Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße
Das Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (Abkürzung ADR, seit 2021 Agreement concerning the International Carriage of Dangerous Goods by Road, bis 2020 Accord européen relatif au transport international des marchandises Dangereuses par Route), das am 30. September 1957 in Genf geschlossen wurde, enthält besondere Vorschriften für den Straßenverkehr hinsichtlich Verpackung, Ladungssicherung und Kennzeichnung von Gefahrgut.
Geschichte
Das ADR wurde am 30. September 1957 in Genf unter der Anleitung der UNECE geschlossen und trat am 29. Januar 1968 in Kraft; die vollständige Bezeichnung lautete damals Accord européen relatif au transport international des marchandises Dangereuses par Route. Zu den Unterzeichnerstaaten gehörten unter anderem Frankreich und Deutschland. Wirksam wurde das ADR zunächst durch Umsetzung in das jeweilige nationale Recht. Heute sind alle EU-Staaten auch ADR-Unterzeichner, das ADR ist durch eine EU-Verordnung rechtsgültig.
Am 13. Mai 2019 wurde auf einer Versammlung der ADR-Länder eine Änderung des offiziellen Namens unter Weglassen des „europäisch“ vorgeschlagen, da die Übereinkunft auch nicht-europäischen Staaten den Beitritt ermöglicht (vgl. Abschnitt Vertragsstaaten). Am 30. November 2019 wurde die Namensänderung mit Wirkung zum 1. Januar 2021 beschlossen.[1]
Das ADR wird alle zwei Jahre an die neuesten technischen und juristischen Erkenntnisse angepasst. Derzeit gilt das ADR 2021.[2] Es bleibt das wichtigste Regelwerk für die Beförderung gefährlicher Güter auf internationalen Transportwegen. Überarbeitungen betreffen u. a. Begrifflichkeiten und Kennzeichnungen, UN-Nummern und Verpackungsanweisungen sowie die Beförderung von Lithium-Ionen-Batterien und -Akkumulatoren, die spätestens ab 1. Juli 2021 anzuwenden sind.[3] Das Wort Europäisch wurde aus dem Titel gestrichen. Der neue ADR-Titel lautet Agreement concerning the International Carriage of Dangerous Goods by Road. Denn geografisch und politisch gilt es längst über den europäischen Bereich hinaus. Außerdem soll weiteren Staaten die Mitgliedschaft erleichtert und internationale Transportvorschriften im Straßenverkehr weiter vereinheitlicht werden.[4]
Vertragsstaaten
Derzeit gibt es folgende 53 ADR-Mitgliedsstaaten:
Albanien, Andorra, Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien[5], Griechenland, Irland, Island[6], Italien, Kasachstan, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Marokko, Nordmazedonien, Montenegro, Niederlande, Nigeria, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Republik Moldau, Rumänien, Russische Föderation, San Marino, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Tadschikistan, Türkei, Tunesien, Tschechische Republik, Ukraine, Ungarn, Usbekistan, Vereinigtes Königreich und Zypern.
Der derzeit letzte Staat, der sich dem Übereinkommen anschloss, war Armenien am 12. April 2022.[7]
Funktion
Das ADR regelt unter anderem
- die Einstufung (Klassifizierung) der zu transportierenden Güter als Gefahrgut
- Verwendung von Verpackungen von Gefahrgut
- Bezettelung (Kennzeichnung) und Markierung von Verpackungen und anderen Umschließungen
- Dokumentation wie Beförderungspapier und schriftliche Weisung eines Gefahrguttransports
- den Bau- und Prüfvorschriften von Behältern, Tanks und, teilweise, Fahrzeugen für Gefahrguttransporte
- Befreiungen von der Einhaltung der Regeln des ADR (Erleichterungen, Freistellungen, Kleinmengenregelungen)
Das ADR fordert unter anderem, dass
- der Fahrer in vielen Fällen einen Gefahrgutführerschein (ADR-Schein/ ADR-Card) besitzen muss
- Fahrzeuge für Gefahrgut mit besonderen Ausrüstungsgegenständen für Notfallmaßnahmen ausgestattet sind
- alle an der Beförderung Beteiligten Sachkenntnisse über die Gefahrgutvorschriften nachweisen und regelmäßig auffrischen müssen.
- viele Unternehmen, die an der Beförderung von Gefahrgütern beteiligt sind, einen Gefahrgutbeauftragten haben müssen.
Aufbau des ADR
Das ADR besteht aus den Anlagen A und B welche in neun Teile gegliedert sind. Anlage A besteht aus den Teilen 1 bis 7 und Anlage B aus den Teilen 8 und 9. Jeder Teil ist in Kapitel und jedes Kapitel in Abschnitte und Unterabschnitte unterteilt
- Übereinkommen (Art. 1–17)
- Anlage A Vorschriften über die gefährlichen Stoffe und Gegenstände
- Teil 1 Allgemeine Vorschriften
- Teil 2 Klassifizierung: Gefahrgutklasse (ADR-Klassen)
- Teil 3 Verzeichnis der gefährlichen Güter, Sondervorschriften sowie Freistellungen in Zusammenhang mit der Beförderung von in begrenzten Mengen verpackten gefährlichen Güt
- Teil 4 Verwendung von Verpackungen, Großpackmitteln (IBC), Großverpackungen und Tanks
- Teil 5 Vorschriften für den Versand
- Teil 6 Bau- sowie Prüfvorschriften für Verpackungen, Großpackmittel (IBC), Großverpackungen und Tanks
- Teil 7 Vorschriften für die Beförderung, die Be- und Entladung und die Handhabung
- Anlage B Vorschriften für die Beförderungsausrüstung und die Durchführung der Beförderung
- Teil 8 Vorschriften für die Fahrzeugbesatzungen, die Ausrüstung, den Betrieb der Fahrzeuge und die Dokumentation
- Teil 9 Vorschriften für den Bau und die Zulassung der Fahrzeuge
Sicherheitspflichten, Dokumentation und Unterweisung
Zentraler Inhalt des ADR ist Dokumentation des Transportvorganges, Klärung der Sicherheitspflichten der Beteiligten und Unterweisung der beteiligten Personen, vom Versender über Verpacker und Transporteur und den Empfänger der Sendung, bis hin zur Notfallkette im Schadfalle.[8]
Kennzeichnung/ Markierung
Das ADR fordert die Gefahrgutkennzeichnung von Transportverpackung und Fahrzeug mit den Gefahrzetteln, und auf Fahrzeugen auch die Gefahrentafel (orangefarbene Warntafel), teilweise mit der Gefahrnummer (Kemlerzahl) und der UN-Nummer sowie Großzetteln.
Persönliche Schutzausrüstung
Diese ist in den schriftlichen Weisungen aufgeführt. Die persönliche Schutzausrüstung muss jedes Mitglied der Fahrzeugbesatzung bei kennzeichnungspfichtigen Gefahrguttransporten mitführen. Zur persönlichen Schutzausrüstung gehören:
- eine Augenschutzausrüstung (z. B. Schutzbrille)
- ein Paar Schutzhandschuhe
- ein tragbares Beleuchtungsgerät
- eine Warnweste
- eine Notfallfluchtmaske (nur erforderlich bei den Gefahrgutklassen 2.3 und 6.1).
