnelstrecken) halten; Beispiele:
    • Typ GT4 der Straßenbahn Aachen, im Einsatz auf Linie 12 von 1959 bis 1973,
    • einige GT6 bzw. GT8 in Essen und Mülheim wurden ab 1992 mit zwei oder drei linksseitigen Türen nachgerüstet,
    • die Heidelberger GT6 Nr. 209 bis 213 besaßen für die Überlandstrecke nach Schwetzingen bereits ab Werk zwei schmale Türen auf der linken Seite, diese wurden beim Weiterverkauf der Wagen ausgebaut,
    • ehemaliger Duobus in Essen: hier verkehrten Busse mit zusätzlichen linksseitigen Türen.
  • Zweirichtungswagen mit nur einem Führerstand: diese können nur in Mehrfachtraktion (Kombination mit einem weiteren unechten oder mit einem echten Zweirichtungswagen) im Zweirichtungsbetrieb eingesetzt werden. Diese Sonderform ist vergleichbar mit Triebwagen wie den RBDe 560 der SBB im Eisenbahnverkehr; Beispiele:

Zweirichtungsfahrzeuge mit Türen nur auf einer Seite

Im öffentlichen Personenverkehr müssen bei Zweirichtungsfahrzeugen in der Regel auf beiden Fahrzeugseiten Türen vorhanden sein. Dadurch haben diese Fahrzeuge weniger Sitzplätze als Einrichtungsfahrzeuge. Es gibt jedoch Bahnen, deren Zweirichtungsfahrzeuge Türen nur an einer Seite haben. Solche Fahrzeuge können nur dann eingesetzt werden, wenn alle Bahnsteige einer Linie auf der gleichen Seite liegen. In der Regel handelt es sich dabei um betrieblich isolierte Kleinbahnen, Zahnradbahnen oder Straßenbahnbetriebe mit nur einer Linie, bei deren Bau alle Stationen auf derselben Seite angeordnet wurden. Zu diesen Betrieben gehören:

Zahnradbahnen:

Zahnradbahnen (ehemalig):

Eisenbahnen:

Eisenbahnen (ehemalig):

Straßenbahnen:

Straßenbahnen (ehemalig):

Seilbahnen:

Straßenverkehr

Zweirichtungsstraßenfahrzeuge sind fast völlig unbekannt, zu den seltenen Beispielen gehören:

Einzelnachweise

  1. Idyll auf der Krim in: Straßenbahn Magazin 3/2019, S. 32 ff.
  2. Stets im Vorwärtsgang am Mont-Saint-Michel. (Nicht mehr online verfügbar.) Ehemals im Original; abgerufen am 15. April 2013.@1@2Vorlage:Toter Link/www.contrac-cobus.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
  3. Abgefahren: Zweiköpfiger Drache löscht in Shanghai. Spiegel Online, 3. März 2010. Abgerufen am 15. Oktober 2010.