Vollzugslockerung

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Unter Lockerungen des Vollzuges (kurz Vollzugslockerung oder Lockerung genannt) versteht man Erleichterungen im Rahmen des Strafvollzugs für einen Strafgefangenen durch befristetes Verlassen der Justizvollzugsanstalt.[1][2]

Deutschland

Einzelne Lockerungsmaßnahmen

§ 11 StVollzG unterscheidet bei den Vollzugslockerungen im engeren Sinn namentlich die Außenbeschäftigung, den Freigang, die Ausführung und den Ausgang. Diese Aufzählung ist zwar nicht abschließend, doch haben sich weitere selbständige Formen bisher nicht herausgebildet.[3] Es gibt jedoch einige Mischformen wie die Kombination von Ausgang und Urlaub.[4]

Zu den Vollzugslockerungen im weiteren Sinne gehören der offene Vollzug nach § 11 StVollzG und der Hafturlaub nach § 13 StVollzG.

Bedeutung

Da es nach § 2 Satz 1 StVollzG zu den Vollzugszielen gehört, den Täter zu resozialisieren, soll zur Vorbereitung der Entlassung der Vollzug gelockert werden (§ 15 Abs. 1 StVollzG).

Das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Resozialisierungsinteresse richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur darauf, vor schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges im Rahmen des Möglichen bewahrt zu werden (§ 3 Abs. 2 StVollzG), sondern auch auf die Rahmenbedingungen, die einer Bewährung und Wiedereingliederung förderlich sind.[5] Solchen Zielen dient ein gemäß § 11 Abs. 1 StVollzG mit Zustimmung des Gefangenen als Lockerung des Vollzugs angeordneter Ausgang oder eine Ausführung unter Aufsicht.[6] Vollzugslockerungen machen es dem Gefangenen möglich, nach langem Freiheitsentzug wenigstens ansatzweise Orientierung für ein normales Leben zu suchen und zu finden.[7]

Zumindest anfänglich ist üblicherweise eine Bezugsperson (beispielsweise Angehöriger) notwendig, die die Abholung und die rechtzeitige Rückkehr des Ausgängers gewährleistet. Beanstandungsfrei verlaufene Ausgänge sind die Voraussetzung für die Erteilung von Urlaub aus der Haft.

Der „Urlaub“, allgemein als Hafturlaub bezeichnet, kann bis zu 21 Tagen im Jahr gewährt werden (§ 13). Zusätzlich kann der Gefangene innerhalb von neun Monaten vor der Entlassung zu deren Vorbereitung Sonderurlaub bis zu einer Woche erhalten. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dem Gefangenen aus wichtigem Anlass (beispielsweise schwerwiegende Erkrankung oder Tod eines Angehörigen) Ausgang zu gewähren oder ihn bis zu sieben Tage zu beurlauben. Urlaub aus wichtigem Anlass wird nicht auf den regelmäßigen Urlaub angerechnet.

Voraussetzungen

Lockerungen dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten missbrauchen werde. Vollzugslockerungen erhalten nur dafür besonders geeignete Gefangene, bei denen ein Missbrauch nicht zu befürchten ist. Die Entscheidung darüber liegt bei der Anstaltsleitung. Ausschlaggebend sind das in der Haft gezeigte Verhalten, die Persönlichkeit des Gefangenen, die der Verurteilung zugrunde liegenden Delikte und gegebenenfalls die Aufarbeitung der zugrunde liegenden Defizite.

Als ungeeignet gelten insbesondere Gefangene, die

  • sucht- und fluchtgefährdet sind oder
  • in der Vergangenheit eine Lockerung des Vollzuges missbraucht haben oder
  • bis zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt noch mehr als achtzehn Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen haben.

Ebenfalls ausgeschlossen sind Lockerungen für Gefangene, gegen die Untersuchungs-, Auslieferungs- oder Abschiebehaft angeordnet ist.

Je nach Bundesland können abweichende Kriterien und Maßstäbe für die Gewährung oder Ablehnung von Lockerungen ausschlaggebend sein.

