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Die Wahlen im Kanton Zürich 2023 finden voraussichtlich am 12. Februar 2023 statt. Dabei werden die 180 Mandate des Kantonsrats und die sieben Mitglieder des Regierungsrats neu gewählt. Ein allfälliger zweiter Wahlgang für die Regierungsratswahl findet am 16. April 2023 statt.

Wahlverfahren

Kantonsrat

Der Kantonsrat (Legislative) umfasst 180 Sitze, die alle vier Jahre neu gewählt werden. Dabei kommt in den 18 Wahlkreisen das Verhältniswahlrecht zur Anwendung. Durch das doppeltproportianale Zuteilungsverfahren («doppelter Pukelsheim») werden die Sitze zuerst nach dem gesamtkantonalen Ergebnis an die Listen verteilt (Oberzuteilung) und die erzielten Sitze dann auf die Wahlkreise verteilt (Unterzuteilung). Für die Teilnahme an der Sitzverteilung muss eine Partei in mindestens einem Wahlkreis die Fünf-Prozent-Hürde erreichen, oder drei Prozent kantonsweit.

In jedem Wahlkreis dürfen die Wahlvorschläge (Listen) maximal so viele Kandidaten umfassen, wie Sitze zu vergeben sind. Jeder Kandidat darf höchstens zweimal auf einer Liste aufgeführt sein. Dabei kann jeder Wähler ebenfalls so viele Kandidaten wählen, wie Sitze zu vergeben sind und durch Panaschieren und Kumulieren einem Kandidaten höchstens zwei Stimmen geben. Jede Stimme für einen Kandidaten zählt zunächst als Parteistimme für die Sitzzuteilung auf die Parteien und danach als Stimme für den Kandidaten bei der Verteilung der Sitze auf die Parteikandidaten. Jeder Wahlvorschlag muss von mindestens 30 Wahlberechtigten unterzeichnet werden.

Listen, die aus unterschiedlichen Wahlkreisen stammen und denselben Namen tragen, werden als Listengruppe behandelt, deren Gesamtergebnis für die Oberzuteilung herangezogen wird. Listenverbindungen sind ausgeschlossen.[1]

Wahlkreis-
nummer
Wahlkreisname Anzahl Vertreter
(Veränderung)
I Zürich, Stadtkreise 1 und 2 05
II Zürich, Stadtkreise 3 und 9 12
III Zürich, Stadtkreise 4 und 5 05
IV Zürich, Stadtkreise 6 und 10 08 (−1)
V Zürich, Stadtkreise 7 und 8 06
VI Zürich, Stadtkreise 11 und 12 12
VII Dietikon 11
VIII Affoltern 07 (+1)
IX Horgen 15
X Meilen 12
XI Hinwil 11
XII Uster 16
XIII Pfäffikon 07
XIV Stadt Winterthur 13
XV Winterthur-Land 07
XVI Andelfingen 04
XVII Bülach 18
XVIII Dielsdorf 11

Regierungsrat

Der Regierungsrat (Exekutive) umfasst sieben Sitze, die ebenfalls alle vier Jahre neu gewählt werden. Die Regierungsratswahl findet immer gleichzeitig zur Kantonsratswahl statt.[2] Die Sitze werden nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben.[3] Gewählt sind im ersten Wahlgang diejenigen Kandidaten, die das absolute Mehr (Anzahl Stimmen geteilt durch die doppelte Anzahl der Sitze) erreicht haben. Sollte dies auf mehr Kandidaten zutreffen, als Sitze zu vergeben sind, sind jene sieben Kandidaten mit der höchsten Stimmenzahl gewählt. Werden im ersten Wahlgang nicht alle Sitze besetzt, findet ein zweiter Wahlgang statt, in dem das relative Mehr gilt, die Kandidaten mit der höchsten Stimmenzahl sind also gewählt.[4]

