Gänsereiten

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Gänsereiten in Sevinghausen

Gänsereiten, auch Gänseköppen, ist ein regionales Brauchtum, das aus Spanien, Niederlanden, Belgien, England und Nordamerika überliefert ist. Aktuell wird es in mehreren Ortschaften Nordrhein-Westfalens ausgeübt. Eine Abwandlung, in der einer Gans mit einem Schwert der Kopf abgeschlagen wird, soll es in Canstein, Engelkau, Haan sowie in Belgien und Holland gegeben haben.

Belgien

In Belgien findet das Gänsereiten in Lillo nahe Antwerpen statt.[1]

Deutschland

Höntrop

Eine zuvor getötete Gans wird dazu zwischen zwei Bäumen an den Füßen aufgehängt. Reiter versuchen, ihr im Galopp den Kopf abzureißen. Der Sieger ist der „Gänsereiterkönig“ für ein Jahr. Die Gans wird später gemeinsam verzehrt. Das Verbot, eine lebende Gans zu verwenden, besteht seit 1806.

Im Bochumer Stadtteil Wattenscheid-Höntrop wird das Gänsereiten zum Karneval vom Gänsereiter-Club Höntrop von 1598 e. V. veranstaltet.

Über den mutmaßlichen Ursprung in Wattenscheid schrieb der Bochumer Stadtarchivar Eduard Schulte in seinem Gutachten vom 6. Februar 1925:

„Seit unvordenklichen Zeiten erzähle man sich, dass das Gänsereiten von spanischen Kriegsleuten übernommen worden wäre, als diese während des spanisch-holländischen Krieges in den Jahren 1598 und 1599 sowie im Dreißigjährigen Krieg im Wattenscheider Kirchspiele lagen und zur Kurzweil ihre heimatlichen Reiterspiele geübt hätten.“[2]

Es handelt sich also um ein über 400 Jahre altes Brauchtum. Seit einigen Jahren pflegen die Höntroper Gänsereiter Kontakte mit dem spanischen Ort El Carpio de Tajo, wo alljährlich am 25. Juli ein Gänsereiten seit der Rückeroberung des von den Arabern besetzten Ortes im Jahr 1141 stattfindet.[3]

Strittig ist, wie zeitgemäß das Ritual noch ist. Die Welt am Sonntag kommentierte 2004: „In Wattenscheid ringt die Gesellschaft an Karneval darum, welche ihrer alten Rituale sie mit in die Zukunft nehmen möchte. Noch ist offen, wer am Ende Federn lassen muss.“[4]

Bei den Junggänsereitern wird nach Intervention des Jugendamts Bochum bereits seit 2006 nicht mehr mit echten Gänsen geritten. Stattdessen werden an einem Kreis herunterhängende Hufeisen verwendet. Die Kinder müssen versuchen, diese mit ihrer Reitgerte zu durchstechen.[5]

Im Bereich der Tierrechte engagierte Bürger argumentieren, auch die Form mit einer toten Gans verstoße gegen das Tierschutzgesetz und stelle Gewaltverherrlichung dar.[6] Im Januar 2016 entschied das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, ein Tötungsverbot komme nicht in Frage, solange die getötete Gans auch verzehrt wird (Urteil vom 5. Februar 2016, Az. 16 L 221/16).[7][8]

Nachdem auf Change.org bei einer an Hannelore Kraft gerichteten Petition gegen das Gänsereiten rund 100.000 Unterstützer teilnahmen, wurde eine Woche vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2017 bekannt, dass das Ritual ab 2018 nicht mehr mit echten Gänsen durchgeführt werden soll. Der Gänsereiterverein legt großen Wert darauf, dass „die Entscheidung ohne Druck getroffen“ wurde[9][10][11]

Sevinghausen

Ein Verein im benachbarten Ortsteil Sevinghausen veranstaltet ein Gänsereiten.

Werl

In Werl wurde das Gänseköppen vom Kolpingverein im Werler Stadtwald ausgerichtet. Eine getötete Gans hing in einem Drahtkorb, die Gesellen versuchten mit verbundenen Augen, dem Tier mit einem Säbel den Kopf abzuschlagen. Der erfolgreiche Kolpinggeselle wurde mit einer Kette geehrt, die von jedem König mit einer weiteren Medaille erweitert wurde. Er erhielt den Titel Gänsekönig. Nach einem Bericht des Beobachter, einer Werler Tageszeitung, nahmen zeitweise über 3000 Zuschauer an dem Spektakel teil. 1961 wurde das Gänseköppen als nicht mehr zeitgemäß eingestellt.

Langenhorst

Eine ähnliche Veranstaltung findet auch im Langenhorst, einem Bezirk von Velbert, am Freitag vor dem Rosenmontag und im Velberter Stadtteil Neviges beim Schloss Hardenberg zu Pfingsten statt.

Weitere Orte

Das Gänsereiten in Dortmund wird auf Betreiben der Stadtverwaltung seit 2003 mit einer Attrappe durchgeführt. Auch in den Essener Stadtteilen Kupferdreh, Byfang und Freisenbruch findet das Gänsereiten seit 2005 nur noch mit dieser Einschränkung statt. Essen-Frohnhausen hat nach wie vor den Gänsereiterbrunnen. In Drolshagen-Bühren wurde das Gänsereiten mit toten Tieren 1988 untersagt. Ebenso gibt es Verbote gegen „Hähneköppen“ in Bornheim und Leverkusen sowie seit 1993 im Kreis Euskirchen.[12]

Schweiz

Gansabhauet am 11. November (Martinstag) in Sursee.

Spanien

In El Carpio de Tajo findet alljährlich am 25. Juli ein Gänsereiten seit der im Jahr 1141 erfolgten Rückeroberung des von den Arabern besetzten Ortes statt.

Vereinigte Staaten

Abbildung aus West Virginia, 19. Jahrhundert

Niederländische Siedler brachten diesen Brauch nach New Amsterdam. Er verbreitete sich in den Vereinigten Staaten, starb aber in den 1870er Jahren aus.

Literatur

  • Broschüre 125 Jahre Kolpingfamilie Werl, 1861–1986, Druck Coelde-Verlag Werl.

Weblinks

Einzelnachweise