Dieser Artikel behandelt die
Hamilton-Funktion in der theoretischen Mechanik. Siehe
Hamilton-Funktion (Kontrolltheorie) für die Bedeutung in der
Theorie der optimalen Steuerung.
Die Hamilton-Funktion (auch Hamiltonian, nach William Rowan Hamilton) eines Systems von Teilchen ist, wenn keine rheonomen (d. h. zeitabhängigen) Zwangsbedingungen vorliegen, die Gesamtenergie als Funktion der Orte und Impulse der Teilchen und gegebenenfalls der Zeit. Sie ist eine Legendre-Transformierte der Lagrange-Funktion des Systems. Statt durch die Orts- und Impulskoordinaten kann der funktionale Zusammenhang auch durch die verallgemeinerten Ortskoordinaten und verallgemeinerten Impulskoordinaten ausgedrückt werden.
Definition
Die Hamilton-Funktion ist definiert durch
und hängt ab von
- der Zeit ,
- den generalisierten Koordinaten und
- den generalisierten Impulsen .
Sie geht hervor aus einer Legendre-Transformation der Lagrange-Funktion bezüglich der generalisierten Geschwindigkeiten, die von den generalisierten Koordinaten und ihren Geschwindigkeiten abhängt:
Dabei sind auf der rechten Seite mit den Geschwindigkeiten diejenigen Funktionen
gemeint, die man erhält, wenn man die Definition der generalisierten Impulse
nach den Geschwindigkeiten auflöst.
Eigenschaften
Ableitung
Das totale Differential der Hamilton-Funktion lautet:
Aufgrund der Produktregel erhält man
wobei wegen der Definition des verallgemeinerten Impulses die ersten und letzten Terme in den Klammern die Summe 0 haben, sodass gilt:
Mit der obigen Schreibweise des totalen Differentials folgen hieraus die partiellen Ableitungen der Hamilton-Funktion:
Erhaltungsgröße
Die totale Ableitung der Hamilton-Funktion nach der Zeit ist identisch mit der partiellen:
Wenn die Hamilton-Funktion also nicht explizit von der Zeit abhängt, ist ihr Wert eine Erhaltungsgröße:
Implikationen
Die Hamilton-Funktion bestimmt die zeitliche Entwicklung der Teilchenorte und -impulse durch die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen:
Ebenso bestimmt der Hamiltonoperator die Zeitentwicklung in der Quantenmechanik. Man erhält ihn in vielen Fällen aus der Hamiltonfunktion durch kanonische Quantisierung, indem man den algebraischen Ausdruck für als Funktion von Operatoren und liest, die den kanonischen Vertauschungsrelationen genügen.
Beispiele
Massenpunkt
Bei einem Teilchen der Masse , das sich nichtrelativistisch in einem Potential bewegt, setzt sich die Hamilton-Funktion aus kinetischer und potentieller Energie zusammen:
Für ein relativistisches, freies Teilchen mit der Energie-Impuls-Beziehung
gilt für die Hamilton-Funktion
Beim freien relativistischen Teilchen mit der Lagrangefunktion
hängt der generalisierte Impuls gemäß
von der Geschwindigkeit ab. Umgekehrt ist die Geschwindigkeit daher die Funktion
des Impulses.
Harmonischer Oszillator
Die Hamilton-Funktion eines eindimensionalen harmonischen Oszillators ist gegeben durch:
Geladenes Teilchen im elektromagnetischen Feld
In kartesischen Koordinaten () lautet die Lagrange-Funktion eines Teilchens der Ladung , das sich durch ein elektromagnetisches Feld bewegt,
Dabei ist das elektrische Potential und das Vektorpotential des magnetischen Feldes. Der kanonische Impuls ist
Diese Gleichung kann so umgestellt werden, dass die Geschwindigkeit durch den Impuls ausgedrückt wird:
Wird der Ausdruck für und in die Definition der Hamilton-Funktion eingesetzt, ergibt sich diese zu:
Literatur
- Herbert Goldstein, Charles P. Poole, Jr., John L. Safko: Klassische Mechanik. 3. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2006, ISBN 3-527-40589-5.
- Wolfgang Nolting: Grundkurs Theoretische Physik 2. Analytische Mechanik. 7. Auflage. Springer, Heidelberg 2006, ISBN 3-540-30660-9.