Dem Gefangenen können für Lockerungen Weisungen erteilt werden: Beispielsweise für den Aufenthaltsort bzw. die Meidung bestimmter Lokale oder Bezirke, für zu erledigende Angelegenheiten, für den Kontakt mit bestimmten Personen, für die Verwendung von Gegenständen (beispielsweise Führen eines Kraftfahrzeugs) sowie für die Meidung von Suchtmitteln.

Kehrt der Gefangene von einer Lockerung nicht oder verspätet zurück, gilt dies nicht als Entweichen. Er kann aber dennoch zur Fahndung ausgeschrieben und nach seiner Rückkehr disziplinarisch bestraft werden (§ 102 StVollzG). Der Vollzug der Strafe ist in diesen Fällen unterbrochen, so dass sich das Strafende um den entsprechenden Zeitraum hinausschiebt.[8]

Österreich

Das Strafvollzugsgesetz (StVG) kennt den Strafvollzug in gelockerter Form (§ 126 StVG) als Durchbrechung des Abschließungsprinzips, wonach die Strafgefangenen die Anstalt zum Vollzug von Freiheitsstrafen bis zu ihrer Entlassung grundsätzlich nicht verlassen dürfen (§ 21 StVG). Dazu gehören insbesondere die Unterbrechung der Freiheitsstrafe (§ 99 StVG), Ausgänge (§§ 99a, 126, 147 StVG) und der Freigang (§§ 126 Abs 2 Z 2 und Abs 3, 144 Abs 2 StVG). Der elektronisch überwachte Hausarrest ist keine Vollzugslockerung, sondern eine eigene Vollzugsform (§§ 156b ff StVG).[9]

Schweiz

Der Straf- und Massnahmenvollzug erfolgt in der Schweiz in Form des sog. Progressionsvollzugs. Mittels der Gewährung von Vollzugsöffnungen wird der eingewiesenen Person die Gelegenheit gegeben, sich in immer grösseren Freiräumen zu bewähren (§§ 90 4bis, 75a StGB). Vom Antritt der Strafe oder Massnahme bis zur endgültigen Entlassung durchläuft die eingewiesene Person verschiedene Vollzugsstufen.[10][11]

Literatur

  • Wolfgang Frisch: Dogmatische Grundfragen der bedingten Entlassung und der Lockerungen des Vollzugs von Strafen und Maßregeln. ZStW 1990, S. 707–792
  • Gert Enzi: Die Abschließung und die Außenkontakte von Strafgefangenen im Lichte des § 20 StVG am Beispiel der Justizanstalt Graz-Karlau. 2007

Einzelnachweise

  1. Vollzugslockerung Rechtslexikon.net, abgerufen am 6. März 2019
  2. Peter Höflich, Wolfgang Schriever, André Bartmeier: Vollzugslockerungen, §§ 11, 12, 35, 36. In: Grundriss Vollzugsrecht. Springer-Lehrbuch, Heidelberg 2014, S. 131–133
  3. Günther Kaiser, Hans-Jürgen Kerner, Heinz Schöch: Strafvollzug. Ein Lehrbuch 4., neubearbeitete und erweiterte Auflage, Heidelberg 1991, S. 182 ff., S. 183
  4. OLG Celle NStZ 1981, 276
  5. vgl. BVerfGE 35, 202, 235 f.; 36, 174, 188; 45, 187, 238 f.; 64, 261, 272 f.; stRspr
  6. vgl. dazu BVerfGE 64, 261, 273; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2010 - 2 BvR 729/08 -, juris, Rn. 32
  7. BVerfG, Beschluss vom 21. September 2018 - 2 BvR 1649/17 Rdnr. 25
  8. vgl. beispielsweise Entweichen. Sonstiger unerlaubter Aufenthalt außerhalb der Anstalt 47 Abs. 3, Abs. 5 Satz 2 der Bayerischen Vollzugsgeschäftsordnung (VGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juli 1976, JMBl. S. 339
  9. Josef Mock: Der elektronisch überwachte Hausarrest und die Vollzugslockerung Freigang - Konkurrenz und Dilemma im Strafvollzug. Univ.-Diss., 2014
  10. Vollzug Schweizerisches Kompetenzzentrum für den Justizvollzug, abgerufen am 6. März 2019
  11. Progressiver Vollzug Schaubild, abgerufen am 6. März 2019