Kleine Braunelle

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Kleine Braunelle

Kleine Braunelle (Prunella vulgaris)

Systematik
Familie: Lippenblütler (Lamiaceae)
Unterfamilie: Nepetoideae
Tribus: Mentheae
Untertribus: Nepetinae
Gattung: Braunellen (Prunella)
Art: Kleine Braunelle
Wissenschaftlicher Name
Prunella vulgaris
L.

Die Kleine Braunelle, auch Gemeine Braunelle oder Gewöhnliche Braunelle (Prunella vulgaris; früher Brunella vulgaris), kurz auch Brunelle, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Braunellen (Prunella) in der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae). Sie ist vom mediterranen bis zum borealen Europa und bis nach Ostasien weitverbreitet.

Beschreibung

Illustration
Zygomorphe Blüte im Detail
Kleine Braunelle, blühend
Klausen

Erscheinungsbild und Blatt

Die Kleine Braunelle ist eine immergrüne, meist ausdauernde krautige Pflanze. Sie bildet wurzelnde oberirdische Ausläufer aus, mit denen sie sich auch vegetativ vermehren kann. Der 5 bis 30 Zentimeter lange Stängel ist aufsteigend und spärlich behaart. Die gegenständig angeordneten Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Die einfache Blattspreite ist elliptisch oder eiförmig, mit ganzem oder gekerbtem Rand.

Blütenstand, Blüte und Frucht

Die Blütezeit reicht von Juni bis Oktober. Der dicht gedrängte Blütenstand ist 1 bis 4 Zentimeter lang und sitzt meist unmittelbar oberhalb des obersten Laubblattpaares. Die Blüten sind zygomorph und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die Kelch-Oberlippe endet in drei sehr kurzen Zähnen, deren mittlerer viel breiter ist als die seitlichen, die Kelch-Unterlippe in zwei lanzettlichen, spitzen Zähnen. Die etwa 7 bis 15 Millimeter langen Kronblätter sind blauviolett, nur ganz selten weißlich gefärbt.

Selten kommen Pflanzenexemplare nur mit weiblichen Blüten vor, bei denen die Krone deutlich kleiner ist und den Kelch kaum überragt.

Die Klausenfrucht zerfällt in vier Klausen.

Chromosomensatz

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 28.[1]

Unterscheidung zu ähnlichen Arten

Die Kleine Braunelle ist zu der ähnlichen Großblütigen Braunelle besonders in folgende Merkmalen verschieden: Das oberste Laubblattpaar befindet sich direkt am Grund des Blütenstandes. Die etwa 7 bis 15 Millimeter lange Krone ist höchstens doppelt so lang wie der Kelch.[2]

Fruchtstand

Ökologie

Bei der Kleinen Braunelle handelt es sich um einen Hemikryptophyten.

Die Bestäubung erfolgt hauptsächlich durch Hummeln und andere Hautflügler.

Die klebrigen Klausenfrüchte sind vom Fruchtkelch umschlossen, der sich bei feuchtem Wetter innerhalb einer Minute hygrochas öffnet und dann waagrecht absteht. Fallen Regentropfen auf diese verlängerte Kelchlippe, so werden die Klausen herausgeschleudert. Die Klausen werden also als Regenballist ausgebreitet; aber auch eine Ausbreitung als Klebhafter sowie eine Zufallsausbreitung durch Huftiere ist möglich. Die Fruchtreife erfolgt ab August. Die langlebigen Samen sind Lichtkeimer.[3]

Bestand
Kleine Braunelle (Prunella vulgaris) auf Hawaii

Vorkommen

Die Kleine Braunelle ist vom mediterranen bis zum borealen Europa und Westasien weitverbreitet. Sie ist in den gemäßigten Gebieten der Nord- und Südhalbkugel ein Neophyt.

