Duʿā'
‚Anrufung, Bitte‘) bezeichnet im Islam die persönliche Form des Bitt- oder Dankgebets. Ein Duʿā' kann zu jeder Tages- und Nachtzeit gesprochen werden, im Gegensatz zur Salāt, dem rituellen Gebet, das dem Muslim zu festgelegten Zeiten vorgeschrieben ist. Man kann ebenso eine klare Abgrenzung zum Dhikr ziehen, der eher nach innen gerichtet ist, während das Duʿā' eine formulierte Bitte umschließt.
Koranische Aussagen
Im Koran finden sich mehrere Aussagen zum Duʿā' als Bitte und Anrufung. Als Synonym zu Duʿā' erscheint dabei auch der Begriff Daʿwa. Abraham (Sure 14:39) und Zacharias (Sure 3:38f.) preisen Gott dafür, dass er ihr Duʿā' erhört hat. Auch Gott selbst sagt von sich: "Ich erhöre die Bitte des Bittenden, wenn er mich bittet" (Sure 2:186). Damit unterscheidet sich Gott von allen anderen Wesen, die die Menschen anrufen, denn diese erhören ihr Duʿā' nicht (Sure 35:14). In Sure 13:14 erklärt, dass Gott allein die wahre Anrufung (daʿwat al-ḥaqq) gebührt, während die Anrufung anderer Wesen oder Naturgewalten nutzlos ist. Der Mensch wird dafür getadelt, dass er nicht müde wird, Gott um Gutes zu bitten, wenn es ihm schlecht geht, sich dann auch, wenn Gott ihm Huld erweist, nicht von ihm abwendet (41:49; 41:51).
Auch über die Art und Weise der Anrufung Gottes finden sich im Koran Aussagen. So heißt es in Sure 7:55 "Ruft euren Herrn in Demut an und im Verborgenen; siehe, er liebt die nicht, die Übertretungen begehen." Bei der Anrufung soll sich der Mensch in seinem Glauben ganz auf Gott einstellen (Sure 40:65). Und in Sure 7:180 werden die Menschen aufgefordert, Gott mit seinen schönsten Namen anzurufen.
Das Duʿā' findet darüber hinaus in vielen Hadithen Erwähnung, seine Wichtigkeit haben viele Traditionarier und Rechtsgelehrte in ihren Werken herausgestellt.
Regeln für das Duʿā'
Man kann für sich selbst, für jemand anderen, oder auch als Schutz vor jemand anderem ein Duʿā' formulieren. Beim Bittgebet hat der Muslim freie Wortwahl. Es werden jedoch auch oft koranische Texte, oder Auszüge aus Überlieferungen nach dem Propheten benutzt. Die Empfehlung zum Duʿa geht oft mit bestimmten empfohlenen Bedingungen und Manieren (adab) einher, um die größtmögliche Aussicht auf Annahme des Erbetenen sicherzustellen. Dabei werden als Bedingungen u. a. genannt:
- nur Produkte essen, die halāl sind
- der Annahme der Bitte sicher sein
- beim Duʿa nicht abgelenkt sein
- das Erbetene solle nicht zu einer Sünde führen, Feindseligkeit zwischen Familienmitgliedern verursachen oder Rechte eines Muslims verletzen
- nicht um etwas (logisch) Unmögliches bitten, da dies mangelnden Respekt gegenüber Gott darstelle
Zu den Manieren zählen:
- beste Zeiten auswählen, u. a. während der Niederwerfung im Gebet, zwischen Adhan und Iqama
- vorher die rituelle Waschung vollziehen, dem Bittgebet das Pflichtgebet und das Eingeständnis der eigenen falschen Taten und die Reue darüber vorangehen lassen
- sich in Gebetsrichtung positionieren
- die Hände dabei zum Himmel heben
Ein wichtiger Aspekt beim Duʿa sind für den Muslim die Basmala am Anfang und die Segenswünsche für den Propheten Mohammed.
Siehe auch
Literatur
- Louis Gardet: Art. "Duʿāʾ", in: The Encyclopaedia of Islam. New Edition Bd. II, S. 617a-618b.
- Yasir Qadhi: Duʿa – Die Waffe des Gläubigen. Islamische Bibliothek, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-941111-05-9
- Fritz Meier: Die Segenssprechung über Mohammed im Bittgebet und in der Bitte. in: Zeitung der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 136, 1986, S. 364
- Elhadi Essabah: „Ruf zu mir, so erhöre Ich euch“ (Sure 40,60). Bedeutung und Sinn des Bittgebets im Islam. In: Hansjörg Schmid, Andreas Renz, Jutta Sperber (Hrsg.): „Im Namen Gottes...“ Theologie und Praxis des Gebets in Christentum und Islam, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2006, ISBN 978-3-7917-1994-8 (Theologisches Forum Christentum – Islam), S. 91–103.