Gütermarktmultiplikator einer offenen Volkswirtschaft

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Der Gütermarktmultiplikator in einer offenen Volkswirtschaft gibt an, wie stark die gleichgewichtige Produktion bzw. das gleichgewichtige Einkommen bei einer Erhöhung der Investitionsnachfrage steigen. In der Volkswirtschaftslehre charakterisiert man als Multiplikator einen Faktor, der anzeigt, in welchem Ausmaß eine wirtschaftliche Aktivität (unabhängige Variable) eine zu analysierende Einheit (abhängige Variable) beeinflusst. Der Multiplikatorprozess ist ein essentieller Mechanismus, durch den es zu einer Stimulierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage kommt. Die Multiplikatoranalyse ist ein Kerngedanke der keynesianischen Theorie.

Bedingungen

Datei:Das Gütermarktgleichgewicht bei einkommensabhängiger Nachfrage.jpg
Das Gütermarktgleichgewicht bei einkommensabhängiger Nachfrage

Multiplikatoren in einer offenen Volkswirtschaft

Betrachtet wird eine offene Volkswirtschaft, das heißt, der Einfluss des Außenhandels spielt in der Analyse ebenfalls eine entscheidende Rolle. Bei stark Export und Import motivierten Nationen können die Außenhandelsbeziehungen einen großen Einfluss auf die Binnenkonjunktur haben. Zur Vereinfachung der Analyse werden das Preisniveau und die Wechselkurse als konstant fixiert. Da die Exporte ein Bestandteil der volkswirtschaftlichen Nachfrage sind, ergibt sich, dass deren Erhöhung das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bzw. Volkseinkommen positiv beeinflussen. Importe erhöhen sich mit wachsendem BIP bzw. Volkseinkommen des Inlandes. Der Umfang der Importveränderung wird durch die marginale Importneigung abgebildet. Variiert man die autonomen Nachfragekomponenten, ist der Multiplikator niedriger als in geschlossenen Volkswirtschaften.[1]

Gleichgewicht auf dem Gütermarkt

Es muss ein Gleichgewicht auf dem Gütermarkt herrschen, welches durch die Gleichheit von aggregierter Nachfrage und aggregiertem Angebot definiert wird. Wenn die aggregierte Nachfragefunktion die 45°-Linie schneidet, ist der Gütermarkt im Gleichgewicht. Es ergibt sich ein Gütermarktgleichgewicht beim Produktionsniveau bzw. Einkommen , wenn man diese Nachfragefunktion voraussetzt.

Grafische Herleitung

Datei:Änderung der autonomen Nachfrage.jpg
Änderung der autonomen Nachfrage

Ausgehend vom Gütermarktgleichgewicht wird eine kontinuierliche Investitionszunahme () eingezeichnet. Die einkommensabhängigen Nachfragekomponenten werden zu zusammengefasst. Infolge der Erhöhung der autonomen Nachfrage verschiebt sich die aggregierte Nachfrage nach oben und entwickelt sich zu . Der Grafik ist zu entnehmen, dass der Anstieg des gleichgewichtigen Einkommens bei weitem größer ist als die Erhöhung der Investitionsnachfrage.

Die Nachfrageerhöhung () führt zu einer Erhöhung des Einkommens und regt infolgedessen die Konsumnachfrage an. Die Erhöhung der autonomen Investitionsnachfrage bewirkt daraufhin einen Impuls zum marginalen Konsum und führt so zu einem multiplikativen Effekt.

Das Gleichgewichtseinkommen nach der Erhöhung der Investitionsnachfrage um :

= Volkseinkommen nach Erhöhung der Investitionsnachfrage
= marginale Konsumquote
= autonome Investition
= autonomer Konsum
= Änderung der autonomen Investition

Die Veränderung des gleichgewichtigen Einkommens ist: bzw.