Die Kleine Braunelle gedeiht auf Halbtrockenrasen, auf Kriech- und Trittrasen, auf feuchten Wiesen oder Weiden oder an Rändern von Waldwegen. Sie ist eine Charakterart der Molinio-Arrhenatheretea-Klasse, kommt aber auch in Gesellschaften der Verbände Agropyro-Rumicion oder Polygonion avicularis vor.[4] Sie ist in Mitteleuropa eine weit verbreitete, häufige Pflanze und kommt vom Flachland bis in das Hochgebirge bis etwa 2000 m Höhe vor.[2] In den Allgäuer Alpen steigt sie im Tiroler Teil am Saalfelder Weg zwischen Steinkarspitze und Kälbelesspitze bis zu einer Höhenlage von 1900 Metern auf.[5]

Systematik

Man kann folgende Unterarten unterscheiden:[6]

  • Prunella vulgaris subsp. asiatica (Nakai) H.Hara: Sie kommt von China bis zu den Aleuten vor.[6]
  • Prunella vulgaris subsp. estremadurensis Franco: Sie kommt in Portugal vor.[6]
  • Prunella vulgaris subsp. hispida (Benth.) Hultén: Sie kommt vom südlichen Indien bis China vor.[6]
  • Prunella vulgaris subsp. lanceolata (W.P.C.Barton) Piper & Beattie: Sie kommt von China bis Nord- und Mittelamerika vor.[6]
  • Prunella vulgaris subsp. vulgaris: Sie kommt von Makaronesien und Nordafrika bis zu den gemäßigten Zonen Eurasiens vor.[6]
Illustration aus Sturm

Pharmakologie und Ethnobotanik

Die Kleine Braunelle (lateinisch früher auch als consolida minor bezeichnet[7]), kurz auch Brunelle (und früher lateinisch prunella) genannt,[8] wurde im Mittelalter zur Behandlung der Diphtherie (Bräune-Krankheit), welche Verfärbungen im Rachen hervorruft, verwendet. Junge, nichtblühende Pflanzenteile können auch als Salat oder als Gewürz verwendet werden.[9]

Die Kleine Braunelle enthält Gerbstoffe (Tannin), Flavonoide, Terpene (1,8-Cineol, Campher), Triterpene (Ursolsäure), Saponine und andere wirksame Bestandteile. In Asien ist sie eine traditionelle Heilpflanze. In Europa ist sie mittlerweile weniger bekannt. Eventuelle adstringierende Anwendungen sind durch die enthaltenen Gerbstoffe erklärbar, und die bekannten Terpene wirken natürlich genauso wie in anderen ätherischen Ölen.[10][11][12] Die in der Kleinen Braunelle enthaltene Rosmarinsäure wird in der Kosmetikindustrie für Präparate zum Schutz der Haut vor Ultraviolett-Strahlung verwendet.[13]

Zubereitungen aus der Fruchtähre sind bei Mäusen immunsuppressiv.[14] In einer Labor-Studie von 1986 konnte einem Inhaltsstoff der Kleinen Braunelle, dem Polysaccharid Prunellin, eine gewisse Aktivität gegen das HI-Virus belegt werden[15]. In einer anderen Labor-Studie wurde die Wirksamkeit gegen Herpes-simplex-Stämme aufgezeigt, die gegen Aciclovir resistent waren.[16]

Trivialnamen

Für die Kleine Braunelle bestehen bzw. bestanden, zum Teil auch nur regional, auch die weiteren deutschsprachigen Trivialnamen: St. Antonikraut (Österreich, Ostpreußen), Braunellen, Brunellen, Brünikraut (Berner Oberland), Bruni (Berner Oberland), Brunwort (mittelhochdeutsch), Brunwurtz (mittelhochdeutsch), Weiße Bugeln (Bern), Gaheyl (niederdeutsch), Ghaheyle (niederdeutsch), Gauchheil (Schlesien), Gottheil (Schlesien, Mark, Ostpreußen), Gotthihl (Siebenbürgen), Blauer Guckguck (Schlesien), Gunzel, Halskraut, Immergsund, Mundfäulkraut (Österreich), Mundfäulzapfen (Österreich), Oogenprökel (Ostfriesland), Prawenwurz (mittelhochdeutsch), Prickelnösn (Ostfriesland), Radeheyle (niederdeutsch), Selbstheil (vgl. gleichbedeutend mittelhochdeutsch sëlpheile) und Veiteln (Tirol).[17]

