Benutzer:-wuppertaler/Online City Wuppertal
Die Online City Wuppertal (kurz OCW) ist ein Projekt, das den stationären mit dem virtuellen Handel verbindet, um die Wettbewerbsfähigkeit lokaler Wuppertaler Einzelhändler gegenüber Internetunternehmen zu sichern und zu stärken. Das OCW ist ein Pilotprojekt der Initiative Nationale Stadtentwicklungspolitik und wird gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit;[1] es startete im November 2014, bis Oktober 2016 schlossen sich bereits fast 60 Händler und Unternehmen an.[2]
Als neuartige Idee, Käufer stärker an den lokalen Einzelhandel zu binden, erhält das Projekt bundesweit positive Resonanz überregionaler und nationaler Medien und wird in anderen Städten bereits nachgeahmt oder vorbereitet.
Geschichte
Die Idee zur OCW entstand nach einem Vortrag durch den Innovationsberater Andreas Haderlein, der im Juni 2013 auf Einladung des Rheinischen Einzelhandels- und Dienstleistungsverbands (REHDV) einen Vortrag zur Zukunft des stationären Handels gehalten hat. So wurde gemeinsam mit Haderlein ein Projektantrag auf einen Förderaufruf der Initiative Nationale Stadtentwicklungspolitik formuliert. Nach der Bewilligung im November 2013 startete die Vorbereitung des Projektes. Knapp ein Jahr später erfolgte der Start des Projektes mit etwa 25 teilnehmenden Einzelhändlern, bis Oktober 2016 stieg deren Anzahl auf fast 60. Phasenweise war mit dem Buchhandel Thalia auch ein überregional vertretener Händler Mitglied der OCW.[3] Seit Juni wurde das Talkontor in der Rathaus-Galerie Wuppertal vorbereitet und eröffnete im September. Bis dahin wurden bereits 8000 Produkte und Artikel online angeboten.[4]
Um dem bundesweiten Interesse an dem Konzept nachzukommen, fand im November 2015 der erste deutsche Local Commerce-Kongress statt. Das Grußwort hielt NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin, neben Fachvorträgen wurden Erfahrungsberichte sowie eine Messe beteiligter Einzelhändler abgehalten. Die Veranstalter zählten etwa 130 Besucher.[5]
Konzept
Die Idee des Projektes ist es, stationären Einzelhandel mit den Vorteilen des Internetangebotes zu verbinden. Dabei richtet sich das Projekt zum Einen an lokale Einzelhändler, die ihr Angebot auf den Onlinehandel ausweiten möchten, zum Anderen aber auch an Onlinehändler, die über lokale Niederlassungen verfügen oder sie errichten möchten. Für das Online-Angebot wird die Plattform des Internetshopping-Betreibers atalanda genutzt, der das Online-Einkaufsportal mit eigenen lokalen Logistikleistungen verknüpft. Als Gegenleistung behält der Betreiber bei 8 % vom Nettowarenwert abgesetzter Waren ein.
Das Angebot der OCW geht dabei über eine reine Online-Plattform hinaus. Es wird ein innerstädtischer Ort mit zusammenhängenden Shopstationen geschaffen, an dem sich die potenziellen Kunden über online angebotene Artikel informieren und diese testen können. Als zentrale Versand- und Rückgabestelle ist außerdem eine Servicestation integriert, die Lieferungen noch am Tag der Bestellung garantiert. Zusätzlich werden Schulungen für den Einzelhandel angeboten, um Online-Kompetenzen auf- und auszubauen.
Das Projekt verfügt über ein Gesamtbudget von 115.000 Euro über drei Jahre, wovon 50 % durch Bundesmittel sowie 50 % durch die Projektpartner Wirtschaftsförderung Wuppertal, Jobcenter Wuppertal, Stadtsparkasse Wuppertal, Credit- und Volksbank, Interessengemeinschaft Wuppertal 1 und den Rheinischen Einzelhandels- und Dienstleistungsverband (REHDV) getragen werden.
Die OCW wird als neuartiger Weg angesehen, die Bindung der Käufer an den lokalen Einzelhandel mit den Vorteilen des Internethandels zu verknüpfen.
