Bjarni Benediktsson (Politiker, 1970)

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Bjarni Benediktsson (2009)

Bjarni Benediktsson (* 26. Januar 1970 in Reykjavík) ist ein isländischer Politiker. Er ist seit 2009 Parteivorsitzender der Unabhängigkeitspartei (Sjálfstæðisflokkurinn) und war vom 11. Januar bis 30. November 2017 Premierminister von Island. Seither ist er Finanz- und Wirtschaftsminister, welches Amt er bereits zuvor seit dem 23. Mai 2013 bekleidet hatte.

Werdegang

Nach einem Abschluss in Rechtswissenschaften der Universität Islands setzte Bjarni Benediktsson seine Studien von 1995 bis 1996 in Deutschland fort, wo er neben Jura auch Deutsch studierte. 1997 erhielt er einen Master of Laws von der University of Miami School of Law.[1] In Island war er nach seinem Studium als Rechtsanwalt tätig.

Seit 2003 ist er Abgeordneter des isländischen Parlaments Althing. Am 29. März 2009, etwa einen Monat vor den Parlamentswahlen 2009, wurde er mit 58,1 % als Nachfolger von Geir Hilmar Haarde zum Vorsitzenden der Unabhängigkeitspartei gewählt. Die zuvor regierende Partei rutschte um 9 Sitze auf 16 Mandate ab und erreichte den zweiten Platz.

Ende April 2013 ging Bjarni Benediktssons Unabhängigkeitspartei mit 26,7 Prozent der Stimmen als klarer Sieger[2] aus den Wahlen zum isländischen Parlament hervor.[3] Nach diesem Wahlergebnis beabsichtigte er mit Sigmundur Davíð Gunnlaugsson von der liberalen Fortschrittspartei eine bürgerliche Koalitionsregierung zu bilden, die die bisherige Mitte-links-Regierung unter Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurðardóttir ablösen sollte. Das bürgerliche Lager erreichte zusammen ungefähr 51 Prozent der Stimmen.

Am 30. April 2013 wurde jedoch vom isländischen Präsidenten Ólafur Ragnar Grímsson angekündigt, dass er Sigmundur Davíð Gunnlaugsson, dessen Fortschrittspartei bei dieser Wahl mit 24,4 Prozent der Stimmen die zweitstärkste Partei Islands geworden war, das Mandat zur Bildung der neuen Regierung übergeben werde. Diesem kam damit die Aufgabe zu, mit anderen Parteien mögliche Koalitionen zu sondieren und verhandeln[4].

Am 18. Mai 2013 berichteten isländische Medien, dass die Koalitionsverhandlungen zwischen Fortschrittspartei und Unabhängigkeitspartei erfolgreich verlaufen seien und als erstes Ergebnis wurde angekündigt, dass Sigmundur Davíð Gunnlaugsson der nächste Ministerpräsident von Island sein werde, während Bjarni Benediktsson von der Unabhängigkeitspartei das Finanz- und das Wirtschaftsministerium leiten werde.[5][6] Am 23. Mai 2013 nahm die neue Koalitionsregierung ihre Arbeit auf. Bjarni Benediktsson trug darin die Verantwortung für das Finanz- und Wirtschaftsministerium. Bjarni Benediktsson hatte sich vor der Wahl klar gegen eine EU-Mitgliedschaft seines Landes ausgesprochen und wollte die Gespräche mit der EU vorläufig auf Eis legen. Er sah Islands Zukunft vor allem in der Weiterentwicklung von Fischerei und Tourismus.[7]

Im Zuge der Veröffentlichung der Panama Papers wurde bekannt, dass Bjarni Benediktsson als Generalbevollmächtigter der Offshore-Gesellschaft Falson & Co. tätig war, die im Jahr 2005 vom Unternehmen Mossack Fonseca auf den Seychellen gegründet worden war. 2012 wurde die Gesellschaft offenbar aufgelöst. Noch im Februar 2015 hatte Bjarni in einer Fernsehsendung gesagt, er habe „nie irgendwelche Anlagen in Steueroasen oder dergleichen gehabt“.[8]

Nach der vorgezogenen Parlamentswahl vom 29. Oktober 2016 hatte die Koalition aus Unabhängigkeits- und Fortschrittspartei ihre Mehrheit verloren. Nachdem es zunächst weder Bjarni Benediktsson noch den Vorsitzenden anderer Parteien gelungen war, eine neue Regierungskoalition zu bilden, hatte letztlich Bjarni den Posten des Premierministers in einer Koalition aus Unabhängigkeitspartei und den liberalen Parteien Björt framtíð und Viðreisn erhalten, die seit dem 11. Januar 2017 die Regierung Islands stellte.[9][10] Am 15. September 2017 brach das Kabinett Bjarni Benediktsson auseinander, da Björt framtíð die Koalition verließ.[11] Anlass dafür war, dass sich der Vater von Bjarni Benediktsson mit einem Empfehlungsschreiben für die «Wiederherstellung der Ehre»[12] eines wegen Kindesmissbrauchs verurteilten Pädophilen eingesetzt hatte und Bjarni und seiner Partei vorgeworfen wurde, sich um Vertuschung der Urheberschaft dieses Schreibens bemüht zu haben.[13][11] Als Termin für Neuwahlen wurde der 28. Oktober 2017 festgelegt.[14]

