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Görlitzer Sagen
Die Stadt Görlitz und vor allem ihre historische Altstadt wird von zahlreichen Sagen umrankt. An einige Sagen erinnern noch heute Reliefs oder Namen von Gasthäusern oder Hotels.
Der dreibeinige Hund
Einmal im Jahr, in der Weihnachtsnacht tauchte in der Stadt ein unheimlicher Hund auf. Er war groß wie ein Kalb, hatte schwarzes, zottiges Fell und Augen wie glühende Kohlen. Das verwunderlichste war jedoch, dass er sich auf nur drei Beinen fortbewegte. Ließ man ihn ungestört seinen gewohnten Weg durch die Stadt nehmen, tat er niemand etwas zuleide. Er entstieg gewöhnlich einem Wasserloch am Jakobshospital (heute in etwa Jakobstraße Ecke Wilhelmsplatz an der Adler-Apotheke) und setzte dann seinen Weg über die Jakobsgasse in Richtung des Frauentores fort. Dort schlüpfte er durch das Tor und trottete bis zum Wasserloch am Nikolaiturm, wo er für kurze Zeit verschwand. Wenig später machte er sich auf den Weg zurück durch die Verrätergasse. Eine Stunde nach Mitternacht war er dann wieder für ein Jahr verschwunden.
Die Wachsoldaten, die in der Weihnachtsnacht am Frauentor Wache schoben, war dieses Geheimnis wohl bekannt und wurde von Wachsoldat zu Wachsoldat weitergereicht. Sie ließen in den Mitternachtsstunden die Pforte des Frauentores leicht geöffnet, damit der Hund leicht hindurchkam. In einem Jahr jedoch dab es einen Heißsporn, der es mit dem Hund aufnehmen wollte. In dieser Weihnachtsnacht heulte der Sturm um Tore und Türme. Während seine Kameraden in der Wachtstube um den warmen Ofen saßen, verschloss der Soldat die Pforte und stellte sich wie in einer Schlacht mit Bajonett hinter das Frauentor. Als der Hund den Durchschlupf am Tor entgegen der Gewohnheit verschlossen vorfand, wurde er verrückt. Er schüttelte sein mächtiges Fell, fletschte die Zähne und funkelte mit seinen glühend roten Augen. Schließlich übersprang er mit einem mächtigen Satz die Stadtmauer. Die Soldaten in der Wachstube wurden durch ein lautes Rumpeln und Schnauben aufgeschreckt und gingen nach dem es sich beruhigt hatte zu ihrem mutigen Kameraden heraus. Er lag ohnmächtig zusammengesunken neben dem Schilderhaus. Der Lauf seiner Flinte war wie zu einer Schraube aufgedreht. Der Kamerad kam bald wieder zu sich, konnte sich jedoch an nichts erinnern. Er soll nur drei Wochen später gestorben sein. Seit dem hatte sich nie wieder jemand mit dem dreibeinigen Hund angelegt.
Noch heute erinnert auf der Büttnerstraße das Hotel „Zum dreibeingen Hund“ an die Sage. In etwa dort an der Ecke Büttnerstraße/Hugo-Keller-Straße hat sich früher ein Abzugsloch für Regenwasser befunden. Es wurde „Hundeloch“ genannt, da es sich dabei um das Wasserloch am Nikolaiturm handeln soll, indem der Hund zwischenzeitlich verschwand, bevor er seinen Rückweg antrat.
Der Klötzelmönch
Um eine Mordtat in der mittelalterlichen Stadt handelt es sich bei dieser Sage, ob sie sich nicht vielleicht wirklich zugetragen hat, ist nicht geklärt.
Laut Sage soll sich eines Tages ein junger Handwerkerbursche auf Wanderschaft zur Abendmesse in die Klosterkirche am Obermarkt begeben haben. Von der Wanderung geschafft lehnte er sich zurück, schlief ein und wurde ohne vom Pförtner bemerkt zu werden in die Kirche eingeschlossen. Erst gegen Mitternacht wachte er mutterseelenallein auf und fürchtete sich in seiner Einsamkeit. Das Kirchenschiff wurde nur vom Mondschein und der ewigen Lampe erleuchtet. So taste er sich vor bis zum Altar und dem Chorgestühl auf das er sich kauerte. Plötzlich wurde die Stille im Kirchenschiff durch schlurfende Schritte zerrissen. Der Wanderbursche versteckte sich hinter dem Chorgestühl und hörte den Schlüsselbund klirren und wie sich die Tür zum Fanziskanerkloster quietschend öffnete. Heraus trat ein in gebückter Haltung schlurfenden Mönch mit einem groben, abstoßenden Gesicht. In der linken Hand hielt er eine Laterne und mit der anderen zog er einen leblosen Mädchenkörper an den blonden Haaren über den Steinfußboden. Die Holzklötzer seiner Pantoffeln klapperten erschreckend in der nächtlichen Stille. Vor dem Altar hob er eine Steinplatte nach oben und warf den leblosen Körper in die Öffnung unter der Steinplatte. Danach verschwand er schweigend wieder hinter der Tür zum Franziskanerkloster. Der Handwerkerbursche konnte die restliche Nacht nicht schlafen und verließ unbemerkt nachdem der Pförtner am frühen Morgen die Tore öffnete die Kirche. Er zitterte immer noch vor Schreck am ganzen Körper und wusste nicht recht, ob alles nur ein scheußlicher Traum gewesen war.
