Giritzenmoos

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Unter dem Giritzenmoos stellte sich der Volksglaube ein ödes Moor vor, wo sich die alten Jungfern, seltener auch die alten Junggesellen aufhielten, die zur Strafe für ihre Ehelosigkeit in Kiebitze, schweizerdeutsch Giritz,[1] verwandelt worden waren.[2]

Das Giritzengericht, Giritzenmoosgericht oder Giritzenspiel, auch Giritzenmoosfahrt genannt, war die schweizerische Art eines Rügegerichts, bei dem alljährlich an der Fasnacht die noch Unverheirateten verspottet werden. Der Brauch war nach Auskunft des Schweizerischen Idiotikons im 19. Jahrhundert in weiten Teilen der Deutschschweiz bekannt,[2] aber schon damals im Verschwinden begriffen. Im Luzerner Hinterland wurde er zum letzten Mal um die Mitte der 1870er Jahre beobachtet.[3]

Organisiert wurde die Belustigung von den jungen Burschen der Dörfer. Die Leitung hatte der Giritzenvater, dem ein Schreiber und eine Scharwache beigeordnet waren. Dieses «Gericht» lud die ledigen Frauen und – seltener – ledigen Männer vor, führte ein «Verfahren» durch, in dem allerhand Privates aus dem vergangenen Jahr der johlenden Öffentlichkeit preisgegeben werden musste, und führte die «Verurteilten» als Strafe für ihre Ehelosigkeit anschliessend auf einem Leiterwagen aus dem Dorf hinaus, wo sie «versteigert» beziehungsweise freigekauft werden mussten.[4]

Der Schweizer Volkskundler Richard Weiss sah als Ausgangspunkt des Brauchs einen vorchristlichen Fruchtbarkeitsmythos, wonach die ledigen Frauen im Frühling in eine weit entfernte Gegend geführt werden sollten, damit sich deren Unfruchtbarkeit nicht auf andere Menschen sowie auf Tiere und Pflanzen übertragen würde.[5]

Literatur

  • J. L. Arnold: Das «Giritzenmoos» in Dagmersellen (Kanton Luzern). In: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Jg. 7 (1903), S. 295–298 (doi:10.5169/seals-110458).
  • Baldino (= Johann Baptist Bandlin): Mimosen. Novellen und Erzählungen aus dem bündn. Volksleben. Band II. Brodtmann, Schaffhausen 1858, S. 73.
  • Hans Koch: Das Giritzenmoos. Eine volkskundliche Studie. In: Innerschweizerisches Jahrbuch für Heimatkunde 17/18, 1954, S. 183–188.
  • Christoph Landolt: Das Giritzenmoos. In: «Wortgeschichte» vom 30. Oktober 2015, hrsg. von der Redaktion des Schweizerischen Idiotikons.
  • Schweizerisches Idiotikon, Band IV, Spalten 470–472, Artikel Girizen-Mos (Digitalisat).
  • Ludwig Tobler: Die alten Jungfern im Glauben und Brauch des deutschen Volkes. In: Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft 14 (1883), S. 64–90.
  • Richard Weiss: Volkskunde der Schweiz. Rentsch, Erlenbach 1946, S. 201/2.

Einzelnachweise

  1. Schweizerisches Idiotikon, Band II, Spalten 407/8, Artikel Giriz (Digitalisat).
  2. a b Schweizerisches Idiotikon, Band IV, Spalten 470–472, Artikel Girizen-Mos (Digitalisat).
  3. J. L. Arnold: Das «Giritzenmoos» in Dagmersellen (Kanton Luzern). In: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Jg. 7 (1903), S. 295–298, hier S. 295.
  4. So im luzernischen Dagmersellen, siehe J. L. Arnold: Das «Giritzenmoos» in Dagmersellen (Kanton Luzern), in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Jg. 7 (1903), S. 295–298. Weitere Beschreibungen finden sich im Schweizerischen Idiotikon, Band IV, Spalten 470–472.
  5. Richard Weiss: Volkskunde der Schweiz. Rentsch, Erlenbach 1946, S. 201.