Dysplasiebedingte Hüftluxation bei Erwachsenen
Klassifikation nach ICD-10 | |
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Q65.0 | Angeborene Luxation des Hüftgelenkes, einseitig |
Q65.1 | Angeborene Luxation des Hüftgelenkes, beidseitig |
Q65.2 | Angeborene Luxation des Hüftgelenkes, nicht näher bezeichnet |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Die dysplasiebedingte Hüftluxation bei Erwachsenen ist eine (unbehandelte) Hypoplasie mit sekundärer Luxation des Hüftgelenks. Der Femurkopf steht nicht im Acetabulum, sondern darüber am Darmbein. Im angelsächsischen Sprachgebrauch wird die Situation als neglected congenital dislocation of the hip bezeichnet – wobei „dislocation“ eigentlich so falsch ist wie „Luxation“.
Klinisches Bild und Behandlung
Die erwachsenen oder alten Patienten wissen, was sie haben. Sie hinken und sind beim Stehen und Gehen unsicher. Schmerzen spielen keine große Rolle.
Zur Diagnose reicht eine Röntgenaufnahme des Beckens. Der radiologische Befund sollte weder mit dem Proximalen Femurdefekt noch mit der (extrem seltenen) teratologischen Luxation verwechselt werden.
Zur Behandlung kommt nur die Endoprothese in Frage. Ihr Einbau ist in mehrfacher Hinsicht schwierig; denn
- ist das nie benutzte (hypoplastische) Acetabulum klein
- ist der Pfannenboden sehr dünn
- sind die Pfannenpfeiler sehr schmal
- sind die Hüftmuskeln, Nerven und Gefäße über die Jahrzehnte „verkürzt“ worden.
Deshalb kommt es beim Zugang (immer in Seitenlage des Patienten) zunächst darauf an, die Gelenkkapsel vollständig zu resezieren und das primäre Acetabulum darzustellen. Den Femurkopf sollte man für die Pfannendachplastik aufheben. Mit kleinen Fräsen und Implantaten in der Hinterhand lässt sich eine (zementfreie) Pfanne meistens unterbringen. Manchmal sind Dysplasie-Revisionspfannen nötig. Keinesfalls dürfen die Pfannenpfeiler weggefräst werden. Ein sog. Antiluxationsinlay ist probat.[1]
Auch nach einer Tenotomie der Psoassehne am Trochanter minor lässt sich das obere Femurende in aller Regel nicht so weit herunterbringen, dass der Prothesenkopf in die Pfanne eingestellt werden könnte. Dann ist die subtrochantere Femurverkürzung um einige Zentimeter nötig.[2] Schräg angelegt ist sie drehstabil. Schon diese Osteotomie verlangt einen zementfreien Endoprothesenschaft mit proximaler (metaphysärer) Verankerung. Sinnvoll sind modulare Schaftsysteme, die mit kurzem Hals und geringem Offset eine einigermaßen spannungsarme Reposition ermöglichen (N. ischiadicus).[1]
Literatur
- M. M. Anwar, N. Sugano, K. Masuhafu, T. Kadowaki, K. Takaoka: Total hip arthroplasty in the neglected congenital dislocation of the hip: a five- to 14-year follow-up study. Clinical Orthopaedics and Related Research 295 (1993)
- Josef Beck: Die unbehandelte angeborene hohe Hüftluxation und ihre Funktion. Dissertation, Universität München 1986.
- J. J. Callaghan, A. G. Rosenberg, H. E. Rubash: The Adult Hip, 2 vol. Lippincott Williams & Wilkins 2007, ISBN 978-0-7817-5092-9.
- Rüdiger Döhler: Lexikon orthopädische Chirurgie. Springer, Berlin 2003, ISBN 3-540-41317-0, S. 70–73.
- Rüdiger Döhler: Total hip replacement in neglected congenital dislocation of the hip. SICOT, Marrakesch 2007.
- M. S. Park, K. H. Kim, W. C. Jeong: Transverse subtrochanteric shortening osteotomy in primary total hip arthroplasty for patients with severe hip developmental dysplasia. Journal of Arthroplasty 22 (2007), S. 1031–1036.
- K. Stafilas, P. Koulouvaris, A. Mavrodontidis, K. Zacharis, G. Mitsionis, T. Xenakis: Surgical difficulties and complications in total hip arthroplasty of neglected congenital dislocation of the hip. Journal of Bone and Joint Surgery [Br] 86-B, Suppl. II (2004), S. 184 (Abstract)
- Dietrich Tönnis: Die angeborene Hüftdysplasie und Hüftluxation im Kindes- und Erwachsenenalter. Springer, Berlin Heidelberg 1984, ISBN 978-3-662-06621-8. SpringerLink (engl. Ausgabe)