Deirdre McCloskey

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Deirdre McCloskey (2014)

Deirdre Nansen McCloskey (* 11. September 1942 in Ann Arbor, Michigan als Donald Nansen McCloskey) ist eine US-amerikanische Ökonomin und Professorin.

Karriere

Deirdre McCloskey gilt als eine der führenden Ökonomen, Wissenschaftler und Intellektuellen der USA. Ihre Professur an der University of Illinois at Chicago (UIC) – an der sie seit 1999 lehrt – ist Ausdruck eines eher ungewöhnlichen akademischen Werdegangs. Ihr derzeitiger Titel lautet Ordentliche Professorin für Ökonomie, Geschichte, Englisch und Kommunikation. Sie ist zudem außerordentliche Professorin für Philosophie und Klassik an der UIC und war über einen Zeitraum von fünf Jahren Professorin für Ökonomie, Philosophie, Geschichte, Englisch und Kulturwissenschaften an der Erasmus-Universität Rotterdam in den Niederlanden. Seit Oktober 2007 hat sie zwei Ehrendoktorwürden erhalten.

2021 wurde McCloskey in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.

Aufgewachsen als das älteste Kind einer Poetin, Helen Stueland McCloskey, und des angesehenen Professors für Staatsführung an der Harvard University, Robert McCloskey, studierte McCloskey Wirtschaftswissenschaften an der Harvard University. Ihre Studie über die britische Eisen- und Stahlindustrie brachte ihr 1973 den David-A.-Wells-Preis für herausragende Dissertationen ein. Während ihrer Graduiertenstudien in quantitativer Wirtschaftsgeschichte wurde sie sehr durch das Denken des russischen Wirtschaftshistorikers Alexander Gerschenkron beeinflusst. Etwa zur gleichen Zeit begann McCloskey sich für das Denken der Chicagoer Schule der Wirtschaftswissenschaften zu interessieren. 1968 – noch bevor sie ihr Studium abgeschlossen hatte – wurde McCloskey von Milton Friedman und Robert Fogel eingeladen, an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Chicago zu lehren. Zwölf Jahre lang lehrte und erforschte sie dort Preistheorien und die Geschichte des Ökonomischen Denkens, bis sie 1979 ihren Fokus auf Rhetorik, Feminismus und die Geschichte und Philosophie der Wirtschaftswissenschaften und anderer Humanwissenschaften richtete. Hervorzuheben sind hier ihre Veröffentlichung The Rhetoric of Economics (1985) und die Gründung des Forschungsfeldes The Rhetoric of Human Sciences zusammen mit John S. Nelson, Allan Megill und anderen, sowie das Graduiertenprogramm The Project on Rhetoric of Inquiry.

McCloskey ist Autorin oder Herausgeberin von mehr als 20 Büchern und über 300 Artikeln, die sich kritisch mit den Annahmen der Wirtschaftswissenschaften auseinandersetzen.

Ihre Hauptbeiträge zu ihrem Forschungsgebiet seit den 1960er Jahren sind Abhandlungen über die ökonomische Geschichte Britanniens, Qualitätsbewertung historischer Analyse, Rhetorik der Wirtschaftswissenschaften, Rhetorik der Humanwissenschaften, Ökonomische Methodologie, Ethik, feministische Ökonomie, heterodoxe Ökonomie, die Rolle der Mathematik in der ökonomischen Analyse sowie der Gebrauch (und Missbrauch) von Signifikanztests in der ökonomischen Forschung.

Ihre Forschung auf letzterem Feld gilt bei Ökonomen aller Schulen als wichtiger Beitrag zur modernen Ökonomie. Sie kritisierte, dass Ökonomen zu häufig nur nach statistischer Signifikanz schauen, ohne dabei auf ökonomische Signifikanz zu achten.

Ihr Hauptwerk beschäftigt sich jedoch mit der Ethik der Tugend. Liebe, sagt sie, sollte von Ökonomen bei der Forschung ebenso berücksichtigt werden wie Effizienz und Rationalität. Einige dieser Anmerkungen verdeutlichte sie bei einer Vorlesung an der George Mason University am 7. April 2006. Dort sagte sie, Kapitalismus sei „ethisch verwässerte menschliche Aktivität“, die das Vorhandensein aller menschlichen Tugenden erfordere. Ökonomen berücksichtigten jedoch übermäßig die Tugend der Klugheit.[1] Ihr neuestes Buch The Bourgeois Virtues: Ethics for an Age of Commerce ist das erste eines angekündigten fünfteiligen Opus magnum.

