Craftbeer

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US-amerikanischer Craft-Brauer beim Abwiegen des Hopfens

Craftbeer (auch Craftbier) ist eine Gattung von Bieren, die nicht großindustriell, sondern handwerklich gebraut werden.[1] Mitunter zeichnen sie sich durch unkonventionelle Mischungen verschiedener Hopfensorten aus.[2] Häufig werden innerhalb oder außerhalb des Reinheitsgebotes alte oder regionsuntypische Bierstile aufgegriffen und neu interpretiert.[3][4]

Hintergrund und Begriffsherkunft

Die Craft-Beer-Bewegung entstand in den 1970er Jahren in den Vereinigten Staaten als Reaktion auf den dort vorherrschenden, von der Brauindustrie geprägten Biermarkt. Von tausenden vorwiegend lokal bekannten Brauereien überstanden die Prohibition in den USA nur Großbetriebe wie Miller oder Anheuser-Busch, die zwischen 1920 und 1933 auf alkoholarme Getränke (Near Beer) ausweichen konnten.[5] Diese dominierten fortan den amerikanischen Markt, was zu oftmals geschmähten[6] und als „wässrig und geschmacklos“ bezeichneten Standardbieren führte.[7]

Ausgehend von Hobbybrauern entwickelte sich ab den 1970er Jahren ein Widerwille gegen diese Biere und ein Trend zu eigenem Brauen. Dafür wurden die Begriffe craft brewing und craft beer (to craft deutsch: „handwerklich arbeiten“) prägend. Es waren von großen Brauereikonzernen unabhängige Brauereien, die ihre Produkte in bewusster Konkurrenz und Abgrenzung zu den konventionellen Brauereien als besonders hochwertig bewarben und Biere auf der Basis traditioneller europäischer Stile brauten.[8] Die Zahl der Brauereien und Biermarken in den USA stieg darauf massiv.[9]

Der US-Brauerverband unterscheidet drei Kategorien, von denen es 2015 mehr als 4000 Brauereien in den USA gab:[10]

  • Brewpubs
  • Microbreweries
  • Regional Craft Breweries

Der US-Craft-Bier-Verband Brewers Association klassiziert Craft Brewer wie folgt:[11]

  • Small: „Klein“ bedeutet maximal 6 Millionen Barrel Jahresausstoß, das entspricht 7,0 Millionen Hektoliter. Selbst die größte deutsche Großbrauerei (Krombacher, 5,7 Millionen Hektoliter in 2017[12]) gilt nach dieser Definition als „klein“.
  • Independent: Damit eine Brauerei als unabhängig gilt dürfen höchstens 25 Prozent einer Brauerei einem Mitglied der Getränkeindustrie gehören, das selbst kein Craft Brewer ist.
  • Brewer: Der Großteil des Alkoholvolumens muss als Biere produziert werden, deren Geschmack aus traditionellen oder innovativen Brauzutaten und deren Gärung resultiert, damit die Brauerei als „traditionell“ gilt.

Gemäß dieser Definition war 2015 etwas mehr als jedes zehnte in den Vereinigten Staaten gezapfte Bier ein Craftbeer. Dies entspricht 14 Prozent des Gesamtbierumsatzes in den USA.[13]

Ein entsprechender Markt entwickelte sich auch in Großbritannien als Folge der Kampagne für traditionelle Ales. Die Anzahl der Brauereien in Großbritannien überstieg 2015 erstmals die Anzahl der Brauereien in Deutschland.[14] Der weltweite Marktanteil der Craftbiere liegt bei ca. 2,5 % der jährlich gebrauten 2.000.000.000 hl, verbraucht aber 20 % der globalen Hopfenernte.[15]

Für Craft- und Mikrobrauereien gibt es in den USA, Großbritannien, Deutschland und Italien Brauereianlagenhersteller, die einfache und kostengünstige Anlagen herstellen. Diese Anlagen sind speziell den geringeren Mengen und kleineren Chargengrößen angepasst.[16]

Craftbier in Deutschland

Ein India Pale Ale
Craft-Bier-Stand auf dem Internationalen Berliner Bierfestival, 2013

Eine klare und präzise Definition für Craftbier gibt es in Deutschland nicht, da sich der Begriff nicht als Wortmarke schützen lässt.[13][2] Zum Craft-Bier-Anbieter wird eine Brauerei nicht durch ein einzelnes Bier, sondern durch die gesamte Philosophie der Brauerei. Anfang 2017 gründete sich aus der deutschen Craft-Szene der Verband Deutscher Kreativbrauer e. V.[17] Durch die größere Auswahl an Bieren entstanden neue Fachhändler, die mit Vinotheken zu vergleichen sind.

In Deutschland waren traditionell konzernunabhängige Brauereien, wie Gasthofbrauereien, Hausbrauereien oder Brauhäuser, bereits zuvor weit verbreitet. In Deutschland zeichnet sich ein Craft-Trend in einigen Regionen ab.[18] Bei einer Jahreserzeugung von weniger als 200.000 Hektolitern werden Brauereien in Deutschland durch eine geringere Biersteuer begünstigt,[19] was auf rund 95 % der Brauereien in Deutschland zutrifft.[20]

Fritz Wülfing führte 2010 als erster in Deutschland den Begriff Craftbeer mit seinen „Fritz-ales“ ein. Den Namen seiner Biermarke musste er allerdings in AleMania ändern, da sich die Nordmann-Gruppe (Ratsherrn, Störtebeker, Fritz-Getränke-Vertrieb) den Namen „Fritz“ für alle Getränke gesichert hat. Dieser Getränkekonzern versuchte allerdings erfolglos, sich die Markenrechte für die Begriffe „Craft“ und „Craftbier“ schützen zu lassen.[21]

Der Markt der Craft-Biere wurde auch von Großbrauereien erkannt. So hat die Bitburger Braugruppe die Marke Craft-Werk geschaffen. Die Radeberger Gruppe gründete als Zweig Die Internationale Brau-Manufacturen GmbH,[16] die 14 Eigenkreationen und 25 Produkte von Partnern anbietet. Die Gestaltung von im Geschmack individuellen Bieren sowie die Werbung dafür gewinnt weiter an Bedeutung. Es werden Wettbewerbe[22] im nationalen und internationalen Rahmen veranstaltet. Es gab im Sommer 2018 „jede Menge Craft-Beer-Festivals“[23] in Deutschland, so in Bremen, Berlin, München, in Köln, Düsseldorf oder Karlsruhe. Dabei setzt sich die Verbreitung in regionalen Bereichen fort.

Der Diplom-Braumeister und Biersommelier Oliver Wesseloh akzeptiert zwar, dass sich der Begriff „Craftbeer“ mittlerweile in Deutschland etabliert habe, vertritt aber die Ansicht, dass dieser nicht geeignet sei.[24] Die Situation in Deutschland sei stets anders als in den Vereinigten Staaten gewesen. Der (neue) Begriff beziehe sich in Europa vor allem auf Kreativbier und auf Kreativbrauer. Von letzteren werden alte Bierstile wie Grutbier, Gose oder Berliner Weisse wiederentdeckt und neu interpretiert. Das gleiche gilt so für weitere Stile wie India Pale Ale, Belgisch Wit oder Stout. So werden neue Biere auf der Basis zahlreicher verschiedener Hopfen- und Malzsorten entwickelt. Es werden speziell Aromahopfen und kreative Techniken wie das Hopfenstopfen (Kalthopfung) oder die Lagerung in Whisky-, Wein- oder Rumfässern genutzt.[25]

