Feststoffraketentriebwerk

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Start einer Scout-Feststoffrakete

Ein Feststoffraketentriebwerk oder auch Feststoffraketenantrieb ist ein Raketentriebwerk mit einem Antriebssatz aus festem Material. Sowohl reduzierende als auch oxidierende Komponenten werden als feste Stoffe gebunden mitgeführt. Im Gegensatz dazu gibt es die Flüssigkeitsrakete, bei der sowohl der Oxidator als auch der reduzierende Treibstoff in flüssiger Form mitgeführt, gemischt sowie verbrannt werden. In sogenannten Hybridraketen sind fester Treibstoff und flüssiges Oxidationsmittel miteinander kombiniert.

Geschichte

Früher Einsatz

Die ältesten Raketen waren Feststoffraketen. Sie wurden vermutlich im Byzantinischen Reich im 7. Jahrhundert gebaut, bestanden aus Bambus als Raketenkörper und einer Mischung aus Salpeter und Schwefel als Treibstoff.

Vermutlich unabhängig davon wurden in China im 13. Jahrhundert Raketen entwickelt, die mit Schwarzpulver angetrieben wurden. Dort wurden sie unter anderem auch für militärische Zwecke verwendet. In Europa wurden sie später bekannt, ihre Hauptbedeutung hatten sie hier aber erst nur als Feuerwerkskörper.

Der britische Offizier William Congreve entwickelte Anfang des 19. Jahrhunderts eine Rakete für den militärischen Gebrauch. Sie wurde zum Beispiel beim Bombardement Kopenhagens (1807) verwendet. Durch den Fortschritt bei der Artillerie erlebte die Rakete aber eher ein Schattendasein. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde wieder verstärkt in diesem Bereich geforscht und entwickelt.

Als erster erfolgreicher Start einer Feststoffrakete in Europa wird ein Raketentest (1931) von Karl Poggensee und Reinhold Tiling genannt.

Im Zweiten Weltkrieg wurden Feststoffraketen erstmals in großer Stückzahl verwendet, vor allem in Merfachraketenwerfern.

Moderner Einsatz

Feststoffraketen werden heute unterschiedlich genutzt, sowohl für militärische als auch zivile Zwecke wie die Luft- und Raumfahrt. Sie werden wegen ihres geringen Preises zur Starthilfe für Raketen („Booster“) und Flugzeuge (RATO) sowie in kleinen Oberstufenantrieben eingesetzt, aber auch Interkontinentalraketen wie die Trident werden als Feststoffraketen ausgeführt. Außerdem finden sie wegen ihrer hohen Maximalbeschleunigung als Rettungsraketen Verwendung, um bemannte Raumschiffe schnell aus dem Gefahrenbereich einer versagenden Trägerrakete zu bringen.

Als Oxidator wird zum Beispiel bei APCP Ammoniumperchlorat (NH4ClO4) eingesetzt, das beim Zerfall von zwei Molekülen zum Beispiel 4 H2O + N2 + 2 O2 + Cl2 ergibt (es entsteht in der Praxis auch HCl). Sauerstoff und Chlor reagieren mit Aluminium zu Al2O3 und AlCl3 sowie einem Polymer-Bindemittel zu H2O und CO2, wobei nochmals Energie frei wird. Der Massenanteil des Aluminiums beträgt bis zu 30 Prozent.

Durch ihren einfachen Aufbau lassen sich Feststoffraketen auch in sehr geringer Größe bauen, so zum Beispiel als Kleinstraketen für Feuerwerkskörper, Signalgebung oder als spezielle Raketengeschosse für den Handwaffengebrauch. Solche Raketen haben eher einfache Treibmittel wie Schwarzpulver.

