Schwirlverwandte

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Grassänger)
Schwirlverwandte

Strichelkopf-Schilfsteiger (Megalurus palustris)

Systematik
Unterklasse: Neukiefervögel (Neognathae)
Ordnung: Sperlingsvögel (Passeriformes)
Unterordnung: Singvögel (Passeri)
ohne Rang: Passerida
Überfamilie: Sylvioidea
Familie: Schwirlverwandte
Wissenschaftlicher Name
Locustellidae
Bonaparte, 1854

Die Schwirlverwandten (Locustellidae, Syn.: Megaluridae), früher als Grassänger bezeichnet, sind eine Familie von Sperlingsvögeln (Passeriformes), die überwiegend aus ehemaligen Vertretern der Grasmückenartigen (Sylviidae) und der Timalien (Timaliidae) besteht. Zu ihnen zählen unter anderen die Schwirle (Locustella) der Alten Welt (Europa, Afrika und Asien), die Gestrüppsänger (Bradypterus) aus Afrika und Madagaskar und die Schilfsteiger (Megalurus) aus Australasien und Neuseeland. Die Familie umfasst je nach systematischer Betrachtung 10 bis 13 Gattungen mit 64 Arten, wovon die Gattung Locustella mit 22 Arten den größten Anteil ausmacht.

Merkmale

Das Gefieder der Schwirlverwandten ist allgemein braun und bei vielen Gattungen gestrichelt. Die Flügel sind mittellang und gerundet. Der lange Schwanz ist gerundet und gestuft. Bei den Arten der Gattung Locustella sind die Unterschwanzdecken sehr lang. Der Körper ist schmal bis mittelgroß, zylindrisch-eiförmig und länglich. Der mittelgroße Schnabel ist dünn und gerade, jedoch stärker bei den australischen Grassängern. Der Kopf ist mittelgroß. Der Hals ist von mittlerer Stärke und Länge. Beine und Füße sind allgemein mittellang. Die Geschlechter ähneln sich.

Lebensraum

Die Schwirlverwandten leben in einer großen Vielfalt von Lebensräumen, darunter Wälder mit dichten Unterholz, Marschland und Sumpfland sowie jahreszeitlich trockenes Grasland.

Nahrung

Die meisten Arten der Schwirlverwandten ernähren sich von Insekten und anderen Wirbellosen, insbesondere von Spinnen, kleinen Schnecken, Würmern und Flohkrebsen. Bei manchen Arten bereichern Samen das Nahrungsangebot. Die Nahrung wird durch Picken im dichten Gestrüpp oder auf dem Boden aufgespürt.

Systematik

Locustellidae ist eine Klade in der Überfamilie Sylvioidea. Bevor die Familie in den Jahren 2006[1] und 2011[2] weitgehend genetisch analysiert wurde, wurde der Großteil deren Vertreter im weiteren Sinne (sensu lato) den Grasmückenartigen (Sylviidae) zugeordnet. Locustellidae gilt als Schwestergruppe der Familien Bernieridae aus Madagaskar und Donacobiidae aus Südamerika, die aus nur einer Art, dem Rohrspotter (Donacobius atricapilla), besteht.[3]

Vereinfachtes Kladogramm nach Fregin et al., 2012:[3]




Bernieridae


   

Donacobiidae



   

Locustellidae



In älteren Systematiken[1][4] findet sich häufig die Familie Megaluridae, die 1875 von Edward Blyth aufgestellt wurde. Hierzu zählten unter anderem die Gattungen Megalurus, Cincloramphus und Eremiornis. Locustellidae wurde jedoch bereits 1854 von Charles Lucien Jules Laurent Bonaparte beschrieben und die namensgebende Gattung Locustella von Johann Jakob Kaup im Jahr 1829. Daher wird die Bezeichnung Locustellidae gemäß der Internationalen Regeln für die Zoologische Nomenklatur (Vorrangsprinzip) bevorzugt.[2]

Der International Ornithological Congress unterscheidet folgende elf Gattungen:[5]

Feldschwirl (Locustella naevia)
Kapbuschsänger (Bradypterus sylvaticus)
Ceylonbuschsänger (Elaphrornis palliseri)
Fächerschwanzsänger (Catriscus brevirostris)
  • Schilfsteiger (Poodytes) (fünf Arten)
    • Weißflügel-Schilfsteiger (Poodytes albolimbatus) (ehemals Megalurus albolimbatus)
    • Spinifexsänger (Poodytes carteri) (ehemals Eremiornis carteri beziehungsweise Megalurus carteri)
    • Chatham-Grassänger (Poodytes rufescens) (ausgestorben) (ehemals Megalurus rufescens, Bowdleria rufescens beziehungsweise Bowdleria punctatus rufescens)
    • Farnsteiger (Poodytes punctatus) (ehemals Megalurus punctatus beziehungsweise Bowdleria punctatus)
    • Zwergschilfsteiger (Poodytes gramineus) (ehemals Megalurus gramineus)
Neukaledonien-Buschsänger (Cincloramphus mariei)