= Änderung des Volkseinkommens
= marginale Konsumquote
= autonome Investition
= autonomer Konsum
= Änderung der autonomen Investition

Daraus folgt:

Der Quotient bezeichnet den Multiplikator ()

möglich ist auch:

Die infolge des gestiegenen Einkommens abgeleiteten Nachfrageerhöhungen werden im Zeitverlauf schwächer und steigern das aktuelle Einkommen um einen immer niedrigeren Betrag.[2]

Folgen der Investitionserhöhung

Die Erhöhung der Investitionen hat einen Nachfrageüberschuss zur Folge.[3] Die Betriebe entscheiden sich das Produktionsniveau zu steigern. Demnach werden höhere Gewinne erwirtschaftet, möglicherweise neue Arbeitskräfte eingestellt und die Unternehmer sind in der Lage die Einkommen der Haushalte zu erhöhen. Die Haushalte reagieren mit einer Zeitverzögerung von einer Periode. Infolge werden die Haushalte ihren Konsum erhöhen und da es sich um die Betrachtung einer offenen Volkswirtschaft handelt, wird ein Teil des Bedarfs durch Importe aus dem Ausland gedeckt. Des Weiteren wird ein Teil des Geldes gespart und versickert somit im Einkommenskreislauf (Sickerverlust). Demzufolge ist die aus der Einkommenserhöhung entstehende Nachfrage immer geringer als die Einkommenserhöhung selbst.[4]

Kritische Würdigung der Multiplikatoranalyse

Die Auswirkungen der autonomen Investitionserhöhung werden zu einer Summenformel reduziert. Dies ist nur eine sehr grobe Darstellung der wirtschaftlichen Abläufe. So gelangt man zu der Auffassung, dass jede Investitionserhöhung eine Einkommens- und Beschäftigungserhöhung zur Folge hat und zwar um einen vielfach (multiplikativ) erhöhten Wert gegenüber dem Input.

Eine Analyse der Perioden würde beweisen, dass sich der Gesamteffekt erst nach unzähligen Phasen einstellt und dies lässt sich mit den ceteris-paribus-Bedingungen nicht vereinbaren.

Die marginale Konsumquote stellt ebenfalls einen Schwachpunkt dieser Theorie dar. Sie lässt sich eben nicht auf einen fixen Wert festlegen, da die Haushalte unterschiedlichen Einkommensniveaus angehören. Haushalte der hohen Einkommensklassen sparen einen großen Teil ihrer Einnahmen und haben somit eine geringe Konsumquote. Niedrigere Einkommensklassen haben folglich eine vergleichsweise hohe Konsumquote. Der Einfluss des multiplikativen Effektes hängt also davon ab, welcher Einkommensklasse die Investitionserhöhung übermittelt wird. Des Weiteren ist relevant, ob der autonome Ausgabenstoß an kapital- oder arbeitsintensive Wirtschaftszweige erfolgt.

Letztlich wird in diesem Modell von einer Gleichgewichtslage ausgegangen, die durch den Multiplikatorprozess gestört wird und zu einem neuen Gleichgewichtspunkt führt. Gerade wirtschaftliche Reaktionen erfolgen häufig, wenn ein Ungleichgewicht auf dem Markt herrscht. Daher sind die Rechenergebnisse von oben genannten Formeln kritisch zu beleuchten.[5]

Literatur

  • Gerold Blümle, Wolfgang Patzig: Grundzüge der Makroökonomie. 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Haufe Verlagsgruppe, Freiburg 1999, ISBN 3-448-03789-3
  • Reiner Clement, Wiltrud Terlau: Grundlagen der Angewandten Makroökonomie. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Verlag Franz Vahlen, München 2002, ISBN 3-8006-2793-0
  • Michael Heine, Hansjörg Herr: Volkswirtschaftslehre. 3. Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2003, ISBN 3-486-27293-4
  • Sigurd Klatt: Einführung in die Makroökonomie. 2., erweiterte Auflage. R. Oldenbourg Verlag, München, 1989, ISBN 3-486-21289-3
  • Gerhard Schmitt-Rink, Dieter Bender: Makroökonomie geschlossener und offener Volkswirtschaften. 2.,vollständig überarbeitete Auflage. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 1990/1992, ISBN 3-540-55905-1

Einzelnachweise

  1. Reiner Clement, Wiltrud Terlau: Grundlagen der Angewandten Makroökonomie 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Verlag Franz Vahlen, München 2002, S. 159–160
  2. Michael Heine, Hansjörg Herr: Volkswirtschaftslehre 3. Auflage. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2003, S. 404–406
  3. Gerold Blümle, Wolfgang Patzig: Grundzüge der Makroökonomie 4. überarbeitete und aktualisierte Auflage. Haufe Verlagsgruppe, Freiburg 1999, S. 267
  4. Reiner Clement, Wiltrud Terlau: Grundlagen der Angewandten Makroökonomie 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Verlag Franz Vahlen, München 2002, S. 152
  5. Sigurd Klatt: Einführung in die Makroökonomie 2. erweiterte Auflage. R. Oldenbourg Verlag, München 1989, S. 125–126