Ausblick

In Zukunft wird geplant, das hohe Leergewicht großer Feststoffraketen zu senken, indem der Werkstoff Stahl durch kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff ersetzt wird. Dadurch könnte die Leermasse großer Feststoffraketen drastisch gesenkt werden. Berechnungen ergaben, dass man allein durch diese Verbesserung des Voll- zu Leermassenverhältnisses die Nutzlast der Ariane 5 mit dem Ziel Geostationäre Transferbahn um 2 t steigern könnte.

Diese leichten Werkstoffe könnten auch reine Feststoffraketen ermöglichen, die große Satelliten wirtschaftlich in erdnahe Umlaufbahnen transportieren.

Bewertung

Vorteile

Feststoffraketen kommen – sieht man von Anwendungen mit schwenkbaren Düsen ab – ganz ohne bewegliche Teile oder zusätzliche Vorrichtungen für Brennstoffpumpen oder Leitungen aus, was eine technische Mindestmasse vorgeben würde. Auch enthalten sie ihren Treibstoff zu jeder Zeit, so dass Lager- und Betankungseinrichtungen nicht benötigt werden. Dies erleichtert beispielsweise die Anwendung für meteorologische oder bodengebundene wissenschaftliche Zwecke; zur militärischen Verwendung können sie mitunter in größerer Stückzahl in Magazinen aufbewahrt oder mitgeführt werden und sind in kurzer Zeit einsatzfähig.

Der Treibstoff selbst ist fest und dadurch wesentlich einfacher zu handhaben als flüssige oder gasförmige Treibstoffe: Er kann in dieser Form nicht entweichen und dann möglicherweise gesundheits- oder umweltschädlich wirken. Auch Instabilitäten durch schwappenden Flüssigtreibstoff fallen beim Festtreibstoff weg. Durch die Formgebung des Treibsatzes kann die sogenannte Abbrandcharakteristik, also die Schubentwicklung über die Brenndauer gesehen und die Brenndauer selbst sehr einfach beeinflusst werden. So sind auch Schubkräfte erzielbar, die größer als die von Flüssigtriebwerken sind. Nebenbei bringen die meisten Treibsatzformen mit sich, dass sich der Schwerpunkt der Rakete während des Abbrands verhältnismäßig wenig ändert, was wichtig für die Flugstabilität ist.

Durch diese Vorteile sind Feststoffraketen zuverlässig im Gebrauch, leistungsstark und preiswert zu entwickeln, herzustellen, zu warten und zu verwenden.

Nachteile

Da Feststoffraketen ihren explosiven Treibstoff immer enthalten, geht von ihnen auch permanent eine erhöhte Gefahr aus. Auch sind sie dadurch schwerer als vergleichbar große Flüssigtreibstoffraketen, die leer transportiert und erst bei Bedarf betankt werden können.

Die Verbrennungsprodukte von Feststoffraketen werden meistens mit einer niedrigeren Geschwindigkeit ausgestoßen als die Verbrennungsprodukte von Flüssigtreibstoffraketen. Da sich der Schub nach der Formel

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errechnet, muss ihr Vorteil der hohen Schubkraft durch einen hohen Verbrauch an Treibstoff erkauft werden. Dies bedingt die gegenüber Flüssigkeitsraketen kurze Brenndauer. Eine Schubregelung während des Abbrands ist nicht möglich; und bei einem Zwischenfall kann eine Feststoffrakete auch nicht abgeschaltet werden. Lediglich bei der Herstellung des Boosters kann, etwa durch das Befüllen verschiedener Segmente mit unterschiedlich reaktiven Treibstoffmischungen oder durch die Formgebung des Treibstoffs (siehe unten), das Schubprofil über die Brenndauer beeinflusst werden.

Das gesamte Innere einer Feststoffrakete ist zugleich ihre Brennkammer. Bei der Verbrennung des Treibstoffes treten hohe Drücke und Temperaturen auf. Deswegen müssen die Wände auf relativ hohe Beanspruchung ausgelegt werden. Da mit steigender Größe der Rakete die Belastung der Brennkammerwand bei gleichem Innendruck immer mehr zunimmt, müssen die Wände immer dicker und damit schwerer werden. So steigt die Leermasse einer Feststoffrakete im Vergleich zur Gesamtmasse mit zunehmender Größe immer weiter an, während sie bei Flüssigtreibstoffraketen immer weiter sinkt. Ihre technische Höchstmasse liegt daher unter der anderer Raketentypen.