Literatur

  • Hagen Rudolph: Craft-Bier – Brauen und Genießen., Fachverlag Hans Carl, 1. Auflage 2019, ISBN 978-3-418-00134-0
  • Oliver Wesseloh, Julia Wesseloh: Bier leben: Die neue Braukultur. Rowohlt, 2015, ISBN 978-3-499629-46-4
  • Jens Dreisbach: Craft-Bier: Geschichte, Herstellung, Brauereien. Komet Verlag 2016, ISBN 978-3-869417-16-5
  • Martin Droschke, Norbert Krines: 111 deutsche Craft Biere, die man getrunken haben muss. Emons Verlag 2018, ISBN 978-3-740803-38-4
  • Fritz Wülfing, Heike Wülfing: Craft-Bier selber brauen – Revolution der Heimbrauer. edition Lempertz: Bonn 2014, ISBN 978-3-943883-15-2.
  • Das Craft-Bier Buch. Die neue Braukultur. Bier als neuer Ausdruck von Echtheit und Lebensgefühl. Herausgegeben von Sylvia Kopp, Sven Ehmann, Robert Klanten; Die Gestalten Verlag: Berlin 2014, ISBN 978-3-89955-534-9.
  • Steve Hindy: The Craft Beer Revolution. How a Band of Microbrewers Is Transforming the World’s Favorite Drink. Palgrave Macmillan: Basingstoke (Hampshire, England) 2010, ISBN 978-1-137-27876-0 (englisch).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Craftbeer. In: Duden, abgerufen am 3. August 2022.
  2. a b Benedikt Ernst: Craft Beer. In: essen-und-trinken.de, abgerufen am 18. April 2017.
  3. Oliver Wesseloh, Julia Wesseloh: Bier leben: Die neue Braukultur. Rowohlt, 2015, S. 67.
  4. Craft Beer – Revolution des Biergeschmacks. (Memento vom 24. Oktober 2018 im Internet Archive) In: W wie Wissen, ARD, 17. September 2016.
  5. Oliver Wesseloh, Julia Wesseloh: Bier leben: Die neue Braukultur. Rowohlt, 2015, S. 48.
  6. Germans react to Miller Beer auf YouTube, abgerufen am 8. Februar 2019
  7. Why Does American Beer Taste Like Water? auf YouTube, abgerufen am 8. Februar 2019
  8. Oliver Wesseloh, Julia Wesseloh: Bier leben: Die neue Braukultur. Rowohlt 2015, Seite 48
  9. Garrett Oliver: The Oxford Companion to Beer. Oxford University Press, New York 2011, ISBN 978-0-19-536713-3, S. 270–271: Eintrag zu Craft brewing (englisch).
  10. Number of Breweries. Daten und Zahlen zu Brauereien in den USA bei der Brewers Association, abgerufen am 23. Mai 2014 (englisch).
  11. Craft Brewer Definition. Brewers Association, abgerufen am 24. August 2018.
  12. Inlandsabsatz der führenden deutschen Biermarken 2017 | Statistik. Abgerufen am 29. Mai 2019.
  13. a b Nina-Anika Klotz: Craft Beer: Aus Schaum geboren. In: Zeit Online, 28. Oktober 2015, abgerufen am 18. April 2017.
  14. 2015 gab es im Vereinigten Königreich 1424 Brauereien [1], in Deutschland gemäß Statistischem Bundesamt 1388.
  15. Carsten Dierig: In der Hallertau dreht sich alles um den Hopfenanbau. In: welt.de. 18. Mai 2018, abgerufen am 7. Oktober 2018.
  16. a b Konkurrenz in der Bier-Szene belebt den Geschmack. In: VDI nachrichten, 6. November 2015, Nr. 45, S. 12 f.
  17. Der Verein
  18. Mikro-Brauereien machen den „Großen“ Konkurrenz. NDR, 16. März 2015.
  19. Höhe der Biersteuer. (Memento vom 19. Januar 2016 im Internet Archive) Website der Generalzolldirektion, abgerufen am 15. April 2017: „Kleinere Brauereien, deren Gesamtjahreserzeugung weniger als 200.000 Hektoliter beträgt, können ermäßigte Biersteuersätze in Anspruch nehmen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sie rechtlich und wirtschaftlich von anderen Brauereien unabhängig sind. Der durch diese Ermäßigung ausgestaltete Schutz kleinerer Brauereien dient als strukturförderndes Element.“
  20. Statistisches Bundesamt, zitiert nach: Statistik Braustätten in Deutschland 2015. (Memento vom 5. Juli 2016 im Internet Archive) Deutscher Brauer-Bund.
  21. Stefan Kreuzberger: Craft Beer aus Bonn. Der deutsche Hopfenrebell. In: Slow Food Magazin 1/2017, S. 33ff
  22. 26 Biere mit Platin geehrt, Brauhaus Riegele und Brauerei Hertog Jan sind die Craft Brauer des Jahres 2018
  23. Die besten Craft-Beer-Festivals im Sommer 2018
  24. Oliver Wesseloh, Julia Wesseloh: Bier leben: Die neue Braukultur. Rowohlt 2015, Seite 67
  25. Oliver Wesseloh, Julia Wesseloh: Bier leben: Die neue Braukultur. Rowohlt, 2015, Seite 69