Ausgangslage

Bei den vergangenen Kantonsratswahlen vom 12. April 2015 konnten die beiden grössten Parteien, die SVP und die SP ihre Wähleranteile halten, während die FDP insbesondere auf Kosten der Grünen und der glp stark zulegen konnte. Von den kleineren Parteien konnte vor allem die AL leicht dazugewinnen. Die Wahl wurde damals als Rechtsrutsch interpretiert.[5][6] Die Zürcher Wahlen galten als wichtiger Gradmesser für die nationalen Wahlen im Herbst, bei der es dann tatsächlich auch zum Rechtsrutsch kam.[7][8][9]

Bei den Regierungsratswahlen konnten die bisherigen Regierungsräte Thomas Heiniger (FDP), Mario Fehr (SP), Ernst Stocker und Markus Kägi (beide SVP) ihre Sitze verteidigen während der grüne Regierungsrat Martin Graf seinen Sitz überraschenderweise trotz Erreichen des absoluten Mehrs verlor. Für seine Abwahl galt der Fall «Carlos» als entscheidend.[10] Neu gewählt wurden Silvia Steiner (CVP), Carmen Walker Späh (FDP) und Jacqueline Fehr (SP). Die CVP konnte somit ihren 2011 an die Grünen verlorenen Sitz wiedererlangen.[11]

Regierungsratswahlen vom 12. April 2015[12]
Kandidat Partei Stimmen % des abs. Mehrs Ergebnis
Thomas Heiniger (bisher) FDP 150'557 165,65 % gewählt
Mario Fehr (bisher) SP 146'307 160,98 % gewählt
Ernst Stocker (bisher) SVP 145'205 159,76 % gewählt
Markus Kägi (bisher) SVP 136'563 150,25 % gewählt
Silvia Steiner CVP 118'477 130,35 % gewählt
Carmen Walker Späh FDP 116'058 127,69 % gewählt
Jacqueline Fehr SP 115'618 127,21 % gewählt
Martin Graf Grüne 109'625 120,62 %
Markus Bischoff AL 67'103 73,83 %
Nik Gugger EVP 42'623 46,90 %
Marcel Lenggernhager BDP 42'443 46,70 %
Dani Schafroth parteilos 9'625 10,59 %
Vereinzelte 72'224 79,46 %

Die rechtsbürgerlichen Parteien SVP und FDP hielten neu 85 von 180 Sitzen im Kantonsrat und konnten wahlweise mit der CVP oder mit der BDP und EDU eine Mehrheit vorfinden.[9] Ab der zweiten Hälfte der Legislatur rückte die CVP näher an den bürgerlichen Block und ermöglichte in Wirtschafts-, Finanz- und Verkehrsfragen eine solide Mehrheit.[13][5] Gegenüber der vorherigen Legislaturperiode verloren somit die Mitteparteien glp, EVP und BDP an Einfluss als Mehrheitbeschaffer.[13]

Dennoch hatte die SVP während der Legislaturperiode im Parlament sowie bei Volksabstimmungen nur mässigen Erfolg und musste einige Abstimmungsniederlagen einstecken. Die FDP konnte zumindest im Kantonsrat ihre Vorhaben zu 94,5 % durchbringen. Die parlamentarische Linke konnte kaum eigene Vorhaben durchsetzen und konzentrierte sich auf Verhinderungspolitik, so brachte sie mehrere stark bürgerlich geprägte Gesetze an der Urne zu Fall. Dadurch konnte die bürgerliche Mehrheit hauptsächlich das Budget gestalten und sich sonst nur in weniger wichtigen Fragen durchsetzen. Die SP sprach daher von einer verlorenen Legislatur.[5][14]

Bei den Kommunalwahlen im Jahr 2018 verlor die SVP massiv an Stimmenanteilen, während in den grösseren Städten vor allem die SP zulegen konnte. In der Stadt Zürich verpasste die CVP überraschend den Wiedereinzug in den Gemeinderat.[9]