Drei Säulen
Das Konzept besteht dabei aus drei festgelegten Säulen:[6]
- Infrastruktur für Multichannel-Services
- Ein zentraler Online-Shop für lokale Einzelhändler
- Aufbau eines lokalen Kuriernetzwerkes für taggleiche Lieferungen
- Zentrale Service- und Abholstation
- Marketing und Öffentlichkeitsarbeit
- Händlerschulungen
- Angebot von Seminaren und Workshops in Wuppertal
- Durchführung von Online-Veranstaltungen
- Angebot wöchentlicher Beratungen
- Zertifizierung teilnehmender Händler
- Retail Lab / Talkontor
- Innenstädtischer Ort als Versuchslabor für neue Multichannel-Verkaufskonzepte
- Ladenflächen/Showroom für Onlinehändler mit oder ohne stationäre Filialen
- Zentrale Servicestelle für Handel und Kunden in Wuppertal
Retail Lab / Talkontor
Seit September 2015 betreibt die OCW die Verkaufsfläche Talkontor (auch Retail Lab, englisch für Versuchslabor) in der Rathaus-Galerie Wuppertal. Die beiden Kernfunktionen sind eine zentrale Servicestelle der OCW sowie ein Versuchslabor für innovative stationäre Verkaufskonzepte. Händer haben dort die Möglichkeit, zeitlich befristet Shop-in-shop-Flächen mit Showroom, Guide-Shop (z. B. durch Stilberatung) und QR-Shop auszutesten;[7] dies richtet sich sowohl an Multichannel-Händler mit bereits mindestens einer stationären Verkaufsfläche als auch an reine Onlinehändler, die eine stationäre Verkaufsfläche in Wuppertal in Erwägung ziehen. Es stehen derzeit 200 Quadratmeter zur Verfügung, bei Erfolg soll diese Fläche mittelfristig stark erweitert werden; hierzu wurden leerstehende Flächen des Einkaufszentrums genutzt und die Etablierung einer Ankermarktes in der Rathaus-Galerie forciert. Neben der reinen Test- und Verkaufsfläche gibt es auch eine zentrale Servicestelle, an die sich Kunden zwecks Fragen oder Bestellungen wenden können, sowie an der Außenseite mit Anbindung an eine Parkhauseinfahrt ein Lager mit Drive-in-Schalter zur Abholung online bestellter Waren durch Kunden oder Kuriere.[7]
Förderverein
Mit dem Ziel der nachhaltigen und umsatzorientierten Weiterführung des Projektgedankens wurde im April 2016 der Verein talMARKT – Online City Wuppertal e.V. gegründet. Die operativen Aufgaben des Projektmanagements sollen demnach schrittweise an den Verein übertragen und dort über den Vorstand abgeleistet werden.
Resonanz
Der Erfolg und Wachstum des Projektes sorgte vor allem seit Anfang 2015 für steigende bundesweite Resonanz. Hermes bezeichnet Wuppertal als „Vorreiter und Vorbild für fast hundert Städte“.[8] Laut Projektmanagerin Christiane ten Eicken hätten sich bis Juni 2015 bereits über 90 Städte gemeldet, um das Konzept zu erlernen und mehr über das Projekt zu erfahren;[9] bis Ende Juli waren es bereits 130.[2] Die Welt nennt Wuppertal einen „Innovationsmotor“ und ein „Laboratorium des Handels“, auf das Handelsexperten aus der ganzen Republik schauen.[10] Internetworld lobt die OCW als „Deutschlands Vorzeigeprojekt in Sachen Local Commerce“.[11] Die Neue Zürcher Zeitung bezeichnet die OCW als „Modellprojekt“,[2] die Wirtschaftsmagazine Der Handel und Handelsblatt als „Vorreiter und „Pionier der Bewegung kleiner Händler gegen Internetriesen.[12][13]
Im Pressespiegel der Homepage der OCW waren im Oktober 2016 bereits über 210 Presseartikel verschiedener Medien seit Gründung des Projektes eingetragen.
Lokale Auswirkungen
Lokale Einzelhändler, die viele der eigenen Produkte bereits online präsentieren oder zum Kauf anbieten, melden in den ersten Monaten des Projektes einen Anstieg der Kunden und Käufer in ihren Geschäften.[4] Außerdem seien die Umsätze seit Projektbeginn zum Teil um bis zu 20 % gestiegen.[14] Händler, die laut Haderlein noch zu Beginn des Projektes „Internet-Verweigerer“ waren, würden nun bei einer Schlagwortsuche bereits unter den ersten Ergebnissen im Google-Index landen.[4]
Folgeprojekte
Bereits Ende Juni kündigte der Betreiber atalanda an, das Konzept der Online City auch in weiteren Städten zu realisieren. Als erste Städte mit Projektstart im Herbst 2015 gab das Unternehmen Attendorn, Göppingen und Wolfenbüttel bekannt,[15] es folgten Dortmund, Heilbronn und Bern. Über 130 Kommunen zeigten bereits Interesse an dem Projekt,[2] laut atalanda-Geschäftsführer Roman Heimbold „wird jetzt eine Stadt nach der anderen kommen“.[16]
Analyse
Vorteile
Lars Hofacker vom EHI Retail Institute sieht in dem Projekt einen „Strohhalm, nach dem [kleine Händler] greifen können, [...] um online wahrgenommen zu werden und mehr Kunden in ihre Läden zu locken“. Außerdem sei der Preisdruck bei einer regionalen Plattform geringer als einem großen Marktplatz.[12] Ein gemeinsames Netzwerk könne Händler gezielt weiterbilden bei der Präsentation ihrer Produkte sowie der Nutzung von Plattformen wie Facebook und Google, die vor allem für kleinere lokale Händler oftmals eine Hürde darstellt, und helfe den Händlern beim Angebot taggleicher Lieferungen sowie betriebswirtschaftlichen Standards.[2] Darüber hinaus hätten Konsumenten die Möglichkeit, sich Waren online anzusehen und vor Ort zu testen und zu erwerben.[8] So berichten einzelne Händler, durch die OCW seien auch Kunden aus anderen Stadtteilen erstmals auf lokale Händler aufmerksam geworden.[10]
Nachteile
Trotz der positiven Resonanz sowie des Wachstum zeigt das Projekt auch Nachteile auf. Bis August 2015 waren etwa 8000 Artikel eingetragen, während Konkurrenten wie Amazon über 200 Millionen Artikel führen.[16] Laut Gerrit Heinemann ist es eben jene Sortimentsgröße, die Konsumenten langfristig binde.[17] Zudem könnten die lokalen Händler trotz des Netzwerks nicht mit den Preisen großer Anbieter mithalten.[12] Heimbold räumte bereits ein, lokaler E-Commerce funktioniere anders als erwartet.[16]
Weiterentwicklung
Aus der Betrachtung, die sich aus den Vor- und Nachteilen ergibt, soll das Projekt fortlaufend weiterentwickelt werden. So zeigte sich, dass ohne Großhändler ein hoher zeitlicher Aufwand für die Mitglieder entsteht, vergleichbar mit der Eröffnung einer zweiten Filiale. Darüber hinaus verhalten sich unerfahrene oder rein stationäre Händler zumeist zurückhaltender. Der Talkontor, der als Multichannel-Option zwischen stationärem und virtuellem Handel gedacht ist, wurde als solcher noch nicht aufgenommen.
Auszeichnungen
- 2015: Europäischer Innovationspreis des German Council of Shopping Centers in der Kategorie „Handel“[18]
- 2015: Digital Transformation Award in der Kategorie „Impuls“[19]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Projekte: Online City Wuppertal, Homepage der Initiative Nationale Stadtentwicklungspolitik, abgerufen am 25. Juni 2015
- ↑ a b c d e Eine Stadt hilft dem Detailhandel in: Neue Zürcher Zeitung vom 28. Juli 2015
- ↑ Thalia Buchhandlung ist neues Mitglied der Online City Wuppertal, Homepage der OCW vom 1. April 2015, abgerufen am 30. Juni 2015
- ↑ a b c Den Dämon Internet selbst gut nutzen, in: Morgenweb vom 7. Juli 2015
- ↑ Local Commerce-Kongress auf der Website des Projektes, abgerufen am 9. Juli 2015
- ↑ Lokal 1a shoppen - offline wie online!, OCW-Flyer, abgerufen am 24. Juni 2015 (PDF)
- ↑ a b Das „Retail Lab“ der Online City Wuppertal, Projektskizze (PDF; 9,2 MB)
- ↑ a b Der Wuppertal-Effekt, Hermes Newsworld, abgerufen am 25. Juni 2015
- ↑ Wie die Stadt Wuppertal sich gegen Amazon stemmt, in: Stern vom 14. Juni 2015, abgerufen am 25. Juni 2015
- ↑ a b Einzelhändler wollen den Einkauf revolutionieren, in: Die Welt vom 23. Mai 2015, abgerufen am 25. Juni 2015
- ↑ Händler loben Online-City-Wuppertal, in: Internetworld am 28. Januar 2015, abgerufen am 25. Juni 2015
- ↑ a b c Der Internethändler von nebenan, in: Der Handel vom 30. Juli 2015
- ↑ City-Händler wagen die Flucht nach vorn, in: Handelsblatt vom 11. August 2015
- ↑ Wuppertaler kämpfen gegen Online-Riesen, Video bei Sat.1 vom 2. Juli 2015
- ↑ Online City Wuppertal erhält Ableger in Attendorn, Göppingen und Wolfenbüttel, in: iBusiness vom 25. Juni 2015
- ↑ a b c Der Internethändler von nebenan: Ein erfolgreiches Geschäftsmodell?, in: Aachener Zeitung vom 30. Juli 2015
- ↑ Lokale Internet-Marktplätze Video in der ZDFmediathek vom 3. August 2015
- ↑ Innovationspreis für die "Online City", in: Wuppertaler Rundschau am 25. Dezember 2014, abgerufen am 25. Juni 2015
- ↑ Online-City: Auszeichnung, in: Wuppertaler Rundschau vom 8. Oktober 2015