Anton Heidenschreider

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Anton Heidenschreider (* 14. Januar 1826 in Herrieden (Mittelfranken); † 6. Januar 1870 ebenda) war ein deutscher Arzt und Meteorologe.

Kindheit und Ausbildung

Anton Heidenschreider wurde als Sohn von Alois Heidenschreider und seiner Frau Walburga am 14. Januar 1826 in Herrieden (damaliger Rezatkreis, heute Bezirk Mittelfranken) geboren. Sein Vater war seit 1822 Landgerichtsarzt im Bezirk und arbeitete daneben in seiner eigenen Praxis am Ort.

Anton Heidenschreider besuchte die örtliche Grundschule und erhielt anschließend Privatunterricht bis zum Übertritt in die Oberklasse der Lateinschule in Ansbach. Nach Abschluss der Lateinschule studierte er in Würzburg und Erlangen Medizin.

Promotionsschrift

Heidenschreiber wurde 1854 mit der Arbeit Versuch einer medicinischen Topographie des Landgerichtsbezirkes Herrieden promoviert. Die Arbeit beruhte auf der Darstellung Versuch einer Topographie der Stadt Würzburg[1] des zu seiner Zeit in Würzburg maßgeblich am Juliusspital tätigen Universitätsdozenten Philipp Joseph Horsch (1772–1820),[2] Stadtphysikus, Arzt des Bürgerspitals und der Gefängnisse in Würzburg, der wahrscheinlich einer seiner akademischen Lehrer war.

Heidenschreiders Doktorarbeit gliedert sich in vier Abschnitte. Nach der Beschreibung der Lage der Stadt und ihrer Umgebung im Altmühltal, deren Böden und vor allem des örtlichen Klimas, folgt auf 50 Seiten eine Aufstellung aller in der Gegend zu findenden Tiere, Pflanzen und Mineralien. Bei der Abfassung kamen ihm seine Beobachtungen, die er über viele Jahre als naturwissenschaftlich angeleiteter Junge in seiner Heimat gemacht hatte, zugute. Im dritten Teil werden die örtlichen geographischen Verhältnisse, die Bodenbeschaffenheit und die ökonomische Struktur des Landgerichtsbezirks dargestellt. Von besonderer medizingeschichtlicher Bedeutung ist der vierte Teil der Dissertation über das „Medizinalwesen“ mit einer Auswertung der Bevölkerungsstatistik, einer „medizinischen Charakteristik der Einwohner“ sowie den in den vorangegangenen 30 Jahren erfassten Epidemien.

Tätigkeit als Arzt

Anton Heidenschreider schloss das Studium 1854 ab und erhielt den „Staatsconcess“. Er arbeitete zunächst einige Jahre als Assistent in der väterlichen Privatpraxis im Herrenhof. Als der Vater am 9. November 1862 starb, übernahm Anton Heidenschreider dessen Stelle des Landgerichtsarztes und auch die Praxis im Elternhaus, wo er weiter bei der Mutter wohnen blieb.

Tätigkeit als Meteorologe

Als einzige akademisch gebildete Berufsgruppe mit flächendeckender Verbreitung im Herrschaftsgebiet führten Stadt- und Kreisärzte zu Heidenschreiders Zeit auf Anweisung ihrer Landesherren oftmals systematische meteorologische Beobachtungen durch. Sie nutzten die damals aufkommenden Instrumenten zur Messung von Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchte etc. und erstellten – vor allem für die Landwirtschaft – Kalender mit Wetterprognosen, teils in einer Mischung aus Astrologie, langjähriger Erfahrung und Angabe von alten Bauernregeln.

Schon Heidenschreiders Vor-Vorgänger, der Oheim Meier, hatte seit 1811 entsprechend den behördlichen Vorgaben mit Wetterbeobachtungen in Herrieden begonnen und diese systematisch aufgezeichnet. Heidenschreiders Vater setzte dies nahtlos fort. Anton Heidenschreider jun. übernahm diese Aufgabe als naturwissenschaftlich interessierter Dreizehnjähriger im Jahr 1839.

Als Landgerichtsarzt meldete er seine Ergebnisse dann regelmäßig an renommierte Wissenschaftler der Universitäten in München und Münster und wurde Mitglied der damals international führenden „Association scientifique de France“. Er wurde in ein „hochmodernes Netzwerk“ von 32 Meteorologen in ganz Europa aufgenommen und tauschte täglich z. B. mit Paris, Palermo, Rom und Wien die aktuellen Wetterdaten (wie Temperatur, Luftdruck, Windrichtung/-stärke, Luftfeuchtigkeit, Regenmenge etc.) über die „Telegraphenpost“ aus. Daneben registrierte er die Pegelstände der Altmühl und des Grundwassers. Er führte seine Untersuchungen allein auf der Grundlage der Erfahrungen seiner Vorgänger und seiner persönlichen Beobachtungen durch. Seine Arbeit bei der Sammlung meteorologischer Daten fand internationale Anerkennung.

Medizinische Forschung

Heidenschreider war Anhänger einer sogenannten „Anthropo-meteorologischen“ Betrachtungsweise, bei der versucht wurde, das Auftreten von Erkrankungen mit dem jeweils herrschenden Wetter in Verbindung zu bringen. Er versuchte daher, Zusammenhänge zwischen dem aktuellen Wetter und den gleichzeitig auftretenden Krankheiten zu finden.

