Stille Post

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Stille Post (auch bekannt als Flüsterpost oder Telefonspiel[1]) ist ein Kinderspiel[2] und eine Methode der Wahrnehmungserziehung.[3] Der Begriff wird auch in der Kommunikationswissenschaft, mit der Bezeichnung Stille-Post-Effekt, sinnbildlich für die Verfälschung von Nachrichten durch die mehrfache Weitergabe von Informationen verwendet.

Regeln

Beim Spiel ordnen sich die Teilnehmer (je mehr, desto besser) in einer Reihe oder einem Kreis an. Ein Spieler denkt sich eine Nachricht aus. Diese Nachricht wird nun flüsternd von Mund zu Ohr von einem Teilnehmer zum jeweiligen Nachbarn weitergegeben. Das Spielvergnügen ergibt sich durch die folgende Auflösung, bei der der letzte in der Reihe laut ausspricht, was er als Mitteilung verstanden hat. Die zunehmende Verfälschung der ursprünglichen Nachricht kann dadurch dokumentiert werden, dass jeder Teilnehmer die verstandene Nachricht laut für alle wiederholt, was auch die Zahl der Lacherfolge steigen lässt.

Bewertung

Mit älteren Kindern und Jugendlichen kann in der Pädagogik auf diese Weise auch die Entstehung von Gerüchten oder Missverständnissen erklärt werden, da sich Nachrichten durch die subjektive Wahrnehmung bei der Weitergabe verändern können.

Varianten

Eine Variante von Stille Post lässt den ersten Spieler einen Satz auf einen Zettel schreiben. Der nächste Spieler malt dann zu diesem Satz ein Bild. Der übernächste Spieler schreibt zu diesem Bild wieder einen Satz und so geht es immer weiter, bis das Spiel mit einem Satz aufgelöst wird.

Eine weitere Version von Stille Post lässt den ersten Spieler seinem Partner eine lange Geschichte laut vorlesen. In der nächsten Runde kommt ein weiterer Partner hinzu, der die Geschichte nicht mit gehört hat, und bekommt sie vom Vorgänger erzählt usw. Die Zuschauer erkennen dabei sehr gut das Interpretations- und Filterungsverhalten.

Didaktische Nutzung

Im Bereich der Wahrnehmungserziehung kommt eine Form der ‚Stillen Post’ zum Einsatz, mit welcher die sensitive Körperwahrnehmung herausgefordert und geschult wird: Es geht darum, durch Berührungen und Bewegungen mit einem Finger auf dem Rücken eines Mitspielers Signale und Zeichen zu vermitteln, die dieser entschlüsseln soll. Sinn ist es, über taktile Reize eine Botschaft zu senden beziehungsweise aufzunehmen. Im optimalen Fall wird erreicht, über das Sinnesorgan Haut ein nonverbales Gespräch zu führen, bei dem die Mitteilungen über das Körpergefühl verstanden werden.

Der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe lässt sich je nach Alter und wachsendem Körpergefühl progressiv steigern. So kann bereits im Vorschulalter mit einfachen Übungen begonnen und das Anspruchsniveau bis ins Erwachsenenalter erhöht werden: Beginnend mit der Aufgabe, einzelne und einander folgende Druckpunkte auf dem Rücken zu lokalisieren, wird nach und nach das Erkennen einfacher geometrischer Formen wie Kreis, Rechteck, Quadrat, Dreieck gefordert. Es folgen dann Zahlen und Buchstaben und schließlich auch komplizierte Figuren und ganze Wörter und Nachrichten, die „postalisch“ übermittelt und dekodiert werden sollen. Für Fortgeschrittene kann sich die Stille Post zu einem wechselseitigen Dialog entwickeln, bei dem die Spielenden sich in Form eines Frage-Antwort-Spiels miteinander austauschen.[3]

Bei einer Variante der Wahrnehmungsschulung geht es darum, sich über die Gebärdensprache miteinander zu verständigen: Ein Gegenstand wie ein Fahrrad oder ein Geschehen wie ein Einkauf oder ein Unfall soll pantomimisch mit Gesten und Mimik in reiner Körpersprache dargestellt und von dem Beobachtenden möglichst detailgenau dekodiert werden. Hierzu sind körperliche Ausdrucksfähigkeit auf der einen und ein entsprechendes Wahrnehmungs- und Einfühlungsvermögen auf der anderen Seite gefragt.

Kommunikationswissenschaft

Das Phänomen der stillen Post ist auch in der Kommunikationswissenschaft von Bedeutung. Wird eine Information von Person zu Person weitergegeben, so besteht die Gefahr, dass sie verfälscht oder gar nicht ankommt, wenn der jeweilige Empfänger die vom vorherigen Sender empfangene Information nicht kennt. Informationsverluste entstehen hier bei jeder Schnittstelle.[4] Es konnte durch empirische Studien nachgewiesen werden, dass in einem Unternehmen bei der Weitergabe von Informationen über fünf Abteilungen hinweg lediglich noch 20 % der Ausgangsinformationen ankommen.[5]

Internationale Bezeichnungen

Das Spiel ist auch in vielen anderen Kulturen unter einer Vielzahl von Namen bekannt:

  • Im englischsprachigen Raum unter anderem als Chinesisches Flüstern (englisch chinese whispers) oder Russischer Skandal (englisch Russian scandal).
  • Im Französischen als Arabisches Telefon (französisch téléphone arabe) oder auch als Schnurloses Telefon (französisch téléphone sans fil).

Literatur

  • Siegbert A. Warwitz: Wir lernen Körper und Bewegung wahrnehmen. In: Ders.: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen–Spielen–Denken–Handeln. 6. Auflage. Schneider. Baltmannsweiler 2009. S. 97/98. ISBN 978-3-8340-0563-2.

Einzelnachweise

  1. Telefonspiel (mt,lz,mw) – wiki.phgr.ch. Abgerufen am 9. Februar 2021.
  2. Barbara Schniebel: Stille Post. In: Kinder Geburtstag planen. 31. März 2011, abgerufen am 4. Februar 2018.
  3. a b Siegbert A. Warwitz: Wir lernen Körper und Bewegung wahrnehmen. In ders.: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen–Spielen–Denken–Handeln. 6. Auflage. Schneider. Baltmannsweiler 2009. S. 97/98.
  4. Andreas Suter/Stefan Vorbach/Doris Wild-Weitlaner, Die Wertschöpfungsmaschine - Prozesse und Organisation aus der Strategie, 2019, Kap. 2.1
  5. Hans H. Hinterhuber, Paradigmenwechsel - Vom Denken in Funktionen zum Denken in Prozessen, in: Holger Luczak/Walter Eversehim (Hrsg.), Marktorientierte Flexibilisierung der Produktion, 1993, S. 107