Abū l-Hasan al-Aschʿarī

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Abū l-Hasan ʿAlī ibn Ismāʿīl al-Aschʿarī (arabisch أبو الحسن علي بن إسماعيل الأشعري, DMG

Abū l-Ḥasan ʿAlī ibn Ismāʿīl al-Ašʿarī

, * gegen 873874 in Basra; † 935 in Bagdad) war ein islamischer Theologe. Auf ihn wird die aschʿaritische Theologieschule zurückgeführt. Al-Aschʿarī stammte nach eigener Aussage in der neunten Generation von Abū Mūsā al-Aschʿarī ab. Seine theologischen Gegner bezweifelten allerdings, dass er von diesem bekannten Prophetengefährten abstammte, und enthielten ihm deswegen die Nisba al-Aschʿarī vor. Wenn sie von ihm sprachen, nannten sie ihn nach seinem Großvater Ibn Abī Bischr.[1]

Leben

In seiner Jugend studierte Al-Aschʿarī islamische Jurisprudenz schāfiʿitischer und hanafitischer Prägung. Beide Rechtsschulen bezeichnen ihn als ihren Anhänger.[2] Anfangs gehörte er der rationalen Theologieschule der Muʿtazila von Basra an und studierte bei Abū ʿAlī al-Dschubbā'ī. In den Jahren 912–913 wandte er sich jedoch von seinem Lehrer ab und verfasste Werke, um die muʿtazilitische Schule zu widerlegen. Damit begründete er seine eigene Richtung der Theologie. Geprägt hat ihn auch sein Studium des Christentums, verbunden mit seiner Kritik der christlichen Lehre.[3]

Werke

Ibn ʿAsākir führt in seinem Buch „Erläuterung der Lügen des Verleumders darüber, was man dem Imam Abū l-Hasan al-Aschʿarī zur Last gelegt hat“ (Tabyīn kaḏib al-muftarī fī-mā nusiba ilā ʾl-imām Abī ʾl-Ḥasan al-Ašʿarī) eine Liste von 105 Werken al-Aschʿarīs auf. Die meisten dieser Werke sind verloren.[4] Unter denjenigen, die sich erhalten haben, haben die folgenden besonders viel Aufmerksamkeit erhalten:

  • Das „Buch der Schlaglichter“ (Kitāb al-Lumaʿ) mit kurzer Vorrede und zehn Kapiteln. Richard J. McCarthy hat das Buch ins Englische übersetzt.[5] In Kapitel 1, das sich mit der Existenz Gottes und seinen Attributen befasst, wendet sich al-Aschʿarī gegen anthropomorphistische Gottesauffassungen[6] und verteidigt die Notwendigkeit der philosophischen Betrachtung (naẓar) zur Erkenntnis der Wahrheit. Bei letzterem beruft er sich auf das Vorbild Abrahams, der, wie der Koran in Sure 6:76f erzählt, nur auf diese Weise die Einheit Gottes erkannt habe.[7] Kapitel 2 befasst sich mit dem Koran und dem göttlichen Willen (irāda), Kapitel 3 widmet sich dem Beweis, dass der göttliche Wille alle in der Zeit erschaffenen Dinge (muḥdaṯāt) umfasst. In Kapitel 4 behandelt al-Ašʿarī die Vision (ruʾya) Gottes, in Kapitel 5 das Konzept des Qadar und in Kapitel 6 das Handlungsvermögen (istiṭāʿa) des Menschen. Hierbei legt er die Lehre von dem „Erwerb“ (iktisāb) der Handlungen durch den Menschen zugrunde.[8] In Kapitel 7 behandelt al-Aschʿarī das Für-Gerecht-Halten und Für-Ungerecht-Halten Gottes, in Kapitel 8 die Position des Sünders,[9] in Kapitel 9 bekräftigt er die Lehre, dass kein muslimischer Gläubiger für alle Ewigkeit in der Hölle werde,[10] und in Kapitel 10 behandelt er das Imamat.[11]
  • „Die dogmatischen Lehren der Anhänger des Islam und der Dissens der Betenden“ (Maqālāt al-islāmīyīn wa-ḫtilāf al-muṣallīn), ein doxographisches Werk, in dem die Lehrmeinungen der damaligen islamischen Sekten dargestellt werden. Al-Aschʿarī hat darin frühere Werke mit der gleichen thematischen Ausrichtung eingearbeitet, so zum Beispiel das Kitāb al-Maqālāt des Muʿtaziliten Zurqān (gest. 891/2).[12] Al-Aschʿarīs Werk wurde von Hellmut Ritter ediert.[13]
  • Das „Buch der Darlegung über die Grundlagen der Religion“ (Kitāb al-Ibāna ʿan uṣūl ad-diyāna). Das Buch wurde von W.C. Klein unter dem Titel The Elucidation of Islam's foundation ins Englische übersetzt (New York 1940, American Oriental Series 19). Es ist von seiner Ausrichtung erheblich traditionalistischer als das Kitāb al-Lumaʿ. McCarthy äußert deshalb Zweifel an der Authentizität des Werkes.[14]
  • Das „Sendschreiben über die Befürwortung der Beschäftigung mit der Kalām-Wissenschaft“ (Risālat Istiḥsān al-ḫauḍ fī ʿilm al-kalām). Die Authentizität dieses Werks ist allerdings in Zweifel gezogen worden.[15]