Im Kabinett Katrín Jakobsdóttir I bekleidete Bjarni Benediktsson seit dem 30. November 2017 wieder das Amt des Finanz- und Wirtschaftsministers.[15] Dieses hat er im am 28. November 2021 gebildeten Kabinett Katrín Jakobsdóttir II beibehalten.[16]

Bjarni Benediktsson ist verheiratet und lebt mit seiner Frau in Garðabær südlich von Reykjavík. Das Ehepaar hat vier Kinder.

Name

Bjarni Benediktsson wird zur Unterscheidung vom gleichnamigen früheren Premierminister von Island Bjarni Benediktsson (1908–1970) gelegentlich auch als Bjarni Benediktsson Jr bezeichnet. Obwohl tatsächlich eine Verwandtschaft besteht (der frühere Premierminister war Bjarnis Großonkel),[17] gibt es keinen direkten Bezug zwischen diesem Verwandtschaftsverhältnis und Bjarnis Nachnamen, der – wie im System der isländischen Personennamen üblich – ein Patronym („Sohn des Benedikt“) ist.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bjarni Benediktsson (isländisch) Alþingi. 11. Januar 2017. Abgerufen am 11. Januar 2017.
  2. dpa: Parlamentswahl: Island wählt rechts und wendet sich von EU ab. In: Frankfurter Allgemeine. 28. April 2013. Abgerufen am 11. Januar 2017.
  3. Útreikningar á úthlutun þingsæta samkvæmt úrslitum kosninga til Alþingis 27. apríl 2013 (isländisch, PDF) Landskjörstjórn. Abgerufen am 18. Juli 2016.
  4. Regierungsbildung und Parlamentarier, Artikel vom 30. April 2013 bei icelandreview
  5. Sigmundur Davíð næsti forsætisráðherra ruv.is 18. Mai 2013
  6. Iceland Election: Sigmundur Davíð to be Prime Minister icelandreview.com, 18. Mai 2013
  7. sda/ats: Benediktsson steuert Island wieder weg von der EU. In: swissinfo.ch. 28. April 2013. Abgerufen am 11. Januar 2017.
  8. Elena Kuch, Jan Lukas Strozyk und Benedikt Strunz, NDR: Islands Premier parkte Geld in der Karibik. In: tagesschau.de. 13. April 2016. Abgerufen am 11. Januar 2017.
  9. Adam Taylor: Iceland ousted one leader named in the Panama Papers, but ended up with another on the list (englisch) In: Washington Post. 11. Januar 2017. Abgerufen am 11. Januar 2017.
  10. Ríkisráðsfundir á Bessastöðum miðvikudaginn 11. janúar 2017 (isländisch) Forsætisráðuneytið. 10. Januar 2017. Abgerufen am 11. Januar 2017.
  11. a b aev/Reuters: Politischer Skandal: Regierung in Island bricht auseinander. In: Spiegel Online. 16. September 2017. Abgerufen am 15. September 2017.
  12. In Island ein Rechtsinstrument, das wegen schwerer Straftaten verurteilten Personen die Rückforderung gewisser verlorener Rechte erlaubt, siehe: Laws for "restored honour" are 77 years old (englisch) In: Iceland Monitor. mbl.is / Morgunblaðið. 15. September 2017. Abgerufen am 18. September 2017.
  13. Rudolf Hermann: Islands Machtelite und ihre Skandale. In: Neue Zürcher Zeitung. 18. September 2017. Abgerufen am 18. September 2017.
  14. Jelena Ćirić: Elections Confirmed for October 28th (englisch) In: Iceland Review. 18. September 2017. Abgerufen am 18. September 2017.
  15. Geir Finnsson: Five Women, Six Men in New Cabinet (englisch) In: Iceland Review. 30. November 2017. Abgerufen am 1. Dezember 2017.
  16. Jelena Ćirić: Never More Ministers than in New Government (englisch) In: Iceland Review. 29. November 2021. Abgerufen am 1. Dezember 2021.
  17. The political dynasties of Iceland (englisch) In: Iceland Monitor. mbl.is. 22. Oktober 2015. Abgerufen am 18. Juli 2016.