Kandidaturen

Die bisherigen Regierungsräte Mario Fehr, Jacqueline Fehr (beide SP), Ernst Stocker (SVP), Silvia Steiner (CVP) und Carmen Walker Späh (FDP) traten zur Wiederwahl an, während Thomas Heiniger (FDP) und Markus Kägi (SVP) auf eine erneute Kandidatur verzichteten. Für sie nominierten ihre jeweiligen Parteien Thomas Vogel (FDP, Präsident der Kantonsratsfraktion) und Natalie Rickli (SVP, Nationalrätin) als Ersatzkandidaten. Weitere Kandidierende waren Martin Neukom (Grüne), Jörg Mäder (glp), Hanspeter Hugentobler (EVP), Walter Angst (AL), Hans Egli (EDU), Rosmarie Quadranti (BDP) und Jan Linhart (parteilos).[15]

Für den Kantonsrat bewarben sich insgesamt 13 Listen mit 1734 Kandidierenden. Die SVP (180 Kandidaten), SP (180), FDP (180), glp (180), Grüne (179), CVP (176), EVP (179), AL (176) und EDU (145) traten in allen 18 Wahlkreisen an. Die bisher ebenfalls im Kantonsrat vertretene BDP trat mit 107 Kandidaten in 15 Wahlkreisen an. Neu traten die PdA mit 37 Kandidaten in sechs Wahlkreisen und die neugegründeten Parteien Die Guten (12) und Helvida (3) in jeweils einem Wahlkreis an.[16] Von den 2015 angetretenen Listen standen die Piraten, Juso und IP Zürich nicht mehr zur Wahl.

Wahlkampf

Das «bürgerliche Bündnis» aus SVP, FDP und CVP bestritt einen gemeinsamen Wahlkampf für ihre fünf Regierungsratskandidaten.[17] Ähnliche Bündnisse gab es schon bei vergangenen kantonalen und kommunalen Wahlen im Kanton Zürich. Ein gegen die FDP gerichtetes SVP-Flugblatt sorgte allerdings zwei Wochen vor der Wahl für Aufsehen, woraufhin eine mögliche Spaltung der bürgerlichen Wählerschaft vermutet wurde.[8][9]

Im linken Spektrum empfahl die SP die Kandidaten der Grünen und der AL zur Wahl. Letztere zwei empfahlen ihre gegenseitigen Kandidaten sowie die SP-Kandidatin Jacqueline Fehr, nicht aber Mario Fehr, zur Wiederwahl. Mario Fehrs Nomination war in der SP umstritten und wurde von der Stadtzürcher SP, der Juso, Grünen und AL kritisiert, da er als Hardliner in der Asylpolitik galt.[18] 2015 hatte Mario Fehr sogar vorübergehend seine SP-Mitgliedschaft sistiert, weil er von der Juso wegen des Kaufs von Spionage-Software angezeigt worden war. Hingegen galt er bei Wählern aus allen Lagern als beliebt.[19]

Die politische Mitte, bestehend aus glp, EVP und BDP, gab erstmals gegenseitige Wahlempfehlungen ab.[5]

Infolge der Debatte um die anhaltenden Klimastreiks wurde das Klima zum dominierenden Wahlkampfthema. Die Grünen und die Grünliberalen wurden zu möglichen Profiteuren erklärt. Der FDP wurden trotz Kurskorrektur in der Klimapolitik keine Vorteile zugeschrieben.[9][13] Die fehlende Konjunktur in den Kernthemen der SVP, der Asyl- und Zuwanderungspolitik, wurde als möglicher Grund für Verluste der SVP vermutet.[8] Die umstrittene Europapolitik der SP um die zwiespältige Haltung zum Rahmenabkommen EU-Schweiz und dem daraus folgenden medienwirksamen Parteiübertritt von Chantal Galladé zur europafreundlichen glp sorgte bei der zuletzt bei den Kommunalwahlen sehr erfolgreichen SP für einen Abwärtstrend («Galladé-Effekt»).[8][9]

Ergebnisse der Kantonsratswahlen

Partei Wähler Prozent (+/−) Sitze (+/−)
Schweizerische Volkspartei % %p
Sozialdemokratische Partei % %p
FDP. Die Liberalen % %p
Grünliberale Partei % %p
Grüne % %p
Die Mitte % %p
Evangelische Volkspartei % %p
Alternative Liste % %p
Eidgenössisch-Demokratische Union % %p
Partei der Arbeit % %p

Ergebnisse der Regierungsratswahlen

In den Umfragen war erwartet worden, dass die bisherigen Regierungsräte wiedergewählt würden und die SVP und FDP ihre zurückgetretenen Regierungsräte ersetzen werden können. Kurz vor der Wahl zeichnete jedoch sich ab, dass Thomas Vogels Wahl durch den grünen Kandidaten Martin Neukom gefährdet würde. Dennoch galt Neukoms Wahl, auch wegen seiner relativen Unbekanntheit[20], als Überraschungserfolg. Der Verlust des zweiten Regierungsratssitzes durch die FDP galt hingegen als historische Niederlage, da der Zürcher Freisinn noch nie mit weniger als zwei Sitzen vertreten war.[21]

Kandidat Partei Stimmen % des abs. Mehrs Ergebnis
Mario Fehr (bisher) parteilos %
Jacqueline Fehr (bisher) SP %
Ernst Stocker (bisher) SVP %
Silvia Steiner (bisher) CVP %
Carmen Walker Späh (bisher) FDP %
Martin Neukom Grüne %
Priska Seiler Graf SP %
Natalie Rickli SVP %
Peter Grünenfelder FDP %
Benno Scherrer glp %
AL %
EVP %
EDU %
Vereinzelte
  • Mario Fehr ist im Juli 2021 aus der SP ausgetreten, hat aber angekündigt, als Parteiloser erneut anzutreten.[22]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kanton Zürich – Direktion der Justiz und des Inneren: Beschluss des Regierungsrates über die Erneuerungswahl der Mitglieder des Kantonsrates für die Amtsdauer 2019–2023 (PDF)
  2. Kanton Zürich – Direktion der Justiz und des Inneren: Festsetzung der Wahl- und Abstimmungstermine 2019 (RR-Beschluss vom 9.1.2018) (PDF)
  3. Kanton Zürich – Direktion der Justiz und des Inneren: Beschluss des Regierungsrates über die Anordnung der Erneuerungswahl des Regierungsrates für die Amtsdauer 2019–2023 (PDF)
  4. Kanton Zürich – Direktion der Justiz und des Inneren: Wahlen & Abstimmungen – Fragen & Antworten
  5. a b c d nzz.ch: Die Bürgerlichen dominieren, scheitern aber häufig an der Urne: die Bilanz des Zürcher Kantonsrats.
  6. srf.ch: Wahlen 2015: Der Zürcher Kantonsrat rutscht deutlich nach rechts.
  7. aargauerzeitung.ch: «FDP wird auch nationale Wahlen gewinnen» – prophezeit der Politologe.
  8. a b c d watson.ch: Kassieren SVP und SP eine Schlappe? 7 wichtige Punkte zu den Zürcher Wahlen.
  9. a b c d e f tagesanzeiger.ch: Darum sind die Zürcher Wahlen spannend.
  10. tagesanzeiger.ch: Was Graf die Wiederwahl kostete.
  11. nzz.ch: Martin Graf ist abgewählt.
  12. Kanton Zürich – Direktion der Justiz und des Inneren: Resultate Regierungsratswahl 2015
  13. a b c srf.ch: Der Leistungsausweis der Parteien im Zürcher Kantonsrat.
  14. tagesanzeiger.ch: Die verlorene Legislatur.
  15. Kanton Zürich – Direktion der Justiz und des Inneren: Regierungsratswahl 2019 – Kandidierende
  16. Kanton Zürich – Direktion der Justiz und des Inneren: Kantonsratswahlen 2019 – Listen und Kandidierende (PDF)
  17. limmattalerzeitung.ch: Neuer Name, bewährtes Rezept: «Bürgerliches Bündnis» bestreitet gemeinsam den Wahlkampf
  18. watson.ch: Mario macht's nochmal: Zürcher SP nominiert umstrittenen Regierungsrat Fehr erneut
  19. srf.ch: Wer wählt Mario Fehr?
  20. nau.ch: SVP muss nach Zürcher Wahlen hinter die Bücher
  21. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen TA2.
  22. Der Zürcher Regierungsrat Mario Fehr tritt im Februar erneut zur Wahl an,. Abgerufen am 12. September 2022.