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Hilfe für das verlassene KIND e.V. ist ein anerkannter freier Träger der Jugendhilfe und Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband, Landesverband Hessen. Der Verein wurde 1967 in Eschborn im Taunus gegründet. 1972 wurde das ehemalige Hotel Haus am Kirschberg in Lauterbach (Vogelsberg) erworben und umgebaut. Aus dem zunächst reinen Mutter-Kind-Haus entwickelte sich eine differenzierte Jugendhilfe-Einrichtung, deren Klienten aus dem gesamten Bundesgebiet kommen. Der Verein ist nach § 52 Abs. 2 AO als gemeinnützig und mildtätig anerkannt.
Geschichte und Hintergrund
Bei der Gründung des Vereins im Jahr 1967 ging es zunächst um die Stabilisierung eines zuvor privat betriebenen Kinderheimes. Dabei existierte bereits die Idee für eine neue soziale Einrichtung, die jungen alleinerziehenden Müttern einen Weg aus Not und Abhängigkeit ermöglichen sollte. Diese Idee basierte auf Erfahrungen, die das Ehepaar Sigrid und Werner Krauss, zwei Gründungsmitglieder, in den 1950er Jahren in Kinderheimen gemacht hatten. Sie hatten erlebt, dass die meisten Heimkinder von alleinerziehenden Müttern kamen, die mit ihrer Situation überfordert waren. Sie hatten häufig so viel Not, Entbehrung und Missstände erlebt, dass sie nicht in der Lage waren, ihr Kind selbst zu versorgen, zu erziehen und mit ihm eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Die Kinder wurden oftmals in Heimen untergebracht. Trotz aller Bemühungen gelang es nicht immer, die zuvor eingetretenen psychosozialen Auffälligkeiten und Benachteiligungen abzubauen. Folglich konnten sie später ihren eigenen Kindern wiederum nicht geben, was diese für ihre gesunde Entwicklung benötigten – ein Teufelskreis von Not und Ausgrenzung über Generationen hinweg.[1]
Auch im Zuge der in den 1970er Jahren angestoßenen Reformen der Heimerziehung entstand ein Konzept für ein Mutter-Kind-Haus, in dem Frauen Schutz, Sicherheit, Betreuung und Förderung erfahren sollten und somit geeignete Rahmenbedingungen fanden, ihr Kind zu pflegen, zu erziehen und mit ihm eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Der jungen Mutter zu helfen, konnte auch dem Kind helfen, indem eine Trennung beider vermieden wurde und der beschriebene Teufelskreis durchbrochen werden konnte.
1972 wurden die Pläne realisiert. In den Jahren zuvor waren so viele Spenden gesammelt worden, dass in Lauterbach im Vogelsbergkreis das Hotel „Haus am Kirschberg“ übernommen werden und zu einer Mutter-Kind-Einrichtung, einer der ersten ihrer Art in Deutschland, umgebaut werden konnte. Da es zum Konzept gehörte, den jungen Müttern eine Ausbildung zu ermöglichen und kaum Ausbildungsplätze zu finden waren, entstand 1974 die Integrations-Therapeutische Arbeits- und Ausbildungsstätte. Im Laufe der Jahre wurden darin Ausbildungen in den Bereichen Druck, Textil, Verwaltung, Hauswirtschaft und Gärtnerei angeboten. Das Haus am Kirschberg zählt zu den führenden Einrichtungen für Mutter und Kind in Deutschland und hat auch die Forschung in diesem Bereich beeinflusst und angeregt.[2]
Ab 1979 wurden auch Mädchen und junge Frauen ohne Kind betreut. Aus den Erfahrungen der Mädchenarbeit entstand die Pädagogisch-Therapeutische Intensivgruppe als Angebot für Mädchen mit seelischer Behinderung im Sinne des § 35a SGB VIII. 1983 wurden die ersten vollbetreuten Außenwohnungen in Lauterbach eröffnet. Weitere Stationen auf dem Weg des Vereins zu seiner heutigen Größe und Vielfalt waren 1988 der Start des Nachbetreuungsbereichs und 1993 der Umzug der Pädagogisch-Therapeutischen Intensivgruppe in ein eigenes Gebäude. In diesen Jahren kamen weitere Außenstellen hinzu; 1996 wurde außerdem mit zwei weiteren Trägern die Beratungsstelle B:24, ein Angebot für junge Menschen im Übergang Schule–Beruf, vor der Schließung gerettet und mit neuem Konzept wiedereröffnet. Das Haus am Kirschberg wurde in seiner Ausrichtung auf benachteiligte junge Menschen zu einem der größten Ausbildungsbetriebe im Vogelsbergkreis. Erste teilstationäre Angebote entstanden 2001 mit der Gründung der Tagesgruppe in Alsfeld und 2004 in Schlitz und Lauterbach. Dort wurde 2009 eine zweite Tagesgruppe eröffnet. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt in jenem Jahr war die Erweiterung der psychotherapeutischen Versorgung der Pädagogisch-Therapeutischen Intensivgruppe unter Einbezug und Weiterentwicklung von Verfahrensformen der Dialektisch-Behavioralen Therapie.[3]
Selbstverständnis
Der Verein bekennt sich zu den Grundsätzen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Dazu zählen insbesondere die „Prinzipien der Toleranz, Offenheit und Vielfalt. […] Der Paritätische ist der Idee sozialer Gerechtigkeit verpflichtet, verstanden als das Recht eines jeden Menschen auf gleiche Chancen zur Verwirklichung seines Lebens in Würde und der Entfaltung seiner Persönlichkeit.“[4] Deshalb ist ein Grundsatz der erzieherischen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, sie nach ihren individuellen Fähigkeiten zu fördern und zu unterstützen. Das Ziel ist die Integration in die Gesellschaft und die Befähigung, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu führen. Die Arbeit orientiert sich immer an der gesamten Persönlichkeit – ressourcenorientiert und nicht nur an einzelnen Defiziten.
Projekte
Das Haus am Kirschberg ist eine dezentralisierte Jugendhilfeeinrichtung und bietet Betreuung und Förderung im Rahmen stationärer, teilstationärer und ambulanter Bereiche an. Das Angebot richtet sich bundesweit an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die auch häufig über Jugendämter, Kliniken und andere Institutionen vermittelt werden.[5]
Mutter-Kind-Bereich
Hier werden schwangere und alleinerziehende Mütter ab 13 Jahren betreut, die sich für ein Zusammenleben mit ihrem Kind entschieden haben und Hilfestellung bei der Pflege und Erziehung ihres Kindes benötigen. Ziele der Betreuung sind u. a. die Auseinandersetzung mit der Schwangerschaft und der zukünftigen Mutterrolle, Aufbau einer tragfähigen Beziehung zwischen Mutter und Kind, aber auch die schulische und berufliche Qualifizierung. Eine besondere Bedeutung kommt dem Schutz und der Entwicklungsförderung der Kinder zu. Das Selbständigkeitstraining umfasst vielfältige Lernangebote und gestaffelte Wohnformen. Die angegliederte Kinderkrippe nimmt intensive elementarpädagogische Aufgaben wahr.
Mädchengruppe
In dieser Gruppe werden Hilfen nach § 34, § 35a und § 41 SGB VIII geleistet. Sie nimmt Mädchen und junge Frauen ab 13 Jahren mit Entwicklungsstörungen wie z. B. beginnender Dissozialität und belastenden Lebenserfahrungen auf. Die Folgen sexueller Gewalterfahrung werden unter Einbezug externer Fachkräfte behandelt. Zur Zielgruppe gehören auch Mädchen und junge Frauen aus dem islamischen Kulturkreis, die ihre Familien verlassen mussten, um Freiheitseinschränkungen, Gewalt, Zwangsverheiratung und Ähnlichem zu entgehen. Der begleitenden schulischen Förderung kommt ebenfalls eine besondere Bedeutung zu.
Pädagogisch-Therapeutische Intensivgruppe
Gerade nach einer abgeschlossenen klinischen kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung ist eine Anschlussunterbringung unter fachärztlicher Begleitung wichtig. Die Pädagogisch-Therapeutische Intensivgruppe nimmt zudem Mädchen und junge Frauen auf, die wegen einer besonderen Problematik eine intensive pädagogische und therapeutische Betreuung benötigen. Diese können sein: Essstörungen, Angst- und Zwangssyndrome, Folgen sexueller Gewalt, Depressionen, Suizidalität und selbstverletzendes Verhalten sowie weitere Störungen. Formen intensiver sozialpädagogischer, psychotherapeutischer und ärztlicher Betreuung greifen hier ineinander.