Glaubenslehre

Das Glaubensbekenntnis aus Maqālāt al-islāmīyīn

Al-Aschʿarī war in der sunnitischen Tradition verankert und gehörte einer Gruppe von Theologen an, die er in seinen Schriften mehrfach als „unsere Gefährten“ (aṣḥābunā) nennt.[16] In seinem Werk Maqālāt al-islāmīyīn fasst er die ʿAqīda („Glaubensbekenntnis, theologische Lehre“) dieser Gruppe, mit der er sich selbst identifizierte, folgendermaßen zusammen:

  • Sie bekennen sich zu Allah, seinen Engeln, seinen (heiligen) Schriften, seinen Propheten, dem was von Allah (als Offenbarung) gekommen ist und dem, was zuverlässige (Gewährsmänner) vom Propheten überliefert haben …
  • Sie bekennen, dass Allah ein einziger, ewiger Gott ist … dass Muhammad sein Diener und Prophet ist, dass das Paradies Wahrheit ist und die Hölle Wahrheit ist …
  • Sie behaupten, dass es auf der Erde nichts Gutes und nichts Schlechtes gibt außer was Allah will, und dass die Dinge nach dem Willen Allah geschehen …
  • Sie bekennen ferner, dass es keinen Schöpfer außer Allah gibt, dass Allah die schlechten Taten der Menschen schafft, dass Allah die Handlungen der Menschen schafft und dass die Menschen nicht vermögen, irgendetwas zu schaffen …
  • Sie behaupten, dass der Koran das Wort Allahs und unerschaffen ist …
  • Sie behaupten, dass Allah am jüngsten Tage mit den Augen gesehen wird …
  • Sie bekennen sich zur Fürsprache (šafāʿa) des Gottesgesandten sowie dazu, dass sie sich auf diejenigen aus seiner Umma erstreckt, die schwere Sünden (kabāʾir) begangen haben […]
  • Sie bekennen ferner, dass der Glaube aus Wort und Tat besteht und zunehmen und abnehmen kann und sie behaupten weder, dass er geschaffen noch dass er unerschaffen ist […]
  • Sie stellen Abū Bakr voran, dann ʿUmar, dann ʿUthmān, dann ʿAlī und bekennen, dass sie die rechtegeleiteten Kalifen und die vorzüglichsten aller Menschen nach dem Propheten sind […]
  • Sie meinen, dass man am Fest, am Freitag und in Gemeinschaft hinter jedem Imam beten dürfe, sei er fromm oder sündhaft […],
  • Sie anerkennen die Verpflichtung zum Dschihad gegen die Ungläubigen, seit Allah seinen Propheten sandte bis zur letzten Schar, die gegen den Daddschāl kämpft, und (noch) weiter …[17]

Die hier zusammengefassten Lehren weisen große Gemeinsamkeiten mit dem Glaubensbekenntnis von Ahmad ibn Hanbal auf, dargestellt in seiner ʿAqīda.[18]

Weitere Lehren

Nach Ibn Fūrak vertrat al-Aschʿarī auch die Lehre, dass das Imamat auf die Quraisch beschränkt sei.[19] Außerdem geht die Lehre von der Kasb (Aneignung) auf ihn zurück.

