Yirgalem Fisseha Mebrahtu

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Yirgalem Fisseha Mebrahtu (* 1981 in Adi Keyh)[1] ist eine eritreische Lyrikerin, Schriftstellerin und Journalistin. Seit 2018 lebt sie mit Unterstützung des PEN-Zentrum Deutschland im Exil in München.

Leben und Wirken

Yirgalem Fisseha Mebrahtu schrieb bereits als Kind Gedichte. Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre beteiligte sie sich an Literaturveranstaltungen, zunächst in ihrer Schule, später in privaten und staatlichen Medien.[2] Sie gründete mit anderen jungen Autoren und Autorinnen den Adi Keyh-Literatur-Club, der zu einem Netzwerk ähnlicher Gruppen gehörte, die als Wiederbelebung der eritreischen Literatur wahrgenommen wurde.[2] Bis zum Verbot privater Medien 2001 (siehe: Pressefreiheit in Eritrea) arbeitete sie als unabhängige Journalistin und veröffentlichte Gedichte in Literaturzeitschriften.

2002 besuchte sie in der Hauptstadt Asmara das Teacher Training Institute. Von September 2003 bis Februar 2009 war sie Autorin, Moderatorin und Programmdirektorin beim Radiosender Radio Bana des eritreischen Bildungsministeriums. Dort produzierte sie Gesundheitsnachrichten, interviewte Ärzte und informierte über HIV.[3] Am 9. Februar 2009 wurde sie mit ca. 30 weiteren Personen im Gebäude des Radiosenders verhaftet, wobei sie die einzige Frau unter den Festgenommenen war.[3]

Es wurde ihr vorgeworfen, Verbindungen mit ausländischen Medien zu unterhalten, weitere der willkürlichen Vorwürfe umfassten ein vermeintlich geplantes Attentat auf den Präsidenten und Herabwürdigung von Politikern.[4] Die ersten beiden Jahre verbrachte sie in Isolationshaft im Mai Swra-Gefängnis, wo sie auch gefoltert wurde. Nach 6 Jahren Haft ohne Anklage und ohne Gerichtsverfahren wurde Fisseha Mebrahtu 2015 entlassen. Um 2017 versuchte sie aus Eritrea zu fliehen, wurde jedoch an der Grenze festgenommen und erneut für vier Monate inhaftiert. Nach ihrer Entlassung gelang ihr die Flucht nach Uganda.[5][6][7][8]

Die Umstände ihrer Gefangenschaft erzielten im Rahmen einer Debatte über die Menschenrechte in Eritrea ein großes internationales Medieninteresse.[5][9][10][11] Sie wurde von PEN International und dem im Exil arbeitenden PEN Eritrea unterstützt. Reporter ohne Grenzen nahm sie 2014 in ihre erstmalig erstellte „Liste der 100 Helden der Pressefreiheit“ auf.[12]

Im Dezember 2018 konnte Yirgalem Fisseha Mebrahtu als Stipendiatin des Writers-in-Exile-Stipendiums des PEN-Zentrum Deutschland nach München kommen.[13] Seit Februar 2022 lebt sie in einer eigenen Wohnung.[14] Ihre Nachfolgerin in der PEN-Wohnung wurde Stella Nyanzi.[15]

2019 veröffentlichte sie 130 Gedichte aus der Zeit vor der Haft und nach der Freilassung im Exil. Sie erschienen zunächst als ኣለኹ (Ich bin am Leben) in ihrer Muttersprache Tigrinisch im exil-eritreischen እሕታሚ እምኵሉ (Emkulu Verlag) mit Sitz in Schweden, 2022 wurde die deutsche Übersetzung bei Das Wunderhorn als Ich bin am Leben veröffentlicht.[16] Nach Verlagsangaben sind die Gedichte zwei Kategorien zuzuordnen: „Ruhe, Feigheit und Bescheidenheit und Mut“ einerseits und andererseits „de[r] Höhepunkt der Spannungen, das Schlachtfeld von Laster und Anstand, Gewalt und Gerechtigkeit, die Zerstörung und Kontinuität von Generationen, Verfolgung und Tod.“[17] 2022 erschienen auf Tigrinisch 33 Kurzgeschichten und Essays in denen sie sich von ihrer Verfolgung löste und freiere Themen wählte.[1]

Im deutschen Exil engagiert sie sich in der Vernetzung geflüchteter Schriftstellerinnen,[18] vertritt die Münchner PEN-Exil-Autorinnen[19] und nimmt an Literaturfestivals in München, wie beim Bellevue di Monaco,[20] und der Region[21] teil. Mit dem Schriftsteller Fridolin Schley bildet sie ein Tandem[22] in der Aktion Weiter Schreiben des Frauenprojekts Wir machen das, das geflüchteten Autorinnen bei der Fortsetzung ihrer Arbeit unterstützt.[23]

