Herzgeräusch

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Auskultationsorte der Herztöne

Als Herzgeräusch bezeichnet man ein meist pathologisches, im oder am Herzen entstehendes Geräusch bzw. länger als 0,1 Sekunde anhaltendes Schallphänomen, das von außen am Brustkorb gehört werden kann. Dazu bedient man sich eines Stethoskops (Auskultation) oder Mikrofons (Phonokardiografie), bei lauten Geräuschen reicht auch ein auf den Brustkorb gelegtes Ohr. Herzgeräusche sind nicht mit den „normalen“ Herztönen zu verwechseln. Herztöne können bei jedem gesunden Menschen gehört werden, Herzgeräusche weisen dagegen in der Regel auf ein Krankheitsbild hin. Ein systolisches Herzgeräusch (Systolikum) tritt während der Auswurfphase (Systole), ein diastolisches Herzgeräusch (Diastolikum) hingegen während der Füllungsphase (Diastole) des Herzens auf. Seltener sind kontinuierliche (systolisch-diastolische) Geräusche, die jedoch nicht am Herzen selbst entstehen.

Terminologie – Einteilung

Neben der o. g. Einteilung in systolisch, diastolisch und kontinuierlich, oder der Einteilung in „organische“, „funktionelle“ und „akzidentelle“ Herzgeräusche, werden Herzgeräusche häufig nach ihrer Lautstärke, dem Ort der größten Lautstärke bzw. lautesten Wahrnehmung (Punctum maximum, abgekürzt p. m. oder PM), ihrem Geräuschmuster und ihrer Geräuschqualität eingeteilt.

Lautstärke der Herzgeräusche

Die Lautstärke oder Intensität eines Geräuschs wird nach Samuel A. Levine in sechs Graden (oder sechs Sechstel) klassifiziert.[1]

Grad 1 (1/6)
Sehr leise, erst erkennbar, wenn man sich etwas „eingehört“ hat (sog. „Chefarzt-Herzgeräusch“ oder „Kardiologen-Herzgeräusch“). Evtl. nicht in jeder Körperhaltung hörbar.
Grad 2 (2/6)
Leises, aber unmittelbar beim Auflegen des Stethoskops hörbares Geräusch, Leiser als das Atemgeräusch.
Grad 3 (3/6)
Mäßig laut, etwa in der Lautstärke des Atemgeräusches.
Grad 4 (4/6)
Sehr lautes Geräusch, mit tastbarem Schwirren, lauter als das Atemgeräusch.
Grad 5 (5/6)
Sehr laut, mit tastbarem Schwirren. Auch hörbar, wenn das Stethoskop nur teilweise auf die Brustwand aufgelegt ist.
Grad 6 (6/6)
Sehr laut, auch hörbar, wenn das Stethoskop etwas von der Brustwand abgehoben ist (Distanzgeräusch).

Der Ort größter Lautstärke wird anatomisch (Beispiel: „zweiter Interkostalraum rechts“, abgekürzt „2. ICR re.“) oder nach der vermutlich verursachenden Herzklappe (Beispiel: „Aortenareal“) beschrieben.

Das Geräuschmuster wird als ansteigend (crescendo), abfallend (decrescendo), ansteigend und wieder abfallend („spindelförmig“) oder bandförmig (gleichbleibend) beschrieben (vgl. Tonstärke) und die Geräuschqualität häufig mit Begriffen wie rau, reibend, hauchend, gießend oder musikalisch belegt.

Auch die Dauer (früh-, mittel- oder spätsystolisch bzw. -diastolisch) und die Ausstrahlung (in die Halsschlagadern oder die Achselhöhle) eines Herzgeräusches können von Bedeutung sein.

Holosystolisch nennt man ein Geräusch, das sich über die ganze Systole ausbreitet. Mesosystolisch ist ein in deren Mitte gelegenes.

