ANSI-Escapesequenz

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von ECMA-48)

ANSI-Escapesequenzen oder ANSI-Escapecodes sind Zeichenfolgen zur Bildschirmsteuerung (Escapesequenzen), die das ASCII-/ANSI-Zeichen 27 (1B hexadezimal), „Escape“, als einleitendes Steuerzeichen nutzten und auf dem Standard von ANSI X3.64 und ECMA-48 beruhen. Diese ANSI/ECMA-Norm definiert einen Standard zur Bildschirm- und Tastatursteuerung auf Terminals wie der DEC VT100 (1979). Außer auf Terminals selbst sind ANSI-Escapesequenzen in entsprechenden Terminalemulationen und in Kommandozeileninterpretern implementiert.

Die 2. Ausgabe von ECMA-48 wurde 1978 als ISO 6429 und mit der 4. Ausgabe 1986 als ISO/IEC 6429 standardisiert. Der aktuelle ECMA-48-Standard entspricht der 5. Ausgabe vom Juni 1991.

Geschichte

In den 1970er-Jahren wurde der ASCII-Standard, der bereits 1968 festgelegt worden war, durch das

(ANSI) überarbeitet. Dieser als ANSI X3.4-1977 bezeichnete Standard definiert jedoch nur die ersten 7 Bit, wurde als die ASCII-Zeichentabelle bekannt und bildet die Grundlage für weitere internationale Zeichensätze. Die ersten Arbeiten zur Standardisierung eines 8-Bit-Zeichensatzes resultierten bereits 1971 in ANSI X3.41 und ECMA-35. Gemeinsam mit der

(ECMA) wurde in den Komitees mit den Bezeichnungen „X3L2“ bei ANSI und „TC 1“ bei ECMA an der Erweiterung der 8-Bit-Eingabe- und -Ausgabesteuerung gearbeitet, was u. a. die Möglichkeiten der Videoausgabe auf Terminals erweitern und gleichzeitig standardisieren sollte. Das Ergebnis dieser Arbeit ist ECMA-48 vom September 1976 sowie ANSI X3.64 von 1977. Diese Spezifikation wurde auch dem ISO-Komitee vorgelegt und 1978 als ISO 6429 akzeptiert. Die 2. Ausgabe von ANSI X3.64 und ECMA-48 von 1979 ist identisch mit der ISO-Norm.

Die ersten Terminals, die ANSI X3.64-1977 umsetzten, waren der DEC-VT100-Terminal von 1978 und der Heathkit H89 von 1979.

Standards

Der Standard wurde mit minimalen Abweichungen sowohl von ANSI als auch ECMA herausgegeben und nach Einreichung auch zur ISO- und IEC-Norm. Allerdings sind nur die ECMA-Standards frei zugänglich (gratis). Der ANSI-Standard wurde zugunsten der ISO-Norm zurückgezogen, um Doppelstandardisierung zu vermeiden.

Jahr Bezeichnung ANSI ECMA ISO/IEC
1965
7-bit Coded Character Set
USAS[1] X3.4 ECMA-6[2] ISO/IEC 646
1971
Character Code Structure and Extension Techniques
ANSI X3.41 ECMA-35[3] ISO/IEC 2022
1974
8-bit Coded Character Set Structure and Rules
? ECMA-43[4] ISO/IEC 4873
1979
Control Functions for Coded Character Sets
ANSI X3.64 ECMA-48[5] ISO/IEC 6429

Die Standards sind aufbauend und miteinander verwoben – wurde einer der Standards angepasst, so wurde meist auch eine angepasste Version der anderen Standards veröffentlicht. Leider gibt es dennoch in unterschiedlichen Implementierungen und Dokumenten (sogar Standards und Normen) zueinander inkompatible Steuerzeichen und -sequenzen.[6]

ANSI-Steuerzeichen und -Steuersequenzen

Der ASCII-Standard nach ECMA-6 (ANSI X3.4) definiert C0-Steuerzeichen (im Bereich 0–31 dezimal bzw. 00–1F hexadezimal) und ist auf 7 Bits begrenzt. Die Erweiterung auf 8 Bit nach ECMA-43 beinhalten die als C1 bezeichneten Steuerzeichen im Bereich von 128–159 dezimal bzw. 80–9F hexadezimal für die Bildschirm- und Druckersteuerung. Weil jedoch der Platz für Steuerzeichen begrenzt war, wurden zusätzliche Befehle und Funktionen über Steuersequenzen implementiert.[7]

Während ein Steuerzeichen eine Funktion direkt umsetzt, sind bei einer Steuersequenz mehrere Zeichen notwendig. Die Anzahl der Zeichen ist je nach Funktion unterschiedlich. Die primären Steuerzeichen liegen im C1-Bereich und sind daher nur auf Systemen mit 8-Bit-Zeichensätzen verfügbar. Sie sind nach ANSI X3.64 bzw. ECMA-48 standardisiert und beinhalten Cursor-Befehle, Bildschirm-Befehle (Lösch-, Attribut-, Modus-Befehle) und Tastatur-Befehle.[8]

Escapesequenzen

Damit aber auch 7-Bit-Systeme von den erweiterten ANSI-Steuerzeichen und -Steuersequenzen profitieren können, wurden sogenannte Escapesequenzen eingeführt. Es gibt von den meisten Steuerzeichen im C1-Bereich ein Äquivalent dazu über eine Escapesequenz, die somit auch auf Systemen mit 7-Bit-Zeichensatz – dem ASCII-Zeichensatz – verfügbar sind. Diese wurden als „ANSI-Escapesequenzen“ (englisch ANSI escape sequences, manchmal auch

ANSI escape codes

) bekannt.[7]

ANSI-Steuerzeichen

Dies ist ein Auszug von C1-Steuerzeichen aus dem 8-Bit-„ANSI“-Zeichensatz, die mittels Escapesequenzen (C0-Steuerzeichen an ASCII-Position 27) im 7-Bit-ASCII-Zeichensatz zugänglich sind.

7-Bit-Äquivalent (C0) zu den erweiterten 8-Bit-Steuerzeichen (C1)
Steuerbefehl C1-Position C0-Positionen
Zeichenname ISO IETF Hex Dez Okt Escapesequenz Hex Dez Okt
Padding Character
PAD PA 80 128 200 ESC @ 1B 40 027 064 33 100
High Octet Preset
HOP HO 81 129 201 ESC A 1B 41 027 065 33 101
Break Permitted Here
BPH BH 82 130 202 ESC B 1B 42 027 066 33 102
No Break Here
NBH NH 83 131 203 ESC C 1B 43 027 067 33 103
Index
IND IN 84 132 204 ESC D 1B 44 027 068 33 104
Next Line
NEL NL 85 133 205 ESC E 1B 45 027 069 33 105
Start of Selected Area
SSA SA 86 134 206 ESC F 1B 46 027 070 33 106
End of Selected Area
ESA ES 87 135 207 ESC G 1B 47 027 071 33 107
Character Tabulation Set
HTS HS 88 136 210 ESC H 1B 48 027 072 33 110
Character Tabulation with Justification
HTJ HJ 89 137 211 ESC I 1B 49 027 073 33 111
Line Tabulation Set
VTS VS 8A 138 212 ESC J 1B 4A 027 074 33 112
Partial Line Forward
PLD PD 8B 139 213 ESC K 1B 4B 027 075 33 113
Partial Line Backward
PLU PU 8C 140 214 ESC L 1B 4C 027 076 33 114
Reverse Line Feed
RI RI 8D 141 215 ESC M 1B 4D 027 077 33 115
Single Shift 2
SS2 S2 8E 142 216 ESC N 1B 4E 027 078 33 116
Single Shift 3
SS3 S3 8F 143 217 ESC O 1B 4F 027 079 33 117
Device Control String
DCS DC 90 144 220 ESC P 1B 50 027 080 33 120
Private Use One
PU1 P1 91 145 221 ESC Q 1B 51 027 081 33 121
Private Use Two
PU2 P2 92 146 222 ESC R 1B 52 027 082 33 122
Set Transmit State
STS TS 93 147 223 ESC S 1B 53 027 083 33 123
Cancel Character
CCH CC 94 148 224 ESC T 1B 54 027 084 33 124
Message Waiting
MW MW 95 149 225 ESC U 1B 55 027 085 33 125
Start Protected Area
SPA SG 96 150 226 ESC V 1B 56 027 086 33 126
End Protected Area
EPA EG 97 151 227 ESC W 1B 57 027 087 33 127
Start Of String
SOS SS 98 152 230 ESC X 1B 58 027 088 33 130
Single Graphic Character Introducer
SGCI GC 99 153 231 ESC Y 1B 59 027 089 33 131
Single Character Introducer
SCI SC 9A 154 232 ESC Z 1B 5A 027 090 33 132
ROI 9A 154 232 ESC % 1B 25 027 037 33 45
Control Sequence Intro
CSI CI 9B 155 233 ESC [ 1B 5B 027 091 33 133
String Terminator
ST SI 9C 156 234 ESC \ 1B 5C 027 092 33 134
Operating System Command
OSC OC 9D 157 235 ESC ] 1B 5D 027 093 33 135
Privacy Message
PM PM 9E 158 236 ESC ^ 1B 5E 027 094 33 136
Application Program Command
APC AC 9F 159 237 ESC _ 1B 5F 027 095 33 137

Zur Berechnung der Escapesequenz wird vom C1-Steuerzeichen 40h, 64 dezimal oder 100 oktal abgezogen. So hat beispielsweise das Steuerzeichen PAD die C1-Position 80h: zieht man 40h davon ab erhält man die Escapesequenz ESC @, weil das @-Zeichen die C0-Position 40h hat, also 80h-40h=40h. Ebenso verhält es sich bei in dezimal ausgedrückten Zeichenpositionen: 128-64=64 (entspricht 40h), sowie oktal: 200-100=100 (entspricht 40h).