Betreutes Wohnen
In diesen Bereich werden Mädchen und junge Frauen aus stationären Betreuungsgruppen im Rahmen einer abschließenden Phase der Jugendhilfemaßnahme über kürzere Zeiträume betreut. Das Angebot richtet sich auch an Jugendliche und junge Erwachsene aus der Region als begleitende Maßnahme im Anschluss an Heimerziehung oder Vollzeitpflege. Ziele sind hier besonders die Festigung erworbener Kompetenzen im persönlichen Umfeld, die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und die Stabilisierung lebenspraktischer Kompetenzen für das Leben in der eigenen Wohnung.
Tagesgruppen
In Zusammenarbeit mit Schulen und Jugendamt werden Kinder und Jugendliche im Schulalter mit emotionalen und sozialen Störungen, Entwicklungsverzögerungen und Lernschwierigkeiten tagsüber intensiv sozialpädagogisch betreut und gefördert. Ziele sind zugleich die Unterstützung und Entlastung der Herkunftsfamilie, die Stärkung der Erziehungsfähigkeit der Eltern und letztlich der Verbleib der Kinder in der Familie. Schulische Förderung, soziales Lernen und Elternarbeit sind die Eckpunkte des Konzeptes.
Ambulante Betreuung
Das ambulante Betreuungsteam besucht vor allem junge Familien mit Säuglingen und Kleinkindern im regionalen Umfeld. Auf Grund multipler psychosozialer Problemlagen benötigen die Familien Hilfen bei der Betreuung ihrer Kinder und der Regelung und Stabilisierung des familiären Alltags. Es geht vor allem um die Erhaltung oder Wiederherstellung der elterlichen Erziehungsfähigkeit, die gesunde Entwicklung der Kinder und die Sicherung des Kindeswohls.
Hilfen für Kinder in Krisen
Dieses Angebot hilft Säuglingen und Kleinkindern, die wegen akuter Kindswohlgefährdung durch das Jugendamt aus dem häuslichen Umfeld heraus in Obhut genommen werden und einer vorübergehenden Betreuung, Unterbringung und Situationsklärung bedürfen. Dabei muss auch der Gesundheitszustand der Betroffenen abgeklärt und ggf. medizinische Behandlung gesichert werden. Eine altersgemäße Pflege und Versorgung der Kleinsten wird gewährleistet. Ziel ist entweder die Rückkehr in die Familie oder die Vermittlung in eine auf Dauer angelegte Betreuungsform. Dies geschieht immer in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Jugendamt.
Berufsausbildung
Junge Menschen, die im Haus am Kirschberg leben oder aus der Region stammen und über keine oder nur schwache Schulabschlüsse verfügen, haben die Chance, in einem besonders intensiven Setting staatlich anerkannte Ausbildungen in mehreren Berufsfeldern zu absolvieren. Ebenfalls einbezogen werden junge Menschen, denen es nicht möglich ist, aufgrund ihrer psychosozialen Belastung, Sprachschwierigkeiten und Lernbeeinträchtigungen eine berufliche Ausbildung in einem Unternehmen zu absolvieren. Ende der 1990er-Jahre wurde der Verein zu einem der größten Ausbildungsträger in der Region.
Aufgrund von Streichungen seitens der öffentlichen Hand (Stand Sommer 2013) hat sich die Situation massiv verschlechtert. Dabei sind auch die erfolgreichen Ausbildungskooperationen mit regionalen Wirtschaftsbetrieben zum Erliegen gekommen. Dabei ist es gerade für diese Menschen wichtig, mit einer erfolgreich abgeschlossenen anerkannten Berufsausbildung eine eigenständige Lebensführung zu erreichen. Nur so kann letztlich dauerhaft für den eigenen Lebensunterhalt gesorgt werden. Weiterhin ausgebildet wird in den Bereichen Verwaltung und Hauswirtschaft.
B:24 – Beratungszentrum Jugend und Beruf
Menschen zwischen 15 und 27 Jahren, die wegen ihrer persönlichen Situation besondere Unterstützung beim Übergang von der Schule in den Beruf benötigen oder Schwierigkeiten bei ihrer beruflichen Integration haben, werden in der B:24 informiert, motiviert, begleitet und gefördert. Dies geschieht individuell und systematisch anhand von Trainings, Einzelberatung und Vermittlung von Ausbildungsplätzen und gegebenenfalls einer anschließenden Betreuung der Auszubildenden im Betrieb. Seit 2012 ist das Beratungszentrum in der schulbezogenen Jugendsozialarbeit an zwei Standorten im Vogelsbergkreis tätig.
Vernetzung
Das Leitungsteam des Hauses am Kirschberg vertritt die Einrichtung in Ausschüssen und Arbeitsgemeinschaften auf regionaler und überregionaler Ebene, die es zum Teil selbst initiiert, aufgebaut und organisiert hat. Auch die Landesarbeitsgemeinschaft der hessischen Vater-Mutter-Kind-Einrichtungen wurde im Haus am Kirschberg gegründet und hat hessenweite Wirkungen erzielt.[6]
Finanzierung
Die Arbeit des Vereins und des Hauses am Kirschberg finanziert sich neben Leistungsentgelten für öffentliche Auftraggeber zum erheblichen Teil aus Spenden. Seit 1995 wird mit dem jährlich geprüften Erwerb des DZI Spenden-Siegels nachgewiesen, dass „die Spendengelder zweckgerichtet, sparsam und wirtschaftlich“ verwendet werden. „Eine Organisation, die das DZI Spenden-Siegel erhalten möchte, unterwirft sich freiwillig einer strengen Prüfung nach wirtschaftlichen, rechtlichen und ethischen Kriterien.“[7]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Kester, Bodo: Beständigkeit und Veränderung, in: Festschrift 25 Jahre Haus am Kirschberg, Lauterbach 1997
- ↑ Kester, Bodo: Heime für Mutter und Kind in der Bundesrepublik Deutschland. Empirische Befunde und theoretische Aspekte zur Situation und Entwicklung stationärer Hilfen für alleinstehende Mütter und deren Kinder, Lauterbach 1979
- ↑ Dietz, Kornelia: DBT-A – ein Angebot im Alltag einer stationären Jugendhilfeeinrichtung, in: Evangelische Jugendhilfe, (89)2012, Heft 3, S. 176 ff.
- ↑ http://www.der-paritaetische.de/verband/wir-ueber-uns/grundsaetze/ abgerufen am 12. Juni 2013.
- ↑ Broschüre „Hilfen zur Erziehung“, hrsg. vom Verein Hilfe für das verlassene KIND e.V., 2013
- ↑ vgl. Gerhild Hoos-Jacob und Bodo Kester, Weiterbildung. Die Fachtagungsreihe „Hilfen für Mütter mit psychischen Störungen“, in: Fritz Mattejat und Beate Lisofski (Hrsg.), …nicht von schlechten Eltern. Kinder psychisch Kranker, Bonn 1998, S. 161 – 166 Für den regionalen Bezug vgl. Bodo Kester, Innovation in der Zusammenarbeit pädagogischer Einrichtungen: der Trägerverbund, in: Susanne Maria Weber (Hrsg.), Netzwerkentwicklung in der Jugendberufshilfe: Erfahrungen mit institutioneller Vernetzung im ländlichen Raum, Opladen 2001, S. 133 - 143, sowie: Gerhild Hoos-Jacob, Interdisziplinäre Fallberatung IkoFa – Kooperationsverbund Jugendhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Jugend- und Drogenberatung sowie Schule im Vogelsbergkreis, in: Peter Weiß und Reinhard Peukert (Hrsg.), Seelische Gesundheit und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen braucht Hilfe!, Aktion Psychisch Kranke Bonn 2011, S. 133 ff
- ↑ http://www.dzi.de/spenderberatung/das-spenden-siegel/so-wird-das-spenden-siegel-vergeben/ abgerufen am 12. Juni 2013.
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