Leben

McCloskey unterzog sich 1995, im Alter von 53 Jahren, einer geschlechtsangleichenden Operation. Diesen Vorgang beschrieb sie in ihrem Aufmerksamkeit erregenden Buch Crossing: A Memoir (1999, University of Chicago Press). Eine Auseinandersetzung mit J. Michael Bailey zu diesem Thema führte in den USA zu großem Medieninteresse.[2]

Veröffentlichungen

  • Essays on a Mature Economy: Britain after 1840. 1971
  • Economic Maturity and Entrepreneurial Decline: British Iron & Steel, 1870–1913. 1973
  • Enterprise and Trade in Victorian Britain: Essays in Historical Economics. 1981
  • The Applied Theory of Price. 1982 und 1985
  • The Rhetoric of Economics. 1985 und 1998
  • The Rhetoric of the Human Sciences: Language and Argument in Scholarship and Public Affairs. 1987
  • Econometric History. 1987
  • The Writing of Economics. 1987, Nachdruck als Economical Writing. 2000
  • The Consequences of Economic Rhetoric. 1988
  • A Bibliography of Historical Economics to 1980. 1990
  • If You're So Smart: The Narrative of Economic Expertise. 1990
  • Second Thoughts: Myths and Morals of U.S. Economic History. 1993
  • Knowledge and Persuasion in Economics. 1994
  • The Vices of Economists, the Virtues of the Bourgeoisie. 1996
  • Measurement and Meaning in Economics: The Essential Deirdre McCloskey. 1999 [herausgegeben von Stephen Ziliak]
  • Crossing: A Memoir. 1999
  • How to be human. Though an economist. 2000
  • The Secret Sins of Economics. 2002
  • The Bourgeois Virtues : Ethics for an Age of Commerce. 2006
  • mit Stephen T. Ziliak: The Cult of Statistical Significance: How the Standard Error Costs Us Jobs, Justice, and Lives. University of Michigan Press, 2008
  • mit Arjo Klamer und Stephen Ziliak: The Economic Conversation. 2008
  • Bourgeois Dignity: Why Economics Can't Explain the Modern World. 2010.
  • Bourgois Equality. How Ideas, not Capital or Institutions, Enriched the World. Chicago University Press, Chicago, Illinois, USA 2016, ISBN 978-0-226-33399-1.

Artikel

  • The Rhetoric of Economics. In: Journal of Economic Literature. Band 21, Nr. 2 (Juni 1983), S. 481–517
  • The Loss Function Has Been Mislaid: The Rhetoric of Significance Tests. In: The American Economic Review. Band 75, Nr. 2, Mai 1985, S. 201–205 (Papers and Proceedings of the Ninety-Seventh Annual Meeting of the American Economic Association)
  • The Rhetoric of Law and Economics. In: Michigan Law Review. Band 86, Nr. 4, Februar 1988, S. 752–767
  • Modern Epistemology Against Analytic Philosophy: A Reply to Maki. In: Journal of Economic Literature. Band 33, Nr. 3, September 1995, S. 1319–1323
  • Measured, unmeasured, mismeasured, and unjustified pessimism: a review essay of Thomas Piketty's Capital in the twenty-first century. In: Erasmus Journal for Philosophy and Economics. Band 7, Nr. 2, Herbst 2014, S. 73–115

Literatur

  • Mark Blaug (Hrsg.): Who’s who in economics. 3. Auflage, Elgar, Cheltenham [u. a.] 1999, ISBN 1-85898-886-1, S. 751–752

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Deirdre McCloskey: The Hobbes Problem: From Machiavelli to Buchanan (Memento vom 14. Juli 2009 im Internet Archive) (Internet-Archiv Alternativen (Memento vom 20. April 2006 im Internet Archive)) – (PDF, 25S.), George Mason University, April 7, 2006
  2. Benedict Carey: Criticism of a Gender Theory, and a Scientist Under Siege, New York Times, 21. August 2007