Fair Value

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Der Fair Value (fairer Wert, deutscher Fachbegriff: beizulegender Zeitwert) ist ein Wertkonzept zur Bewertung von Vermögenswerten oder Schulden im angelsächsischen Rechnungswesen (IFRS und US GAAP).

Nach IFRS 13.9 ist der Fair Value der Preis, der in einem geordneten Geschäftsvorfall zwischen Marktteilnehmern am Bemessungsstichtag für den Verkauf eines Vermögenswerts eingenommen bzw. für die Übertragung einer Schuld gezahlt würde.

Im Gegensatz zum fair value ist der Value in use ein subjektiver Bewertungsansatz, der den individuellen Nutzen des Vermögensgegenstands für das Unternehmen widerspiegelt.

Seit dem Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) im Jahr 2009 findet der beizulegende Zeitwert auch in der deutschen handelsrechtlichen Rechnungslegung Anwendung.

International Financial Reporting Standards

In den IFRS existiert mit dem Standard IFRS 13 ein eigenständiger Standard zur Ermittlung des Fair Value. Eine Vielzahl weiterer Standards enthält konkrete Vorschriften zur Anwendung des Fair-Value-Konzepts bei der Bewertung von Bilanzpositionen.

Allgemeine Grundsätze der Wertermittlung

Der Fair Value ist ein (tatsächlicher oder fingierter) objektiver Markt- bzw. Zeitwert, bei dessen Ermittlung von spezifischen Gegebenheiten des Unternehmens zu abstrahieren und auf allgemeine Marktbedingungen abzustellen ist. Hierin unterscheidet sich der Fair Value vom (internen) Nutzungswert.

Bei der Wertermittlung wird von sachverständigen und grundsätzlich vertragswilligen Parteien ausgegangen, die also die relevanten preisbildenden Parameter kennen und richtig einzuschätzen in der Lage sind und die beide an einer Preisfindung interessiert sind. Die Parteien müssen außerdem voneinander unabhängig sein. Der Aspekt der Unabhängigkeit der Parteien wird insbesondere dann relevant, wenn es sich um Notverkäufe, Zwangsversteigerungen oder Verkäufe im Rahmen einer Liquidation handelt.

Drei-Stufen-Hierarchie der Wertermittlung

Überblick

Zur Bestimmung des Fair Value existiert nach IFRS 13.72 eine dreistufige Bewertungshierarchie:

  1. Inputfaktoren der Stufe 1 sind in aktiven, für das Unternehmen am Bemessungsstichtag zugänglichen Märkten für identische Vermögenswerte oder Schulden notierte nicht berichtigte Preise (IFRS 13.76). Auf dieser ersten Hierarchieebene wird von Marktpreisen gesprochen.
  2. Inputfaktoren auf Stufe 2 sind andere als die auf Stufe 1 genannten Marktpreisnotierungen, die für den Vermögenswert oder die Schuld entweder unmittelbar oder mittelbar zu beobachten sind (IFRS 13.81). Auf dieser zweiten Hierarchieebene wird von Vergleichswerten gesprochen.
  3. Inputfaktoren auf Stufe 3 sind Inputfaktoren, die für den Vermögenswert oder die Schuld nicht beobachtbar sind (IFRS 13.86). Auf dieser dritten Hierarchieebene wird von Schätzwerten gesprochen.

Diese Hierarchie drückt eine Präferenz des Standardsetters aus. Wenn möglich sind zur Bestimmung des Fair Value Marktpreise zu verwenden. Sind diese nicht vorhanden, weil der zu bewertende Vermögenswert nicht auf einem aktiven Markt im Sinne des IASB gehandelt wird, ist auf Vergleichswerte auszuweichen. Sind auch Vergleichswerte nicht vorhanden, ist im letzten Schritt zu prüfen, ob eine Wertermittlung mittels Schätzwerten (Bewertungsmodelle) möglich ist.

Wenn auch mit Bewertungsmodellen keine verlässliche Bewertung möglich ist, ist statt des Fair Value eine kostenbasierte Bewertung vorzunehmen.

Marktpreise

Ein Marktpreis ist der Preis, der für vergleichbare Vermögenswerte wie den zu bewertenden Vermögenswert auf einem aktiven Markt am Bilanzstichtag (zeitgleich) gezahlt wird. Vergleichbar bedeutet hierbei, dass alle preisbildenden Parameter (weitestgehend) gleich sind, so dass keine Anpassungen des beobachteten Preises vorgenommen werden müssen. Ein aktiver Markt zeichnet sich demnach dadurch aus, dass (weitgehend) homogene Vermögenswerte zu öffentlich zugänglichen Preisen gehandelt werden und in der Regel jederzeit vertragswillige Käufer und Verkäufer zu finden sind. In der Praxis erfüllen nur sehr wenige Märkte wie Wertpapier- und Rohstoffbörsen die Anforderungen des Standardsetters an einen aktiven Markt.[1] Für die weitaus meisten Vermögenswerte existieren somit regelmäßig keine Marktpreise, so dass auf Vergleichswerte oder Schätzwerte ausgewichen werden muss.

Vergleichswerte

Wenn eine Wertermittlung anhand von Marktpreisen nicht möglich ist, ist entweder auf vergangene (jedoch zeitnahe) Preise ähnlicher Vermögenswerte oder zeitgleiche Preise für Vermögenswerte anderer Beschaffenheit zurückzugreifen. Da somit keine vollständige Homogenität hinsichtlich aller preisbildenden Parameter gegeben ist, müssen Zuschläge auf oder Abschläge vom beobachteten Wert vorgenommen werden. Die Wertermittlung mittels Vergleichswerten beinhaltet somit systematisch größere Ermessensspielräume als die Wertermittlung mittels Marktpreisen und der Grad der Verlässlichkeit und Objektivität der Wertermittlung sinkt.

Schätzwerte

Das dritte Verfahren zur Ermittlung des Fair Value ist die Schätzung auf der Grundlage von Bewertungsmodellen. In aller Regel wird hierfür auf zahlungsflussbasierte Verfahren (Discounted Cash-Flow) zurückgegriffen. So kann der Fair Value einer bewirtschafteten Immobilie auf der Grundlage der diskontierten Miet- oder Pachteinnahmen bestimmt werden, wobei möglichst objektive, am Markt beobachtbare Werte zu verwenden sind.

Behandlung von Bewertungserfolgen

Bei der Zu- oder Abschreibung vom Buchwert auf einen (neuen) Fair Value entstehen Buchgewinne oder -verluste. Bei der Behandlung solcher Bewertungserfolge kennen die IFRS zwei Methoden. Bei der Neubewertungsmethode (englisch revaluation model) werden Abschreibungen sofort erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst, Zuschreibungen werden dagegen zunächst erfolgsneutral in einer Neubewertungsrücklage verbucht. Diese wird erst bei Ausbuchung des Vermögenswerts zur GuV hin aufgelöst. Die Neubewertungsmethode kann beispielsweise bei der Bewertung von Sachanlagen (IAS 16) und immateriellen Vermögenswerten (IAS 38) zur Anwendung kommen.

Bei der Fair-Value-Methode (fair value model), auch als Full-Fair-Value-Accounting bezeichnet, werden Zu- und Abschreibungen stets sofort erfolgswirksam erfasst. Es wird auch von einer paritätisch erfolgswirksamen Fair-Value-Bewertung gesprochen.

Verwendung

Der Fair Value ist das vom IASB grundsätzlich präferierte Wertkonzept, da ihm im Vergleich zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten eine besonders große Entscheidungsnützlichkeit (decision usefullness) zugesprochen wird. Der Anwendungsbereich des Fair-Value-Konzepts ist innerhalb der IFRS im Zeitablauf immer mehr ausgeweitet worden. Gegenwärtig kommt die Fair-Value-Bilanzierung insbesondere bei folgenden Positionen zur Anwendung:

  • Sachanlagen (IAS 16) im Rahmen eines Wahlrechts bei der Folgebewertung
  • immaterielle Vermögenswerte (IAS 38) im Rahmen eines Wahlrechts bei der Folgebewertung
  • bestimmte Finanzinstrumente (IAS 39) im Rahmen der Zugangs- und Folgebewertung
  • Anlageimmobilien (IAS 40) im Rahmen eines Wahlrechts bei der Folgebwertung
  • biologische Vermögenswerte (IAS 41), zwingende Anwendung

US-GAAP

Deutsche handelsrechtliche Rechnungslegung

Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) hat das Fair-Value-Konzept auch in die deutsche handelsrechtliche Rechnungslegung Einzug gehalten. Hierdurch erfolgte eine teilweise Annäherung an die IFRS.

Definition

„Der beizulegende Zeitwert entspricht dem Marktpreis. Soweit kein aktiver Markt besteht, anhand dessen sich der Marktpreis ermitteln lässt, ist der beizulegende Zeitwert mit Hilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden zu bestimmen.“ (§ 255 Abs. 4 HGB) Diese Definition entspricht weitgehend dem Fair-Value-Konzept der IFRS.

Anwendung

Das Fair-Value-Konzept wird in der HGB-Rechnungslegung gegenwärtig nur bei wenigen speziellen Sachverhalten angewandt:

  • Bewertung von Planvermögen im Zusammenhang mit der Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen (§ 246 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 253 Abs. 1 HGB)
  • Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen, soweit sich deren Höhe ausschließlich nach dem beizulegenden Zeitwert von als Deckungsvermögen verwendeten Wertpapieren bestimmt (§ 253 Abs. 1 HGB)
  • Bei der Bilanzierung von Bewertungseinheiten im Rahmen des Hedge-Accounting[2]
  • In der Bankenbilanzierung: Bewertung von Finanzinstrumenten des Handelsbestandes (§ 340e Abs. 3 HGB)

Literatur

  • Jörg-Markus Hitz: Stichwort Fair Value in der Rechnungslegung. In: Die Betriebswirtschaft. 66. Jahrgang, 2006, S. 109–113.
  • Mary E. Barth, Wayne R. Landsman: Fundamental Issues Relating to Using Fair Value Accounting for Financial Reporting. In: Accounting Horizons. Vol. 9(4), 1995, S. 97–107. ISSN 1558-7975
  • Hartmut Bieg, Reinhard Heyd (Hrsg.): Fair Value. Bewertung in Rechnungswesen, Controlling und Finanzwirtschaft. Vahlen, München 2005, ISBN 3-8006-3088-5.
  • Kadel: Außerplanmäßige Abschreibung und Zeitwert in der deutschen und US-amerikanischen Handels- und Steuerbilanz – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur Berechtigung der Teilwertabschreibung im Steuerrecht

Weblinks

Einzelnachweise

  1. J. Baetge, H.-J. Kirsch, S. Thiele: Bilanzen. 8. Auflage. Düsseldorf 2005, S. 263.
  2. M. Scharf: Die Bildung von Bewertungseinheiten nach IFRS/IAS, HGB und Bilanzsteuerrecht Nr. 10 der Analysen und Berichte zum Wirtschafts- und Steuerrecht. TU Darmstadt, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, 2010, S. 44 (tu-darmstadt.de).