Der einzige Nachteil der Escapesequenz ist, dass ein zusätzliches Zeichen pro Steuerbefehl verarbeitet werden muss, was auf langsamen Terminals zu Geschwindigkeitseinbußen führen konnte – zumindest theoretisch und wenn ein ANSI-Script sehr lang war. Nach der Spezifikation können alle 8-Bit-fähigen Geräte auch die 7-Bit-Escapefunktion nutzen, sodass sich die Escapesequenzen durchgesetzt haben.

Zeichensätze

In den meisten Zeichensätzen sind die C0- und C1-Steuerzeichen an den normierten Positionen enthalten. Außer auf emulierten VT100-Terminals finden jedoch fast nur C0-Steuerzeichen Verwendung.[9]

Bei der Entwicklung von Unicode wurden diese ebenfalls übernommen, sodass in Unicode die Steuerzeichen gem. ANSI X3.64 und ECMA-48 innerhalb der ersten 256 Positionen abgebildet sind. ANSI-Escapesequenzen sind bei Unicode zwar ohne Funktion, jedoch wurden einige der Funktionen an anderer Unicode-Position ähnlich umgesetzt (z. B. ein geschütztes Leerzeichen).

Steuerzeichen

Die über eine Escapesequenz aufgerufene Funktion eines C1-Steuerzeichens hat gemäß Spezifikation genau die gleiche Funktion wie das einzelne Steuerzeichen. Als Escapesequenz bleiben Steuerzeichen innerhalb des 7-Bit-C0-Bereichs von ASCII und sind somit mit Systemen, die nur 7-Bit unterstützen oder in diesen Modus geschaltet wurden, kompatibel.

Steuersequenzen

Eine Steuersequenz wird immer durch ein Steuerzeichen eingeleitet und besteht mindestens aus zwei Zeichen. Bei variabler Größe wird die Steuersequenz durch ein definiertes abschließendes Zeichen oder durch ein Trennzeichen abgeschlossen. Eine Steuersequenz wird wie ein einzelnes Steuerzeichen behandelt, mit dem Unterschied, dass die gesamte Steuersequenz gelesen werden muss, bevor deren Umsetzung erfolgen kann.

Im Wesentlichen gibt es drei Steuerzeichen, die eine Steuersequenz einleiten:

  • ESC,
  • SCI,
    Single Character Introducer
    bzw. ROI auf VT100-Terminals
  • CSI,
    Control Sequence Intro

Nur das Steuerzeichen ESC liegt im ASCII-Bereich und ist daher ein 7-Bit-kompatibles C0-Steuerzeichen. Die beiden C1-Steuerzeichen SCI bzw. ROI und CSI können über eine Escapesequenz substituiert werden, womit die Steuersequenz dann ASCII-kompatibel auf 7-Bit beschränkt bleibt.

Die Steuerzeichen APC, DCS, OSC, PM und SOS leiten ebenfalls eine Steuersequenz ein und müssen mit dem Trennzeichen ST abgeschlossen werden.

Single Character Introducer

Das Steuerzeichen „

Single Character Introducer

“ (SCI) leitet eine Steuersequenz mit nur einem einzigen zusätzlichen Zeichen ein und benötigt daher auch kein Trennzeichen. Da jedoch die Funktionen dieses Steuerzeichens nicht standardisiert wurden, bedeuten sie auf jedem System etwas anderes.

<ESC>Z<Funktion>

Die jeweilige proprietäre Funktion wird mit der Escapesequnz ESC Z eingeleitet, gefolgt von einer definierten Funktion. Da der ECMA-/ANSI-Standard keine standardisierten Funktionen festlegt, kann jede Implementierung eigene proprietäre Funktionen festlegen.

Auf DECs VT100 wird dasselbe C1-Steuerzeichen (154 bzw. 9Ahex) für das proprietäre Steuerzeichen ROI verwendet, das jedoch mit einer anderen Escapesequenz eingeleitet wird: ESC %. Anders als CSI ist ROI jedoch von variabler Länge.

Viele Terminalemulationen bieten einen VT100-kompatiblen Modus.

Beispiel:

<ESC>%0K

Die Steuersequenz ROI 0 K schaltet die Tastatur aus. Mit ROI 1 K wird sie wieder eingeschaltet.

