Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin
Bernhard-Nocht Institut für Tropenmedizin | |
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Kategorie | Forschungseinrichtung |
Standort der Einrichtung | Hamburg |
Rechtsform | Stiftung des öffentlichen Rechts |
Mitarbeitende | 270 Mitarbeiter |
Gründung | 1. Oktober 1900 |
Mitgliedschaft | Leibniz-Gemeinschaft |
Art der Forschung | Klinische Forschung,
Molekularbiologie und Immunologie, Epidemiologie und Diagnostik, Implementationsforschung |
Land | Deutschland |
Website | https://www.bnitm.de/ |
Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg ist das größte Institut für Tropenmedizin in Deutschland und beschäftigt heute etwa 250 Mitarbeiter am Standort Hamburg. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Geschichte
Die Choleraepidemie von 1892 forderte Tausende von Toten und veranlasste Senat und Bürgerschaft der Stadt Hamburg zu einer Reform des Gesundheitswesens. Die Gründung des Tropenmedizinischen Instituts erfolgte mit Unterstützung der Reichsregierung zur Erforschung von Schiffs- und Tropenkrankheiten und zur Ausbildung von Schiffs- und Kolonialärzten. 1893 wurde der Marinearzt Bernhard Nocht in das neu geschaffene Amt des Hafenarztes eingeführt. Zur ärztlichen Betreuung innerlich erkrankter Seeleute errichtete man ihm außerdem eine Abteilung im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg. Entgegen den Plänen des Bakteriologen Robert Koch setzte Nocht 1899 Hamburg als Standort für ein Institut zur Erforschung der Tropenkrankheiten durch, da „durch den überseeischen Verkehr dort ein reiches Krankengut zu versorgen sei“. Am 1. Oktober 1900 nahm das neue Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten mit 24 Mitarbeitern im ehemaligen Verwaltungsgebäude des Seemannskrankenhauses an den Hamburger Landungsbrücken seine Arbeit auf. Die stationäre Patientenversorgung findet seit 2006 im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf statt. Im dortigen Behandlungszentrum für hochpathogene Infektionserkrankungen (BZHI) wurde 2014 der Hamburger Ebola-Patient behandelt.[1]
Gebäude
Zwischen 1910 und 1914 entstand der dreiteilige Klinkerbau mit Laboratoriumstrakt, Krankenhaus und Tierhaus nach Plänen von Fritz Schumacher. Der Gebäudetrakt liegt im Stadtteil St. Pauli zwischen der Bernhard-Nocht-Straße auf der hochgelegenen Nordseite und dem zum Hafenufer herunterführenden Abhang der Davidstraße. Nach 1945 wurde das durch Bomben beschädigte Gebäude wiederaufgebaut. Ab 2003 wurde ein neuer Trakt auf dem Gelände des ehemaligen Tierhauses gebaut, der Ende Januar 2008 in Betrieb genommen wurde. Insbesondere die Hochsicherheitslabore wurden vollständig neu konzipiert und gehören seitdem zu den sichersten der Welt (Biologische Schutzstufe 4).
Die zahlreichen Schmuck-Reliefs an der Fassade des Altbaues stammen von dem Künstler Johann Michael Bossard.
Im Straßenverlauf ostwärts benachbart sind die Gebäude der Regionalzentrale des Deutschen Wetterdienstes und das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie
Forschung
Das Institut unterteilt sich in drei Forschungssektionen: den Bereich Molekularbiologie und Immunologie, den Bereich Klinische Forschung sowie den Bereich Epidemiologie und Diagnostik. Auch das Nationale Referenzzentrum für tropische Infektionserreger hat seinen Sitz im BNITM. Träger des Bernhard-Nocht-Instituts waren bis Ende 2007 das Bundesministerium für Gesundheit und die Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg. Am 1. Januar 2008 ging das BNITM in einer Stiftung der Leibniz-Gemeinschaft auf.
Aktuelle Forschungsschwerpunkte des Institutes bilden Malaria, hämorrhagische Fieberviren (Lassavirus, Marburgvirus, Ebolavirus oder Krim-Kongo-Virus), Immunologie, Epidemiologie und Klinik tropischer Infektionen sowie die Mechanismen der Übertragung von Viren durch Stechmücken. Für den Umgang mit hochpathogenen Viren und infizierten Insekten verfügt das Institut über Laboratorien der höchsten biologischen Sicherheitsstufe (BSL4) und ein Sicherheits-Insektarium (BSL3). Das BNITM umfasst das nationale Referenzzentrum für den Nachweis aller tropischen Infektionserreger und das WHO-Kooperationszentrum für Arboviren und hämorrhagische Fieberviren. Gemeinsam mit dem ghanaischen Gesundheitsministerium und der Kwame Nkrumah University of Science and Technology in Kumasi betreibt es ein modernes Forschungs- und Ausbildungszentrum im westafrikanischen Regenwald, das auch externen Arbeitsgruppen zur Verfügung steht.
Zu den Erfolgen des Instituts in jüngster Zeit gehört unter anderem die Identifizierung und die Entwicklung eines Tests für den SARS-Erreger (Christian Drosten, Stephan Günther 2003), die Entwicklung neuer Therapieansätze gegen Fadenwürmer, speziell bei der Flussblindheit (Achim Hörauf 1998), über symbiontisch mit den Würmern lebende Bakterien, und die Aufklärung eines noch fehlenden Übergangsstadiums des Malariaerregers (Merosome, Volker Heussler 2006). Das Ehepaar Paul Racz und Klara Tenner-Racz aus der Abteilung Pathologie des Instituts ist auch für Leistungen in der AIDS-Forschung bekannt.