Heidenscheider beobachtete, dass sich bei niedrigem Grundwasserspiegel die Ruhr und andere Durchfallerkrankungen ausbreiteten („mehrere Typhuskranke, wahrscheinlich in Folge des sinkenden Grundwassers“, „bei tiefem Stand des Grundwassers viele Fälle von Cholera“) und umgekehrt eine Verringerung des Krankenstandes „als dem hohen Stande des unterirdischen Wassers zuzuschreiben [sei]“ („Typhusfälle im Abnehmen, wahrscheinlich wegen des steigenden Grundwassers“). Was ihm fehlte, war der Rückschluss, dass bei niedrigem Wasserstand in den Brunnen die Bevölkerung dazu überging, Wasser aus anderen, oberflächlichen und damit durch menschliche und tierische Fäkalien und die entsprechenden Krankheitserreger belasteten Quellen, z. B. aus der Altmühl, zu schöpfen und es hierdurch zur Ausbreitung der Erkrankungen kam.

Die häufigsten und wichtigsten, weil potentiell tödlichen Krankheiten seiner Zeit waren die heute als Infektionskrankheiten erkannten Erkrankungen der Atemwege wie Lungenentzündung und Tuberkulose, Magen-Darm-Infektionen wie Ruhr und Cholera, Fleckfieber, Scharlach, Masern und Grippe. Die Ursachen dieser Erkrankungen, nämlich das Eindringen und Vermehren von Bakterien und Viren in den Körper wurden aber erst in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts (u. a. durch Robert Koch) erkannt, also erst 15 bis 20 Jahre nach dem Tod Anton Heidenschreiders.

Veröffentlichungen

Heidenschreider lieferte fast fünf Jahre lang dem Ärztlichen Intelligenzblatt in München monatlich einen Bericht aus Herrieden über seine Wetterbeobachtungen in Verbindung mit der Entwicklung des aktuellen Krankenstandes. Diese Berichte erschienen lückenlos bis zu seinem Tode im Jahre 1870 in der Rubrik "Correspondenzen".

Heidenscheider wandte sich in Vorträgen mit leicht verständlichen Darstellungen seiner Forschungen auch an ein breites Publikum und erweckte allgemeines Interesse. So erschien z. B. 1868 in den „Abhandlungen der Naturhistorischen Gesellschaft zu Nürnberg“ ein Beitrag mit dem Titel: „Meteorologische Beobachtungen in Herrieden, in Verbindung mit den herrschenden Krankheiten“.

Tod und Nachruf

Heidenschreider starb am 6. Januar 1870. Der Würzburger Kreismedizinalrat Ferdinand Escherich[3] gibt an, dass die unmittelbare Todesursache ein „Herzschlag in Folge acuter Lebervereiterung und eines Fettherzens, zu welch letzterem er durch starke Fettbildung disponirt war“, gewesen sei.

In einem mehrseitigen Nachruf im Ärztlichen Intelligenzblatt berichtet Escherich zusammenfassend über die langjährige praktische und wissenschaftliche Arbeit Anton Heidenschreiders. Er hebt dabei besonders die umfassenden Wetterbeobachtungen hervor und stellt dabei fest: „Die Meteorologie gewinnt immer mehr an Bedeutung für die Wissenschaft, für die Landwirthschaft und die Gesundheitspflege. Sie steigt in ihrem Werthe durch die Dauer und Genauigkeit ihrer Beobachtungen.“

Heidenscheiders Beobachtungen haben die medizinische Wissenschaft vielleicht nicht entscheidend vorangebracht, seine Arbeit war aber sicher ein wichtiger Baustein in der Entwicklung der Meteorologie.

Schriften

  • Versuch einer medicinischen Topographie des Landgerichtsbezirkes Herrieden. Inaugural-Abhandlung der medicinischen Facultät zu Erlangen, 1854
  • Der ächte Herrieder Kalender auf das Jahr 1870. Mit einem Temperaturkalender für Mittel-Europa und einer Wetterprophezeihungskunst. Einzig rechtmäßige Original-Ausgabe. II. Jahrgang, Verlag der Ellinger’schen Buchhandlung Würzburg
  • Meteorologische Beobachtungen in Herrieden, in Verbindung mit den herrschenden Krankheiten im Etatsjahre 1866–67, resp. Kalenderjahr 1867 von Heidenschreider, prakt. Arzt. In: Abhandlungen der Naturhistorischen Gesellschaft zu Nürnberg. IV. Band. Wilhelm Schmid Nürnberg 1868. Chronik der Stadt Herrieden M002.

Literatur

  • F. Escherich: Dr. Johann Anton Heidenschreider (Nekrolog). In: Ärztliches Intelligenzblatt 17 (1870) S. 89–92.
  • Karl Keil: Heidenschreider, Johann Anton. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1969, ISBN 3-428-00189-3, S. 251 (Digitalisat).
  • E. Merk: Dr. Heidenschreider – ein Universalgenie. In: Herrieden – Stadt an der Altmühl. Herrieden 1982.

Anmerkungen

  1. Philipp Josef Horsch: Versuch einer Topographie der Stadt Würzburg, in Beziehung auf den allgemeinen Gesundheitszustand und die dahin zielenden Anstalten. Arnstadt/Rudolstadt 1805.
  2. Werner E. Gerabek: Horsch, Philipp Joseph. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 617 f.
  3. Dieser war der Vater des in Ansbach geborenen Entdeckers des für den Menschen wichtigsten Darmbakteriums Escherichia coli, von dessen Existenz Heidenschreider noch nichts wusste.