Führerschein (EU-Recht)

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Dieser Artikel behandelt den Führerschein (Deutschland, Österreich) und die mit diesem dokumentierte Fahrerlaubnis (Deutschland) bzw. Lenk(er)berechtigung (Österreich)[1] im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), also den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Island, dem Fürstentum Liechtenstein und Norwegen.

Führerscheinklassen

Mit der Richtlinie 2006/126/EG über den Führerschein[2] (3. Führerscheinrichtlinie) aus dem Jahr 2006 wurden die Führerscheinklassen und EG-Fahrzeugklassen in Europa vereinheitlicht. Eine weitere Differenzierung der Tabelle erfolgt durch Schlüsselzahlen.

Klasse Symbol Beschreibung
Terminologie gemäß EU-Richtlinie (Deutschland, Österreich)
Erwerb Setzt
voraus
Schließt ein Bemerkungen
Kleinkrafträder
AM Symbol AM.jpg zwei- oder dreirädrige Kraftfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 45 km/h, bis 4 kW, 50 cm³, bis 270 kg leer.[3] Vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge bis 45 km/h, bis 6 kW, bis 50 cm³, bis 425 kg leer. ab 16 Jahren bzw. in Österreich und Deutschland ab 15 Jahren, in Italien ab 14 Jahren. Beim Mindestalter ist eine Absenkung bis auf 14 Jahre oder eine Anhebung bis auf 18 Jahre möglich. In Italien dürfen Passagiere erst ab 16 Jahren mitgenommen werden.
Krafträder* / Motorrad
A1 Symbol A1.jpg Krafträder mit einem Hubraum von bis zu 125 cm³ mit einer Motorleistung von bis zu 11 kW (Leichtkrafträder) und einem Leistungsgewicht bis zu 0,1 kW/kg sowie dreirädrige Kraftfahrzeuge mit einer Leistung von bis zu 15 kW ab 16 bzw. 18 Jahren AM
A2 Symbol A2.jpg Krafträder mit einer Motorleistung von bis zu 35 kW und einem Leistungsgewicht bis zu 0,2 kW/kg, die nicht von einem Fahrzeug mit mehr als der doppelten Motorleistung abgeleitet sind frühestens ab 18 Jahren (bspw. Griechenland: 20 Jahre) A1, AM Nach zweijährigem Besitz der Klasse A2 ist ein Aufstieg in die unbeschränkte Klasse A möglich. Je nach Land ist dafür zusätzlich eine Prüfung oder ein Kurs notwendig.
A Symbol A.jpg Krafträder über 50 cm³ oder über 45 km/h, auch mit Beiwagen, sowie dreirädrige Kraftfahrzeuge[4] mit einer Leistung von mehr als 15 kW Frühestens ab 20 Jahren (bspw. Griechenland: 22 Jahre) bei mindestens zweijähriger Fahrpraxis (Nachweis der Fahrpraxis nicht erforderlich) der Klasse A2. A1, A2, AM Forderung der Fahrpraxis bei Neuerwerb entfällt ab dem 24. Lebensjahr.
Mehrspurige Kraftfahrzeuge
B1 Symbol B1.jpg Mehrspurige Kraftfahrzeuge bis 550 kg Leermasse je nach Land ab 16 oder 18 Jahren In den Staaten, in denen diese Klasse nicht eingeführt wurde (z. B. in Deutschland), wird für Fahrzeuge der Klasse B1 die Fahrerlaubnisklasse B benötigt.
B Symbol B.jpg Mehrspurige Kraftfahrzeuge bis 3,5 t zulässiger Gesamtmasse und maximal 9 Sitzplätzen (einschließlich Fahrer). Je nach Land ab 17 (Begleitetes Fahren) oder ab 18 Jahren AM (in Deutschland), B1.
A1 in Ländern, die Richtlinie 2006/126/EG Art. 6, Ziff. 3b in nationales Recht umgesetzt haben.[2] -> Details
Auch mit Anhänger bis 0,75 t zulässiger Gesamtmasse (zulässige Gesamtmasse des Zuges 4,25 t) oder mit Anhänger über 0,75 t zulässiger Gesamtmasse (zulässige Gesamtmasse des Zuges 3,5 t). Letztere Kombination kann durch Schlüsselzahl 96 auf 4,25 t zulässiger Zuggesamtmasse erweitert werden.
C1 Symbol C1.jpg Mehrspuriges Kraftfahrzeug bis 7,5 t zulässiger Gesamtmasse, maximal 9 Sitzplätze (einschließlich Fahrer) ab 18 Jahren B Anhänger bis 0,75 t zulässiger Gesamtmasse; befristet gültig
C Symbol C.jpg Mehrspurige Kraftfahrzeuge über 3,5 t zulässiger Gesamtmasse, maximal 9 Sitzplätze (einschließlich Fahrer) Je nach Land oder Sonderbestimmungen 18 oder 21 Jahre B C1 Anhänger bis 0,75 t zulässiger Gesamtmasse; befristet gültig
Omnibusse
D1 Symbol D1.jpg Omnibusse mit bis 17 Sitzplätzen einschließlich Fahrer und höchstens 8 m Länge ab 21 Jahren B Anhänger bis 0,75 t zulässiger Gesamtmasse; befristet gültig
D Symbol D.jpg Omnibusse mit mehr als 9 Sitzplätzen (einschließlich Fahrer) Je nach Land ab 21 oder 24 Jahren B D1
D1E und DE, sofern CE vorhanden
Anhänger bis 0,75 t zulässiger Gesamtmasse; befristet gültig
Mehrspurige Kraftfahrzeuge mit Anhänger
BE Symbol BE.jpg Züge aus B-Zugfahrzeug und Anhänger über 0,75 t zulässiger Gesamtmasse (sofern der Zug nicht unter Klasse B fällt) Je nach Land ab 17 (Begleitetes Fahren) oder 18 Jahren B Anhänger bis 3,5 t zulässiger Gesamtmasse
Hinweis: B96 ist keine eigene Führerscheinklasse für Anhänger, sondern nur eine Erweiterung der Klasse B um die Schlüsselzahl 96!
C1E Symbol C1E.jpg Züge aus C1-Zugfahrzeug und Anhänger über 0,75 t zulässiger Gesamtmasse, sowie Züge aus B-Zugfahrzeug und Anhänger über 3,5 t zulässiger Gesamtmasse ab 18 Jahren C1 BE Züge bis 12 t zulässiger Gesamtmasse, unter 21 Jahren keine gewerbliche Güterbeförderung über 7,5 t
CE Symbol CE.jpg Lastzüge und Sattelkraftfahrzeuge ab 18 Jahren C BE, C1E
D1E und DE sofern D1 bzw. D vorhanden
Anhänger über 0,75 t zulässiger Gesamtmasse, unter 21 Jahren keine gewerbliche Güterbeförderung über 7,5 t, befristet gültig
D1E Symbol D1E.jpg Züge aus D1-Zugfahrzeug und Anhänger mit mehr als 0,75 t zulässiger Gesamtmasse ab 21 Jahren D1 BE Züge bis 12 t zulässiger Gesamtmasse (zulässige Gesamtmasse des Anhängers nicht größer als Leermasse des Zugfahrzeuges)
DE Symbol DE.jpg Züge aus D-Zugfahrzeug und Anhänger mit mehr als 0,75 t zulässiger Gesamtmasse Je nach Land ab 21 oder 24 Jahren D BE, D1E befristet gültig

* Als Kraftrad gilt jedes zweirädrige Kraftfahrzeug mit oder ohne Beiwagen im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 2002/24/EG. Als dreirädriges Kraftfahrzeug gilt jedes mit drei symmetrisch angeordneten Rädern ausgestattete Kraftfahrzeug im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie 2002/24/EG.

Regelungen in verschiedenen Ländern

Fahrerlaubnisklassen, die nur auf nationaler Ebene ausgestellt werden und gültig sind (Landwirtschaftliche Fahrzeuge, Mofas etc.) sind in den folgenden Artikeln über besondere nationale Regelungen zu finden:

Krafträder Klasse A1 mit dem Auto-Führerschein Klasse B

Gemäß der Führerschein-Richtlinie 2006/126/EG[2], Artikel 6, Ziffer 3b können die Staaten die Möglichkeit vorsehen, dass mit dem Führerschein der Klasse B ohne besondere Voraussetzungen ein Motorrad der Klasse A1 gefahren werden kann, aber nur im jeweiligen Land.

„Die Mitgliedstaaten können für das Führen von Fahrzeugen in ihrem Hoheitsgebiet folgende Äquivalenzen festlegen:
a) dreirädrige Kraftfahrzeuge mit einer Leistung von mehr als 15 kW fallen unter den Führerschein der Klasse B, sofern der Inhaber dieses Führerscheins mindestens das 21. Lebensjahr vollendet hat;
b) Krafträder der Klasse A1 fallen unter den Führerschein der Klasse B.
Da dieser Absatz nur im jeweiligen Hoheitsgebiet gilt, geben die Mitgliedstaaten auf dem Führerschein nicht an, dass der Inhaber zum Führen dieser Fahrzeuge berechtigt ist.“

Richtlinie 2006/126/EG Artikel 6, Ziffer 3b[2]

Die Regelung wurde von Land zu Land unterschiedlich umgesetzt. Sie gilt ebenfalls für Touristen, sofern diese die entsprechenden Auflagen erfüllen:

  • Italien, Lettland: Keine Beschränkung.
  • Portugal: Mindestalter 25 Jahre.
  • Tschechien: Nur Krafträder mit Automatikgetriebe.
  • Slowakei: Nach 2 Jahren und nur Krafträder mit Automatikgetriebe.
  • Belgien: Nach 2 Jahren. Bei Führerscheinen ab 1. Mai 2011 sind zusätzlich 4 Übungsstunden erforderlich.
  • Spanien, Polen: Nach 3 Jahren.
  • Frankreich: Nach 2 Jahren und 7 Übungsstunden Oder: Wenn ein Versicherungsnachweis geführt werden kann, dass innerhalb von 5 Jahren vor dem Jahr 2011 ein entsprechendes Fahrzeug geführt wurde[5].
  • Österreich: Nach 5 Jahren, 6 Übungsstunden in der Fahrschule oder beim Automobilclub und Eintragung von Schlüsselzahl 111 („Code 111“) im Führerschein.
  • Großbritannien: Übungsstunden.
  • Malta: 10 Übungsstunden.
  • Griechenland: Nach 6 Jahren, Mindestalter 27 Jahre, 5 Übungsstunden und Eintragung von Schlüsselzahl 121.
  • Deutschland: Nach 5 Jahren, Mindestalter 25 Jahre, 13½ Übungsstunden und Eintragung von Schlüsselzahl 196.
  • Ungarn: Nach 5 Übungsstunden (3 Theorie, 2 Praxis), theoretischer und vereinfachter praktischer Prüfung.

In Deutschland dürfen seit 2020 Besitzer einer Fahrerlaubnis der Klasse B nach Durchlaufen einer Zusatzausbildung von vier theoretischen und fünf praktischen Unterrichtseinheiten zu jeweils 1,5 Stunden (gesamt 13,5 Stunden) auch Leichtkrafträder der Klasse A1 führen (EG-Fahrzeugklasse L3e-A1).[6] Dies wird durch die zusätzliche Schlüsselzahl „196“ im Führerschein vermerkt. Außerhalb Deutschlands gilt die Erweiterung nicht. Ein Aufstieg in die Klassen A2 und A, wie beim A1-Führerschein, ist nicht vorgesehen.

Viele „alte“ Auto-Führerscheine fast aller Länder erlauben auch, die Klasse A1 zu fahren, z. B. die der BRD vor dem 1. April 1980. Hierbei handelt es sich dann jedoch um die reguläre Klasse A1 und ist somit auch international gültig. Der Umfang alter Führerscheine aller Mitgliedsländer ist im „Beschluss (EU) 2016/1945 der Kommission über Äquivalenzen zwischen Führerscheinklassen“[7] aufgelistet.

Internationaler Führerschein

Der Internationale Führerschein (auch: zwischenstaatlicher Führerschein) ist ein zeitlich befristetes und weltweit gültiges Zusatzdokument zum nationalen Führerschein, es wird jedoch nur noch selten benötigt. Das Dokument enthält alle Daten des normalen Führerscheins in verschiedenen Sprachen und ist nur in Kombination mit diesem gültig.

Innerhalb der Europäischen Union sowie in den EFTA-Staaten Island, Norwegen, Liechtenstein und der Schweiz ist der nationale Führerschein weiterhin ausreichend. Ebenso ist das Lenken eines Fahrzeugs in den gerne aufgesuchten Touristenzielen Kanada, Südafrika, Neuseeland und Australien mit dem nationalen Dokument möglich, das Mitführen eines Internationalen Führerscheins ist nicht zwingend erforderlich. In Australien und Neuseeland wird ein englischsprachiger Führerschein verlangt, eine Übersetzung des nationalen Führerscheins reicht jedoch aus. In manchen Bundesstaaten der USA wird der Internationale Führerschein seit Anfang 2009 benötigt; hier wird das Mitführen des „Internationalen Führerscheins gemäß Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1968“ empfohlen, obwohl er in den USA nicht offiziell anerkannt ist. Österreich stellt den „Internationalen Führerschein gemäß Genfer Abkommen über den Kraftfahrzeugverkehr von 1949“ aus, den die USA offiziell anerkennen. Die Schweiz stellt jedoch keinen anderen Internationalen Führerschein aus. Deutschland stellt hingegen noch den Internationalen Führerschein nach dem Pariser Abkommen über Kraftfahrzeugverkehr vom 24. April 1926 aus, der z. B. in Thailand anerkannt wird.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Anm.: In den österreichischen Rechtsmaterialien, selbst auch innerhalb eines einzelnen Gesetzes, kommt sowohl Lenkerberechtigung (Abfragelink im RIS) als auch Lenkberechtigung (Abfragelink) vor.
  2. a b c d Richtlinie 2006/126/EG (PDF) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein.
  3. Motorradführerschein: Führerscheinklassen A, A1, A2 und AM. ADAC, abgerufen am 11. März 2020.
  4. In Deutschland gibt es hierzu Ausnahmeregelungen, siehe Führerschein und Fahrerlaubnis (Deutschland)#Dreirädrige Fahrzeuge
  5. Arrêté du 17 décembre 2010 relatif aux conditions requises pour la conduite des motocyclettes légères et des véhicules de la catégorie L5e par les titulaires de la catégorie B du permis de conduire (Version 2. März 2022). 6. März 2022; (französisch).
  6. Tagesordnungen & Termine. In: Bundesrat.de. Abgerufen am 18. Januar 2020.
  7. EUR-Lex - 32016D1945 - EN - EUR-Lex. Abgerufen am 25. Oktober 2020 (englisch).