Die monotypische Gattung Malia, die ursprünglich wahlweise zu den Familien der Timalien (Timaliidae) beziehungsweise der Bülbüls (Pycnonotidae) zählte, wurde, basierend auf einer phylogenetischen Studie von 2012,[8] die Malia grata als Schwestertaxon von Cincloramphus timoriensis sieht, von Winkler et al. ebenfalls in die Familie Locustellidae gestellt.[9]

2018 wurde die Familie Locustellidae erneut revidiert. Für sechs vornehmlich in Asien vorkommende Schwirl-Arten (ehemals Locustella) wurde die neue Gattung Helopsaltes aufgestellt. Die Gattung Megalurulus wurde mit der Gattung Cincloramphus synonymisiert. Der Fächerschwanzsänger wurde von der Gattung Schoenicola in die monotypische Gattung Catriscus transferiert. Der Nacktzügelsänger (ehemals in der monotypischen Gattung Chaetornis) wurde in die Gattung Schoenicola gestellt. Der Madagaskar-Grassänger (ehemals in der monotypischen Gattung Amphilais) wurde in die Gattung Bradypterus transferiert. Die Schilfsteiger (ehemals in den Gattungen Megalurus beziehungsweise Bowdleria) bilden nun die Gattung Poodytes[10]

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b Alström, P.; Ericson, P.G.P.; Olsson, U. & Sundberg, P. (2006): Phylogeny and classification of the avian superfamily Sylvioidea. Mol. Phylogenet. Evol. 38(2): 381–397. doi:10.1016/j.ympev.2005.05.015 PMID 16054402 PDF Volltext
  2. a b Alström, P., S. Fregin, J.A. Norman, P.G.P. Ericson, L. Christidis, & U. Olsson: Multilocus analysis of a taxonomically densely sampled dataset reveal extensive nonmonophyly in the avian family Locustellidae. Mol Phylogenet Evol. 2011 Mar;58(3):513–26. doi:10.1016/j.ympev.2010.12.012
  3. a b Silke Fregin, Martin Haase, Urban Olsson, Per Alström: New insights into family relationships within the avian superfamily Sylvioidea (Passeriformes) based on seven molecular markers. BMC Evolutionary Biology 12(1), 157, 2012. S. 1–12
  4. Sibley, C.G., Monroe Jr., B.L., 1990. Distribution and Taxonomy of Birds of the World. Yale University Press, New Haven.
  5. IOC World Bird List Grassbirds, Donacobius, Malagasy warblers, cisticolas & allies
  6. Per Alström, Canwei Xia, Pamela C. Rasmussen, Urban Olsson, Bo Dai, Jian Zhao, Paul J. Leader, Geoff J. Carey, Lu Dong, Tianlong Cai, Paul I. Holt, Hung Le Manh, Gang Song, Yang Liu, Yanyun Zhang and Fumin Lei: Integrative taxonomy of the Russet Bush Warbler Locustella mandelli complex reveals a new species from central China. Avian Research 6: 9; 2015. doi:10.1186/s40657-015-0016-z
  7. Alström, P., Rasmussen, P. C., Olsson, U. & Sundberg, P.: Species delimitation based on multiple criteria: the Spotted Bush Warbler Bradypterus thoracicus complex (Aves: Megaluridae). Zoological Journal of the Linnean Society, 154, 2008: 291–307. doi:10.1111/j.1096-3642.2008.00418.x
  8. Oliveros, C. H., Reddy, S. & Moyle, R. G.: The phylogenetic position of some Philippine “babblers” spans the muscicapoid and sylvioid bird radiations. Molecular Phylogenetics and Evolution 65, 2012, S. 799–804
  9. David W. Winkler, Shawn M. Billerman & Irby J. Lovette: Bird Families of the World, The CornellLab of Ornithology & Lynx Edicions, Barcelona, 2015, ISBN 978-84-941892-0-3, S. 427–429
  10. Per Alström, Alice Cibois, Martin Irestedt, Dario Zuccon, Magnus Gelang, Jon Fjeldså, Michael J. Andersen, Robert G. Moyle, Eric Pasquet, Urban Olsson: Comprehensive molecular phylogeny of the grassbirds and allies (Locustellidae) reveals extensive non-monophyly of traditional genera, and a proposal for a new classification, Molecular Phylogenetics and Evolution, 2018 doi:10.1016/j.ympev.2018.03.029