Feststoffraketen sind oft umweltschädlicher als andere Bautypen. Bei der Verbrennung des Treibstoffes entstehen je nach Befüllung zum Beispiel Chlor, Chlorwasserstoff, Schwefelverbindungen oder andere toxische Stoffe. Im Falle eines Ariane-5-Startes mit EAP P238-Festtreibstoffmotoren ergibt sich eine Festtreibstoffgesamtmasse von 476 Tonnen. Bei einem Feststoffanteil von 86 Gew.-% bzw. 68 Gew.-% Ammoniumperchlorat (siehe Ariane 5 Technik) im Festtreibstoff ergibt sich eine Gesamtmasse von 324 Tonnen an Ammoniumperchlorat. Beim Start einer Ariane 5 entstehen so 100 Tonnen Chlorwasserstoff. Chlorwasserstoff reagiert nachfolgend mit Wasser zu Salzsäure (270 Tonnen bei 37-prozentiger Säure).

Brennstoffgeometrie und Schubkraftverlauf

Schnittmodell einer Stinger-Rakete mit Starttriebwerk
Datei:Solid-Fuel Rocket Diagram.svg
Vereinfachte Feststoffrakete
1. Treibmittel mit zylindrischer
  Aussparung in der Mitte.
2. Zünder setzt die Oberfläche des
  Treibmittels in Brand.
3. Zylindrische Aussparung wirkt als
  Brennkammer.
4. Abgas wird durch eine Verengung
  zur Schubregulierung gedrosselt.
5. Abgas tritt aus der Rakete aus.

Im einfachsten Fall, wie etwa bei Feuerwerksraketen, ist das gesamte Innere der Feststoffrakete mit dem Treibstoff befüllt. Dieser brennt von hinten nach vorne gleichmäßig ab. Bei nur kurzer Brenndauer ist dies unproblematisch; bei längerer Brenndauer führt es jedoch zu einer sehr hohen thermischen Belastung des hinteren, bereits „leeren“ Teils der Rakete, durch den die heißen Verbrennungsgase strömen.

Um dies zu verhindern, wird der Brennstoff zu einer hohlen Röhre geformt, die von innen nach außen abbrennt. Dabei wirkt der noch vorhandene Raketentreibstoff als Wärmeisolator und schützt so die Raketenhülle vor Überhitzung. Mit zunehmender Erweiterung des Hohlraums steigt allerdings auch der Schub des Triebwerks, da dieser annähernd proportional zur Oberfläche des abbrennenden Treibstoffs ist. Bei Raketen ist dagegen meist schon in der Startphase der Schubbedarf am höchsten, da der Flugkörper zu diesem Zeitpunkt noch am schwersten ist.

Durch geeignete Formgebung des Querschnitts der Brennstoffröhre kann der Schubverlauf jedoch so beeinflusst werden, dass er den Erfordernissen entspricht. So kann der Hohlraum etwa sternförmig ausgebildet werden. Bei der Zündung ist die Oberfläche des brennenden Treibstoffs dann am größten. Nach dem Wegbrennen der Brennstoffzacken ist der Querschnitt annähernd kreisförmig und die Brennstoffoberfläche sowie der Schub sind damit geringer.

Siehe auch

Literatur

  • George Paul Sutton: Rocket Propulsion Elements. Wiley-Interscience, New York 2000. ISBN 0-471-32642-9
  • Willfried Ley, Klaus Wittmann, Willi Hallmann (Hrsg.): Handbuch der Raumfahrttechnik. Carl Hanser, München 2008. ISBN 3-446-41185-2

Weblinks