Bedeutung

Systolisches Herzgeräusch

Ein systolisches Herzgeräusch kann insbesondere bei Kindern, Jugendlichen, Schwangeren und bei Aufregung oder nach Anstrengung völlig normal sein. Es heißt dann auch akzidentelles Herzgeräusch. Akzidentelle Herzgeräusche treten insbesondere bei Kindern häufig auf und sind ohne Krankheitswert.

Bei Erwachsenen sind systolische Herzgeräusche meistens Ausdruck einer krankhaften Störung der Strömung im Herzen, zum Beispiel

Diastolisches Herzgeräusch

Ein diastolisches Geräusch weist immer auf einen krankhaften (pathologischen) Prozess am Herzen hin. Dabei handelt es sich um

  • eine Schlussunfähigkeit einer Taschenklappe (Aorteninsuffizienz oder Pulmonalinsuffizienz) oder
  • eine Verengung einer Atrioventrikularklappe (Mitralstenose oder die sehr seltene Trikuspidalstenose)

Sonstiges Herzgeräusch

Kombinierte Aortenklappenfehler (Aortenstenose und -insuffizienz) sowie viele komplexe Herzfehler führen zu systolisch-diastolischen Geräuschen. Sehr typisch für den offenen Ductus arteriosus ist ein solches Geräusch, wenn es unterhalb des linken Schlüsselbeines am lautesten ist (→ Maschinengeräusch). Auch das sogenannte Perikardreiben bei einer Herzbeutelentzündung (Perikarditis) ist typischerweise sowohl in der Systole als auch in der Diastole vernehmbar.

Einteilung in organische, funktionelle und akzidentelle Geräusche

Organische Herzgeräusche sind durch Turbulenzen an verengten oder funktionseingeschränkten Herzklappen, an Herz- oder Gefäßmissbildungen entstehende Geräusche.

Funktionelle Herzgeräusche entstehen durch ein vergrößertes Herzschlagvolumen mit erhöhter Flussgeschwindigkeit durch eine relative enge Öffnung.

Akzidentelle Herzgeräusche haben keine pathognomonische Bedeutung und sind nicht durch einen bestimmten Entstehungsmechanismus und Entstehungsort charakterisiert.

Für den Patienten

Da manche Herzgeräusche völlig normal sind und andere bereits bei leichten krankhaften Veränderungen auftreten können, lässt der Geräuschbefund allein meist noch keine Aussage über dessen Bedeutung zu. Zwar können kardiologisch erfahrene Ärzte mit den Befunden der körperlichen Untersuchung einschließlich Auskultation oft bereits eine recht genaue Diagnose stellen, zuverlässig aber lässt sich die Ursache eines Herzgeräusches oft erst mit Hilfe der Echokardiografie klären.

Literatur

  • Walter Siegenthaler (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose. 19. Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart/ New York 2005, ISBN 3-13-344819-6.
  • Douglas P. Zipes u. a. (Hrsg.): Braunwald's Heart Disease: A Textbook of Cardiovascular Medicine. 7. Auflage. W.B. Saunders Company, Philadelphia 2004, ISBN 1-4160-0014-3.
  • S2k-Leitlinie Abklärung eines Herzgeräuschs im Kindes- und Jugendalter der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK). In: AWMF online (Stand 2013)
  • Klaus Holldack, Klaus Gahl: Auskultation und Perkussion. Inspektion und Palpation. Thieme, Stuttgart 1955; 10., neubearbeitete Auflage ebenda 1986, ISBN 3-13-352410-0, S. 128–208.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. A. R. Freeman, S. A. Levine: Clinical significance of systolic murmurs. Ann Intern Med 1933; 6, S. 1371–1385. In der Erstpublikation wurden nur die Grade 1, 2 und 6 genau definiert. 1959 schlug Levine die hier genannte Definition für Grad 5 vor, die Unterscheidung zwischen Grad 3 und 4 blieb dem Untersucher überlassen. Später wurde als Kriterium dafür das tastbare Schwirren eingeführt.