<ESC>%1I

Mit der Steuersequenz ROI 1 I kann die aktuelle IP-Adresse abgefragt werden. Die Rückgabe hat das Format ROI ? <IP-Adresse> I.

Control Sequence Intro

Das Steuerzeichen „

Control Sequence Intro

“ (CSI) ist das meist genutzte Steuerzeichen, da es eine Vielzahl weiterer Funktionen bietet, die sonst nicht mehr in den verfügbaren Rahmen von nur 8 Bit gepasst hätten. Es wird mit dem Zeichen 9Bhex im 8-Bit-Modus, meist jedoch als Escapesequenz ESC [ im 7-Bit-Modus, also 1Bhex 5Bhex, eingeleitet.

Eine CSI-Steuersequenz setzt sich immer aus einem einleitenden Steuerzeichen oder der entsprechenden Escapesequenz, einem Parameterteil und einem abschließenden Zeichen zusammen, wobei letzteres die Funktion bestimmt. Im Parameterteil wird der Strichpunkt ; als Trennzeichen genutzt. Der Parameterteil ist optional bzw. es gibt meist einen Standardparameter, wenn dieser fehlt.

<ESC>  [  0  ;  1  ;  4  m
|      |  |           |  |
+---+--+  +-----+-----+  |
    |           |        |
Steuerzeichen   |   abschließendes Zeichen
         Parameterteil

In diesem Beispiel ist ESC [ das einleitende Steuerzeichen CSI als Escapesequenz, gefolgt von den Parametern 0;1;4, abgeschlossen durch das Zeichen m, das die eigentliche Funktion bestimmt.

Wird der Parameterteil weggelassen, so sieht die Steuersequenz so aus:

<ESC>[m

Diese Steuersequenz ist gleichbedeutend mit ESC [ 0 m, da 0 der Standardparameter ist.

Sicherheit

Da die Steuerzeichen auch dazu verwendet werden können, Tastatureingaben zu simulieren und umzudefinieren, kann eine Datei mit ANSI-Escapesequenzen auf einem Computer auch Schaden anrichten. Dabei ist es lediglich nötig, die Datei von einem voll ANSI-fähigen Programm anzeigen zu lassen, welches dann die enthaltenen Escapesequenzen ungefiltert ausführt. Diese Art der Schadfunktion wird auch als ANSI-Bombe bezeichnet.[10][11]

Zu Zeiten von MS-DOS konnte sogar mit einer manipulierten Laufwerksbezeichnung eine ANSI-Bombe realisiert werden, sodass ein dir a: ausreichte, wenn ANSI.SYS geladen war.[10] Aber auch moderne Terminals sind noch anfällig für

Terminal Escape Injection

.[12]

Implementierungen

Hardware:

  • DEC VT100 und dessen Nachfolgemodelle (VT102, VT220, VT320, VT420, VT520)
  • Heathkit H89 und Terminal-Varianten (H19; auch als Zenith Z19)

Software:

Weblinks

Einzelnachweise

  1. ANSI: Historical Overview (englisch); abgerufen am 27. März 2016. Das
    American National Standards Institute
    (ANSI) hieß vor 1969
    United States of America Standards Institute
    (USASI).
  2. ECMA-6 (englisch)
  3. ECMA-35 (englisch)
  4. ECMA-43 (englisch)
  5. ECMA-48 (englisch)
  6. (englisch, PDF, 153 kB); abgerufen am 28. März 2016
  7. a b Aivosto: Control characters in ASCII and Unicode (englisch), Abschnitt
    History of C1
    ; Zitat: “
    The standards actually cover more control codes than those that fit in the C1 area. These additional controls are used via control sequences (escape sequences). […] the sequences are an important part of the standards that should be used together with the C1 controls. The sequences, together with C1, are also known as VT100 and ANSI escape sequences.
  8. Programming: ANSI.SYS Escape Sequences (englisch); abgerufen am 26. März 2016.
  9. Aivosto, Resources for developers: Control characters in Unicode (englisch); abgerufen am 28. März 2016.
  10. a b
  11. Viel Farbenpracht mit Ansi-Bomben. PC-Welt; abgerufen am 26. März 2016.
  12. Terminal Escape Injection. (Blog) InfosecMatter, 16. April 2020, abgerufen am 16. Oktober 2020 (englisch).
  13. ANSI.SYS MSDN; abgerufen am 26. März 2016 (englisch).
  14. manpage: console codes (englisch)
  15. Ask Felgall (Computer Help): OS/2 Command Reference (englisch); abgerufen am 5. April 2016.
  16. Nivot Ink Blog: (englisch), Oisin Grehan, 4. Februar 2016; abgerufen am 26. März 2016.