Publikationen

  • ኣለኹ (Ich bin am Leben), እሕታሚ እምኵሉ (Emkulu Verlag, Schweden) 2019, ISBN 978-91-639-9565-1 auf Tigrinisch[8][17]
    • Ich bin am Leben. Das Wunderhorn 2022, ISBN 978-3-88423-682-6 (Übersetzungen von Kokob Semere, Miras Walid, Mekonnen Mesghena; Nachdichtung von Hans Thill)[16]
  • ዘይበረየ ጐድነይ (Zeybereye Godney), እሕታሚ እምኵሉ (Emkulu Verlag, Schweden) 2022, Tigrinisch[23][24]

Auszeichnungen

  • 2018 PEN International Writer’s Scholarship[4]
  • 2019 Freedom of Expression Prize. Verleihung durch PEN Eritrea[25]
  • 2019: Women, Writers and Activists Change Rules. Nominierung durch PEN–International[26]
  • 2021: Václav Havel Library Award - Disturbing the Peace Award to a Courageous Writer at Risk: Nominierung[27]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Literaturportal Bayern: Yirgalem Fisseha Mebrahtu, abgerufen am 26. Juli 2022
  2. a b PEN International: 'Becoming a writer is an offense in the eyes of the regime' an interview with Yirgalem Fisseha Mebrahtu, 19. März 2019 (abgerufen am 16. Juli 2022)
  3. a b Julia Huber: Die Freiheit, zu sagen, was ist. Süddeutsche Zeitung, 21. Oktober 2020, S. R6
  4. a b Fritz-Bauer-Forum: Yirgalem Fisseha Mebrahtu – Ich hoffe, dass andere, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, ihre Geschichten ebenfalls erzählen werden, abgerufen am 16. Juli 2022
  5. a b Falter vom 13. November 2019: Noch immer am Leben. Ein Land, ein Gefängnis: Die eritreische Lyrikerin Yirgalem Fisseha Mebrahtu war sechs Jahre in Haft. Jetzt lebt sie in München; abgerufen am 19. November 2019
  6. WDR 3 Kultur am Montag vom 18. Oktober 2019: Stimme Eritreas: Yirgalem Fisseha Mebrahtu (Audiodatei); abgerufen am 19. November 2019
  7. Deutscher Kulturrat: Yirgalem Fisseha Mebrahtu; abgerufen am 19. November 2019
  8. a b Bayerischer Rundfunk vom 5. November 2019: Wir kämpfen für das Leben; abgerufen am 19. November 2019
  9. epd.de: Wochenspiegel vom 21. Oktober 2019; abgerufen am 19. November 2019
  10. ARTICLE 19 vom Oktober 2012: Eritrea: A Nation Silenced (PDF; englisch); abgerufen am 19. November 2019
  11. PEN International: Writers in prison Committee. Caselist January–December 2013 (PDF; englisch); abgerufen am 19. November 2019
  12. Reporter ohne Grenzen: Helden der Pressefreiheit 2014, abgerufen am 19. Juli 2022
  13. PEN-Zentrum Deutschland: Die aktuellen Writers-in-Exile-Stipendiaten 2019; abgerufen am 19. November 2019
  14. Süddeutsche Zeitung: Welt der Worte, 7. Februar 2022, S. R2
  15. Süddeutsche Zeitung: Doppelgänger, Farbenpracht und Sprachgewalt, 6. Februar 2022
  16. a b Das Wunderhorn: Ich bin am Leben, abgerufen am 16. Juli 2022
  17. a b እሕታሚ እምኵሉ: ኣለኹ, 2019 (deutsche Google-Übersetzung), abgerufen am 16. Juli 2022
  18. Süddeutsche Zeitung: Was bleibt, ist die Wut – Das Schamrock-Festival der Dichterinnen ist diesmal besonders politisch ausgerichtet, 23. Oktober 2020, S. R16
  19. Süddeutsche Zeitung: Freiheit des Wortes. 9. Oktober 2020, S. R16
  20. Süddeutsche Zeitung: Schreiben gegen die Gewalt, 6. Juni 2022
  21. Veronica Bezold: Mit Heine und syrischem Rap für die Freiheit. In: Süddeutsche Zeitung Regionalausgabe Bad Tölz / Wolfratshausen, 15. Februar 2022, S. R7
  22. Bellevue di Monaco: Lesung mit Yirgalem Fisseha Mebrahtu, abgerufen am 26. Juli 2022
  23. a b Weiterschreiben: Yirgalem Fisseha Mebrahtu, abgerufen am 26. Juli 2022
  24. እሕታሚ እምኵሉ: ዘይበረየ ጐድነይ, 2022 (deutsche Google-Übersetzung), abgerufen am 26. Juli 2022
  25. PEN Eritrea: Yirgalem Fisseha Mebrahtu Receives PEN Eritrea’s Freedom of Expression Award; abgerufen am 19. November 2019
  26. Buch Wien 2019: Yirgalem Fisseha Mebrahtu; abgerufen am 19. November 2019
  27. Václav Havel Library: Disturbing the Peace Award 2021: Short List of Nominees Announced, abgerufen am 19. Juli 2022