Fahrzeugausrüstung
Diese ist in den schriftlichen Weisungen bzw. bzgl. der Feuerlöscher in Teil 8 ADR aufgeführt. Auf Gefahrgutfahrzeugen muss diese Ausrüstung bei kennzeichnungspflichtigen Transporten mitgeführt werden:
- ein Unterlegkeil je Fahrzeug
- zwei selbststehende Warnzeichen (Warndreiecke, reflektierende Kegel oder Blinklampen)
- Augenspülflüssigkeit (nicht erforderlich für Gefahrzettel 1,1.4, 1.5, 1.6, 2.1, 2.2 und 2.3)
- Schaufel, Kanalabdeckung, Auffangbehälter
- ABC-Pulverfeuerlöscher, wobei die Löschmittelmenge abhängig von der zulässigen Gesamtmasse des Fahrzeuges ist und bis zu 12 kg betragen kann. Die Feuerlöscher sind niemals zum Löschen von Ladungsbränden zu verwenden, sondern um ggf. Entstehungsbrände am Fahrzeug zu bekämpfen. So erklärt sich auch, warum bei nichtbrennbarem Transportgut wie z. B. Stickstoff auch Feuerlöscher im Fahrzeug vorgeschrieben sind.
Fahrzeuge
[9] Fahrzeuge, mit denen Gefahrgut befördert werden sollen, benötigen in manchen Fällen eine gesonderte ADR-Zulassung. Dies betrifft u. a. Tankfahrzeuge, Trägerfahrzeuge für Tankcontainer und Fahrzeuge von explosivem Stückgut (Klasse 1). Im ADR werden verschiedene Fahrzeugklassen definiert, die sich in Abhängigkeit von den zu transportierenden Stoffen in den technischen Anforderungen (z. B. bzgl. Elektrik, Bremsanlage etc.) unterscheiden. Die Fahrzeuge werden unterteilt in folgende Klassen:
- EX/II und EX/III (Fahrzeuge für Explosivstoffe)
- FL (Fahrzeuge für entzündbare Gase oder Flüssigkeiten)
- AT (Fahrzeuge, die nicht den anderen Klassen entsprechen)
- MEMU („mobile explosive manufacturing unit“, Fahrzeuge zur Sprengstoffverarbeitung)
Jedes dieser Fahrzeuge bekommt eine ADR-Zulassungsbescheinigung, deren Gültigkeit jährlich im Rahmen einer technischen Untersuchung zu verlängern ist. Neben der fahrzeugklassenspezifischen Kontrolle hinsichtlich der technischen Anforderungen gemäß ADR entspricht die technische Untersuchung des Grundfahrzeugs dem Umfang einer Hauptuntersuchung. Folgerichtig sind gemäß ADR nur diejenigen Personen berechtigt zur Verlängerung der ADR-Bescheinigung, die auch für die Durchführung der Hauptuntersuchung zuständig sind (Prüfingenieure einer amtlich anerkannten Überwachungsorganisation oder amtlich anerkannte Sachverständige oder Prüfer der Technischen Prüfstellen).
Siehe auch
Gegenstücke zum ADR für andere Beförderungsarten:
- RID für den Schienenverkehr
- International Maritime Dangerous Goods Code für die Seeschifffahrt
- ADN für die Nutzung von Binnenwasserstraßen
- ICAO-TI und IATA DGR für die Luftfahrt
Sonstige Kennzeichnungssysteme für gefährliche Stoffe:
- Tunnelbeschränkungscode – regelt, welche Gefahrengüter einen Tunnel passieren dürfen und zeigt dies durch Verkehrszeichen an.