Direktoren
- 1900–1930 Bernhard Nocht
- 1930–1933 Friedrich Fülleborn
- 1933–1943 Peter Mühlens
- 1943–1963 Ernst Georg Nauck (1897–1967), von 1943 bis 1947 kommissarischer Leiter
- 1963–1968 Hans Vogel (1900–1980)
- 1968–1982 Hans-Harald Schumacher
- 1982–1988 ein dreiköpfiges Direktorium führt die Geschäfte
- 1988–1995 Hans Joachim Müller-Eberhard (1927–1998)
- 1996–2007 Bernhard Fleischer (* 1950)
Seit 2008 wird das Institut von einem Stiftungsvorstand geleitet. Dieser besteht aus drei Wissenschaftlern und dem kaufmännischen Geschäftsführer. Erster Vorstandsvorsitzender wurde der Mediziner Rolf Horstmann, der seit 1998 die Abteilung für Tropenmedizinische Grundlagenforschung am BNITM leitet. Stellvertretender Vorsitzender ist Bernhard Fleischer.[2] Drittes Mitglied des Vorstandes ist Egbert Tannich. Er nahm Anfang 2018 die Arbeit als Vorstandsvorsitzender des Instituts auf und übernahm den Aufbau der Abteilung „Infektionsdiagnostik“.
Neben Geschäftsführerin Birgit Müller wechselten Jürgen May und Stephan Günther in den Vorstand. Zudem gab es Umstrukturierungen bei den Forschungsgruppen. Auf die W3-Professur „Klinische Tropenmedizin“ am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf wurde Michael Ramharter berufen und zog mit seiner Abteilung „Klinische Forschung“ ans BNITM.
Sonstiges
Die Forschungsschwerpunkte sind heute zwischen dem Robert Koch-Institut (RKI) und dem BNITM aufgeteilt. Während das BNITM für den Auslandsbereich zuständig ist, übernimmt das RKI in der Forschung den innerdeutschen sowie den Hygienebereich.
Eine Außenstelle des Institutes befand sich im Krankenhaus der deutschen Bergbausiedlung Bong Town im westafrikanischen Staat Liberia, sie wurde in den 1990er Jahren als Folge des Bürgerkrieges geschlossen.
Als Mitglied der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) wird das Institut als „Forschungsinstitut mit überregionaler Bedeutung“ von Bund und Ländern jeweils zur Hälfte institutionell gefördert.[3]
Das BNITM ist in der Bevölkerung auch als „Das Tropeninstitut“ bekannt oder wird umgangssprachlich manchmal auch als „Tropenkrankenhaus“ bezeichnet.
Das Bundeswehrkrankenhaus Hamburg arbeitet eng mit dem BNITM zusammen, sodass unter anderem seit 2005 der Fachbereich Tropenmedizin des Bundeswehrkrankenhauses im BNITM untergebracht ist.[4]
Seit 2006 findet unmittelbar am BNITM kein Krankenhausbetrieb mehr statt.
Die Bernhard-Nocht-Medaille für Tropenmedizin wird vom Bernhard-Nocht-Institut und der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin verliehen und der Preisträger hält einen Vortrag in Hamburg. Einige der Preisträger wie Walter Kikuth und Hans Vogel forschten auch am Bernhard-Nocht-Institut.
Literatur
- Erich Mannweiler: Geschichte des Instituts für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg 1900–1945 (= Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Hamburg. Neue Folge Band 32). Goecke & Evers, Keltern-Weiler 1998, ISBN 3-931374-32-7.
- Barbara Ebert (Red.): Bernhard-Nocht-Institut Hamburg 1900–2000. 100 Jahre Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg 2000, ISBN 3-921762-01-4 (Katalog zur Ausstellung zum 100-jährigen Bestehen des Tropeninstituts).
- Sven Tode: Forschen – Heilen – Lehren: 100 Jahre Hamburger Tropeninstitut. Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg 2000, ISBN 3-921762-02-2 (darin enthalten: Erich Mannweiler: Wissenschaftliche Arbeiten aus hundert Jahren Hamburger Tropenmedizin).
- Stefan Wulf: Das Hamburger Tropeninstitut 1919 bis 1945. Auswärtige Kulturpolitik und Kolonialrevisionismus nach Versailles. Reimer, Berlin / Hamburg 1994, ISBN 3-496-02537-9.
- Markus Hedrich: Medizin und Kolonialismus. Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin als (post-)kolonialer Hamburger Erinnerungsort. In: Kim Sebastian Todzi, Jürgen Zimmerer (Hrsg.): Hamburg: Tor zur kolonialen Welt. Erinnerungsorte der (post-)kolonialen Globalisierung (= Hamburger Beiträge zur Geschichte der kolonialen Globalisierung. 1). Wallstein, Göttingen 2021, ISBN 978-3-8353-5018-2, S. 197–212.
Weblinks
- Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin
- Kumasi Center for Collaborative Research (KCCR)
- Umfangreiche Reiseinformationen des Tropeninstituts Hamburg
Einzelnachweise
- ↑ Benno Kreuels, Dominic Wichmann, Petra Emmerich, Jonas Schmidt-Chanasit, Geraldine de Heer: A Case of Severe Ebola Virus Infection Complicated by Gram-Negative Septicemia. In: New England Journal of Medicine. Band 371, Nr. 25, 18. Dezember 2014, ISSN 0028-4793, S. 2394–2401, doi:10.1056/NEJMoa1411677, PMID 25337633.
- ↑ Pressemitteilung des BNITM vom 9. Januar 2008
- ↑ Über das Institut auf der Webseite des BNITM
- ↑ Pressemitteilung des BNITM vom 9. Januar 2008
Koordinaten: 53° 32′ 49″ N, 9° 57′ 54″ O