In einer Herberge angekommen, hörte er von einer Mutter, die verzweifelt nach ihrer Tochter suchte, die nicht von der Abendmesse heimkehrte. Nun wurde dem Burschen klar, dass er den Vorfall der zurückliegenden Nacht nicht geträumt hatte. Er eilte zum Rathaus und schilderte was er in der Nacht gesehen hatte. Daraufhin wurden Kirche und Kloster umstellt und der Bürgermeister wurde zur besagten Platte geführt. Darunter lag das schöne Mädchen, dass der Mönch die Nacht hineinfallen ließ. Es handelte sich um das vermisste Mädchen. Unter den eilends zusammengerufenen Mönchen erkannte der Handwerker sofort den Täter an seinem hässlichen Gesicht.
Der Mönch leugnete nichts. Er gestand das Verbrechens. Das ahnungslose Mädchen hatte er in seine Zelle gelockt, wo es ihm zu Willen sein musste. Aus Angst sein Vergehen könnte herauskommen, ermordete er sein Opfer und brachte es um Mitternacht allein in die Gruftkammer. Aber der verzweifelte Versuch, die Spuren zu beseitigen, war vergeblich. Zufällig wurde der Wanderbursche zum Mitwisser, und die Wahrheit kam ans Licht. Zur Strafe wurde der Mönch lebendig eingemauert, jedoch soll sein Geist keine Ruhe gefunden haben und in der Klosterkirche herumspucken. Man soll seine Klötzelpantoffeln nachts noch in der Kirche hören.
An dem gegenüberliegenden Eckhaus Obermarkt/Fleischerstraße, der früheren Löwen-Apotheke, die 1945 bei Kriegsende abbrannte, waren zwei steinerne Köpfe zur Fleischerstraße hin angebracht, die mit dieser Sage in Zusammenhang gebracht wurden. Die eine Plastik zeigte eine Frau, die aus der Mauer wie aus einem Fenster nach der Seite sehnsüchtig Ausschau hielt, als erwarte sie die vermisste Tochter. Dieser Frau gegenüber war ein bärtiger, hässlicher Männerkopf zu sehen, von dem man glaubte, es handle sich um den „Klötzelmönch“. Wie es hieß, hatte ein mitfühlender Bürger diese Steinbilder anbringen lassen, nachdem die unglückliche Mutter aus Gram über den frühen Tod der hoffnungsvollen Tochter gestorben war.
Noch heute erinnert neben der Sage das Hotel „Zum Klötzelmönch“ an diese eventuell reale Begebenheit.
Der Nachtschmied
Auf dem Obermarkt an der nordwestlichen Seite hatte einst der fleißige Schmied Vollprecht seine Wohn- und Arbeitsstätte. Ein wandernder Geselle mit nur einem Auge, roten Haaren und einem Hinkefuß nahm bei ihm eine Arbeitsstelle an. Er erwies sich umso fleißiger, kräftiger sowie schneller und auch geschicklicher. Dies gefiel dem Meister und er lies den Gesellen immer mehr für sich arbeiten, bis dieser nahezu alle Aufträge selber erledigte. Den Meister sah man immer seltener in der Schmiede, er gab das vom Gesellen erwirtschaftete Geld beim Zechen und bei Glücksspielen aus.
Eines Abends kam nun ein von Kopf bis Fuß schwarz gekleideter Reiter auf einem schwarzen Pferd zum Schmied. Dieser merkwürdige Mann bestellte bei dem Schmied ein Gruftgitter, dass bis Mitternacht in drei Tagen fertig sein sollte. Die Entlohnung sollte ungewohnt hoch sein. So ließ sich der klamme Schmied auf die Bestellung des Herren ein und versprach ihm im leicht vom Bier vernebelten Zustand, dass er das Gitter bis zum verabredeten Datum fertig haben würde. Er versprach übermütig mit Leib und Seele dafür einzustehen. Darauf ging der geheimnisvolle Reiter gern ein und ließ sich diese Bedingung mit dem Blute des Meisters unterschreiben, dann bezahlte er die Summe im voraus und war wie vom Erdboden verschluckt. Der Schmied zog mit dem unerwartet vorgeschossenen Lohn in die nächste Kneipe zu seinen Kumpanen.
Den nächsten Morgen beauftragte der Meister seinen Gesellen mit dem Bau des Gruftgitters. Dieser meinte lachend, dass er dies an einem Vormittag schaffen würde. So saß der Meister die drei Tage mit seinen Zechbrüdern beisammen und versoff und verzockte das ganze Geld. Erst am dritten Tage fiel ihm sein Versprechen gegenüber dem Reiter wieder ein, aber er glaubte, dass sein Geselle wie gewohnt alles zur vollsten Zufriedenheit erledigt haben würde. Tatsächlich fand er in der Werkstatt das fertige Gitter. Nur ein letzter Ring fehlte. Nun versuchte der Meister in Eile selber den letzten Ring zuschmieden, da sein Geselle nicht aufzufinden war, aber jeder Ring zersprang unter seinen Hammerschlägen. Nun wurde ihm klar, dass er sich mit dem Teufel eingelassen haben musste. In seiner Verzweiflung versuchte er immer wieder den Ring zu schmieden - ohne Erfolg. Beim ersten Glockenschlag um Mitternacht öffnete sich unter seinen Füßen die Erde und verschlang ihn. Nun war er dazu verdammt, unter der Erde an dem fehlenden Ring zu schmieden.
Noch heute soll man sein unterirdisches Pochen zu mitternächtlicher Stunde an der nordwestlichen Ecke des Obermarktes hören. Später brachten Unbekannte ein Gruftgitter auf dem Nikolaifriedhof mit der Sage in Verbindung. Auch bei diesem Gitter fehlte ein Ring. Heute verschließt dieses kunstvoll gestaltete Gitter, etwas umgearbeitet, die hintere Toreinfahrt im Hofe des Museums Neißstraße 30. Der Ring fehlt nicht mehr und vielleicht hat der Schmied nun seine Schuld beglichen.