Gott, heilger Schöpfer aller Stern
Gott, heilger Schöpfer aller Stern ist ein Adventslied, das der Reformator und Revolutionär Thomas Müntzer (1489–1525) im Jahr 1523 schuf. Es ist eine Reimübertragung des lateinischen Hymnus Conditor alme siderum, der im Advent zur Vesper gesungen wird. Der Hymnus findet sich neben dem Stundenbuch auch im Gotteslob unter der Nummer 230 (GLalt 116) und im Evangelischen Gesangbuch (EG 3).
Der lateinische Hymnus
geht in seinem Grundbestand auf die Spätantike zurück. Nach einer tiefgreifenden Umgestaltung für das Brevier Urbans VIII. (1632) wird es in den liturgischen Büchern der katholischen Kirche wieder in der Fassung gebraucht, die im 10. Jahrhundert im Kloster Kempten bezeugt ist.
Der ursprünglich sechsstrophige, später um Strophe 5 erweiterte Hymnus wendet sich an Christus und preist ihn als den ewigen, mit dem Vater wesensgleichen Sohn Gottes, der aus der Jungfrau Maria Mensch wurde, um die dem Tod verfallene Menschheit und so die ganze Schöpfung zu erlösen und seiner Herrschaft zu unterwerfen. Die vorletzte Strophe bittet Christus, den kommenden Weltrichter, um Führung und Bewahrung im Glauben. Der Hymnus endet mit der Doxologie.
Die Nachdichtung Müntzers
Müntzer übersetzt über weite Strecken wortgetreu, setzt jedoch auch deutlich eigene Akzente. Die im Original an die zweite Person der Trinität, den Schöpferlogos, gerichtete Anrede bezieht Müntzer auf den Vater. So macht er aus dem Christushymnus ein Lob Gottes, dessen Erscheinen durch Christus von den Menschen in apokalyptischer Bezugnahme erkannt (M 1.; M 3.) werden soll. (M 4.) erweitert den Herrschaftsbereich Gottes über Himmel und Erde hinaus bis hin zur Hölle. In M 5. platzierte Müntzer gleichsam eine prägnante Zusammenfassung seiner Theologie, wobei er den ursprünglichen Text einer 5. kosmologisch gefärbten Strophe, die ihrerseits eine spätere Hinzufügung zum lateinischen Originaltext des Hymnus bildete, allenfalls assoziativ aufnimmt. Auch seine Mariologie und Inkarnationslehre gehen durch Attribute wie Zartheit (M 3.; M 7.) über die Vorlage hinaus. M 6. erbittet – anders als die Vorlage – nicht die Bewahrung vor dem Feind, sondern die Zunahme im Glauben. Die Abschlussstrophe (M 7.) nimmt den Bezug zum Allesschöpfer (M 5.) auf.
Die heutige Gestalt des Müntzertextes ist dem modernen Sprachgebrauch und Versrhythmusempfinden behutsam angepasst. Die sonst wortgleichen Fassungen des Evangelischen Gesangbuchs und des Gotteslob unterscheiden sich in Strophe 2, Zeile 4, die im Gotteslob (wie bei Müntzer) als Anrede formuliert, im EG dagegen in die dritte Person gewendet ist, da sonst, durch Müntzers Adressatenverschiebung, Menschwerdung und stellvertretendes Leiden anscheinend von Gott dem Vater ausgesagt würden.
Melodie
Die Melodie ist in einem Hymnar des Klosters Kempten um 1000 überliefert. Sie ist im 4. Kirchenton komponiert. Bei der bekannten deutschsprachigen Fassung handelt es sich um eine Kontrafaktur.[1] Auch das an den Hymnus angelehnte Adventslied Lob sei dem allmächtigen Gott von Michael Weiße[2] wurde regional mit dieser Melodie gesungen. Sie liegt Johann Sebastian Bachs Bearbeitung im Orgelbüchlein ( ) zugrunde.
Text
Kempten (10. Jh.) | Übersetzung[3] | Thomas Müntzer | Evangelisches Gesangbuch |
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Conditor alme siderum, |
Erhabener Schöpfer der Gestirne, |
Gott, heylger schöpffer aller stern, |
Gott, heilger Schöpfer aller Stern, |