Weblinks
- – Seite mit Informationen über das ADR und Links zu den jüngsten Editionen und den diese begründenden Notifikationen des Depositars bei www.unece.org der (englisch)
- Links zu Dateien mit dem ADR, wie es ab dem 1. Januar 2017 anzuwenden ist, einschließlich separaten Korrekturen bei der UNECE(englisch)
- (Version ohne Korrekturen; englisch, PDF-Datei, 10,9 MiB) und das dazu bei der UNECE(englisch, PDF-Datei, 21,1 KiB)
- Depositary NotificationszumEuropean Agreement concerning the International Carriage of Dangerous Goods by Roadbei derUNECE(englisch, Dateien großteils auch in französisch verfügbar)
- Links zu Dateien mit dem ADR 2017 in denen die Änderungen gegenüber der vorherigen Version hervorgehoben sind bei der UNECE(englisch)
- Publication details and CorrigendazumEuropean Agreement concerning the International Carriage of Dangerous Goods by Road
- Aktueller Status des European Agreement concerning the International Carriage of Dangerous Goods by Road (ADR) – Geneva, 30 September 1957in der Vertragssammlung der UNO
- Recht/Vorschriften zum Transport von Gefahrgut auf der Straße – Informationen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur auch zum Europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR), einschließlich Links zu den deutschen Bekanntmachungen – samt amtlicher deutscher Übersetzung – einiger aktuellerer Änderungen des ADR
- Das Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen von 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR). Vom 18. August 1969 (BGBl. 1969 II S. 1489). Einschließlich des Übereinkommens und einer amtlichen deutschen Übersetzung dessen. Das Gesetz zu dem Protokoll über die Änderung des Artikels 14 Abs. 3 des Europäischen Übereinkommens vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR). Vom 17. Dezember 1979 (BGBl. 1979 II S. 1334). Das Gesetz zu dem Protokoll vom 28. Oktober 1993 zur Änderung des Europäischen Übereinkommens vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR). Vom 12. Dezember 2007 (BGBl. 2007 II S. 1950). Die Neufassung der Anlagen A und B des Europäischen Übereinkommens vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) (in der ab dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung) (BGBl. 2015 II S. 504, Anlageband). Die Bekanntmachung von Berichtigungen zu der Neufassung der Anlagen A und B zu dem Europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR). Vom 23. Dezember 2015 (BGBl. 2016 II S. 50). Die in Genf vom 6. bis 9. Mai 2014, 3. bis 6. November 2014, 4. bis 6. Mai 2015,9. bis 13. November 2015 und 9. bis 12. Mai 2016 beschlossenen Änderungen zu den Anlagen A und B zu dem Europäischen Übereinkommen vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) in der Fassung der Bekanntmachung der Anlagen A und B vom 17. April 2015 in Form der Fünfundzwanzigsten Verordnung zur Änderung der Anlagen A und B zum ADR-Übereinkommen (25. ADR-Änderungsverordnung – 25. ADRÄndV) (BGBl. 2016 II S. 1203, Anlageband).
- Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) in der aktuellen Fassung – ohne den Text des ADR, das germäß der Bekanntmachung über das Inkrfattreten des Europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) (Vom 28. Januar 1970 (BGBl. 1970 II S. 50).) für die Bundesrepublik Deutschland am 1. Januar 1970 in Kraft getreten ist.
Anmerkungen
- ↑ https://unece.org/protocol-amending-title-european-agreement-30-september-1957-concerning-international-carriage
- ↑ Achtundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Anlagen A und B zum ADR-Übereinkommen (28. ADR-Änderungsverordnung – 28. ADRÄndV). In: Bundesgesetzblatt Jahrgang 2020 Teil II Nr. 17, ausgegeben zu Bonn am 2. November 2020. Abgerufen am 3. März 2021.
- ↑ Die wichtigsten Änderungen des ADR 2021. In: Sonderabfallwissen. Abgerufen am 3. März 2021.
- ↑ Philipp Steimer: Ausgewählte Änderungen in den Gefahrgutvorschriften. In: BGRCI.magazin – Zeitschrift für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie, S. 24 ff. Abgerufen am 3. März 2021.
- ↑ United Nations Treaty Collection. Abgerufen am 21. Juni 2017 (englisch).
- ↑ seit 24. Februar 2011
- ↑ ADR-Mitgliedsstaaten. In: United Nations Treaty Collection. Abgerufen am 13. Mai 2022 (englisch).
- ↑ Insb. ADR 1.3 Unterweisung von Personen, die an der Beförderung gefährlicher Güter beteiligt sind und 1.4 Sicherheitspflichten der Beteiligten
- ↑ ADR 2021, Teil 9