Die aschʿaritische Schule

Al-Aschʿarī wurde nach seinem Tod zum Eponym einer theologischen Schule. Die bekanntesten Anhänger waren al-Bāqillānī, Imām al-Haramain al-Dschuwainī (1028–1085) und Al-Ghazali. Von Sunniten wird er bis in die Gegenwart vor allem wegen seiner Position gegen die Muʿtazila und die Schiiten geschätzt.

Literatur

Arabische Quellen
  • Ibn Ḫallikān: Wafayāt al-aʿyān wa-anbāʾ abnāʾ az-zamān. Engl. Übers. William Mac Guckin de Slane. Paris 1843. Bd. II, S. 227f. Digitalisat
  • Ibn Fūrak: Muǧarrad Maqālāt aš-šaiḫ Abī l-Ḥasan al-Ašʿarī. Ed. Daniel Gimaret. Dār al-Mašriq, Beirut, 1987.
Sekundärliteratur
  • Michel Allard: „En quoi consiste l'opposition faite l'opposition faite à al-Ashʿarī par ses contemporains ḥanbalites?“ in Revue des Études Islamiques 28 (1960) 93–105.
  • Michel Allard: “Un pamphlet contre al-Ašʿarī” in Bulletin d'études Orientales 23 (1970) 129–165.
  • R. M. Frank: Art. "Ash'ari, Al-" in Routledge Encyclopedia of Philosophy. Online-Version
  • Richard J. McCarthy: The Theology of al-Ash'ari. Beirut: Imprimerie Catholique 1953.
  • Joseph Schacht: Der Islām mit Ausschluss des Qur'āns. Mohr/Siebeck, Tübingen 1931, S. 54–61. Digitalisat
  • Fuat Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums. Brill, Leiden 1967, Band 1, S. 602–604.
  • Wilhelm Spitta: Zur Geschichte Abu'l-Ḥasan al-Aśʿarî's. Hinrichs, Leipzig, 1876. Digitalisat Menadoc
  • Arthur Stanley Tritton: Muslim Theology. London 1947, S. 166–174
  • William Montgomery Watt: Free Will and Predestination in Early Islam. London 1948, S. 135–150
  • William Montgomery Watt: The Formative Period of Islamic Thought.Edinburgh University Press, Edinburgh / Aldine, Chicago 1973, S. 246–247; 302–312
  • William Montgomery Watt: Art: "al-As̲h̲ʿarī, Abu ’l-Ḥasan" in The Encyclopaedia of Islam. New Edition Bd. I, S. 694–695a.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Allard: “Un pamphlet contre al-Ašʿarī”. 1970, S. 150f.
  2. W. Montgomery Watt (1973), S. 304 und Anm. 112
  3. R. J. McCarthy (1953), S. 227; W. Montgomery Watt (1973), S. 310.
  4. Vgl. McCarthy 211-231.
  5. Vgl. McCarthy 5-116.
  6. Vgl. McCarthy 9.
  7. Vgl. McCarthy 11.
  8. Vgl. McCarthy 80.
  9. Vgl. McCarthy 103-105.
  10. Vgl. McCarthy 107-111.
  11. Vgl. McCarthy 112-116.
  12. Vgl. dazu Josef van Ess: Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert Hidschra. Eine Geschichte des religiösen Denkens im frühen Islam. Band IV. Berlin-New York 1997, S. 120.
  13. Abu-l-Ḥasan ʿAlī Ibn-Ismāʾīl al-Ašʿarī: Kitāb Maqālāt al-islāmīyīn wa-ḫtilāf al-muṣallīn. Ed. Hellmut Ritter. Istānbūl: Maṭbaʿat ad-daula 1929–1933. Online (Bibliotheca Islamica I.).
  14. Vgl. McCarthy 232.
  15. Vgl. George Makdisi: "Ashʿarī and Ashʿarites in Islamic religious history II" in Studia Islamica 18 (1963) 19-39. Hier S. 23.
  16. W. Montgomery Watt (1973), S. 311
  17. Vgl. al-Ašʿarī: Kitāb Maqālāt al-islāmīyīn. 1929-1931, S. 290–295 und die Übersetzung bei Schacht: Der Islam. 1931, S. 56–60
  18. Henri Laoust: La profession de foi d’ibn Baṭṭa. Damaskus 1958. § XV.W. Montgomery Watt (1973), S. 292–294. Siehe auch: J. Schacht (1931), S. 36–39
  19. Vgl. Ibn Fūrak: Muǧarrad 1987, S. 184.

Weblinks