Quellen

  1. Eckehart J. Jäger, Klaus Werner (Hrsg.): Exkursionsflora von Deutschland. Begründet von Werner Rothmaler. 10., bearbeitete Auflage. Band 4: Gefäßpflanzen: Kritischer Band. Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag, München/Heidelberg 2005, ISBN 3-8274-1496-2.
  2. a b Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Pteridophyta, Spermatophyta. 2. Auflage. Band V. Teil 4: Angiospermae: Dicotyledones 3 (4) (Labiatae – Solanaceae). Carl Hanser bzw. Paul Parey, München bzw. Berlin/Hamburg 1964, ISBN 3-489-78021-3, S. 2380–2382 (unveränderter Nachdruck von 1927 mit Nachtrag).
  3. Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Porträt. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
  4. Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 799.
  5. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2, IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 407.
  6. a b c d e f Rafaël Govaerts (Hrsg.): Prunella vulgaris. In: World Checklist of Selected Plant Families (WCSP) – The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew, abgerufen am 15. Februar 2016.
  7. Werner Gerabek: Consolida maior, Consolida minor und eine Kräuterfrau. Medizinhistorische Beobachtungen zur Reinhardsbrunner Briefsammlung. In: Sudhoffs Archiv Band 67, 1983, S. 80–93, hier: S. 91 f.
  8. Vgl. etwa Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 152 (Prunella).
  9. Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. Ein botanisch-ökologischer Exkursionsbegleiter zu den wichtigsten Arten. 6., völlig neu bearbeitete Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2005, ISBN 3-494-01397-7.
  10. T. Kimura et al. (Hrsg.): International Collation of Traditional and Folk Medicine: Northeast Asia. World Scientific 1996, ISBN 981-022589-X, S. 147.
  11. Prunella vulgaris (Lamiaceae) (engl., PDF) In: Dr. Duke's Phytochemical and Ethnobotanical Database, Hrsg. U.S. Department of Agriculture, abgerufen am 17. Juli 2021.
  12. J. K. Crellin: Reference Guide to Medicinal Plants. Duke University Press, 1990, ISBN 0-8223-1019-8, S. 386.
  13. Jitka Psotova, Alena Svobodova, Hana Kolarova, Daniela Walterova: Photoprotective properties of Prunella vulgaris and rosmarinic acid on human keratinocytes. In: Journal of Photochemistry and Photobiology B: Biology Band 84, Nr. 3, 2006, S. 167–174, doi:10.1016/j.jphotobiol.2006.02.012, PMID 16631374.
  14. Hong-Xiang Sun, Feng Qin, Yuan-Jiang Pan: In vitro and in vivo immunosuppressive activity of Spica Prunellae ethanol extract on the immune responses in mice. In: Journal of Ethnopharmacology Band 101, Nr. 1–3, 2005, S. 31–36, doi:10.1016/j.jep.2005.03.023, PMID 15919165.
  15. Hani D. Tabba, R. Shihman Chang, Kevin M. Smith: Isolation, purification, and partial characterization of prunellin, an anti-HIV component from aqueous extracts of Prunella vulgaris. In: Antiviral Research. Band 11, Nr. 5–6, 1989, S. 263–273, doi:10.1016/0166-3542(89)90036-3, PMID 2802570.
  16. Lawrence Chi-Ming Chiu, Wen Zhu, Vincent Eng-Choon Ooi: A polysaccharide fraction from medicinal herb Prunella vulgaris downregulates the expression of herpes simplex virus antigen in Vero cells. In: Journal of Ethnopharmacology. Band 93, Nr. 1, 2004, S. 63–68, doi:10.1016/j.jep.2004.03.024, PMID 15182906.
  17. Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, S. 69 (zu „Selbstheil“ auch S. 148), online.

Weblinks

Commons: Kleine Braunelle (Prunella vulgaris) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien