Apothekergarten

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Apothekergarten auf dem Nunzenberg (Kressbronn am Bodensee)

Ein Apothekergarten (auch Arzneigarten, Arzneipflanzengarten, Medizinischer Garten, Heilpflanzengarten, lateinisch hortus medicus) ist ein Kräutergarten, in dem sich Heil- und Giftpflanzen, aber auch Gewürzpflanzen befinden können, die als Drogen zur Herstellung von Arzneimitteln dienen.[1][2][3]

Geschichte

Der Apothekergarten geht auf die Klostergärten des Mittelalters zurück, in denen Pflanzen auch zu medizinischen Zwecken angebaut wurden.[4][5] Über einen Kräutergarten hinausgehend enthielt der mittelalterliche Arzneigarten auch neben den typischen Arzneipflanzen weitere Pflanzen, denen medizinische Wirkungen zugesprochen wurden (zum Beispiel Sellerie, Lupinen und Spinat), und auch geschmackgebende und (als „Salsamenta“[6]) würzende Pflanzen und Kräuter (etwa Dill, Knoblauch, Majoran, Raute und Salbei).[7] Seit dem 16. Jahrhundert wurden sie auch von Apothekern angelegt,[8] so beispielsweise 1539 von Johannes Ralla in Leipzig und 1540 in der Freien Reichsstadt Nürnberg vom Besitzer der Apotheke Zum weißen Schwan, Georg Öllinger.[9] Dieser belieferte auch die Botaniker Hieronymus Bock und Otto Brunfels mit seltenen Pflanzen aus eigener Zucht. Ebenfalls in Nürnberg entstand 1613 der Hortus Eystettensis durch Basilius Besler als erstes botanisches Werk eines Apothekers. Besler hatte zuvor den verwilderten Garten des Arztes Camerarius wiederhergestellt und den Bestand aufgezeichnet.[10] Ende des 16. Jahrhunderts besaß auch die Ratsapotheke in Hannover zwei Gärten, die so groß waren, dass ab dem 17. Jahrhundert mehrere Gärtner dort fest beschäftigt wurden. Während des Barocks wurde das Anlegen solcher Gärten regelrecht zur Marotte, die aber auch dem ernsthaften Studium der Botanik diente.[11] Beispiele für damals angebaute, aber heute teils nicht mehr verwendete Heilpflanzen sind Rittersporn, Akelei, Mohn, Schwertlilie und die Weiße Lilie.[11] Zu dieser Zeit entstanden auch botanische Gärten in Berlin und Halle, die als Mustergarten für praktische Medizin bzw. Arzneigarten angelegt wurden. Der Garten in Halle erlangte durch Kurt Sprengel Bekanntheit in ganz Europa.[11]

Aber auch Klöster beherbergten reine Apothekergärten, was im Falle der Abtei Seligenstadt durch einen Kupferstich von Johann Stridbeck aus dem Jahre 1712 belegt ist. Abt Peter IV. gründete dort im frühen 18. Jahrhundert eine Klosterapotheke, die der Versorgung der gesamten Umgebung diente. Eine historische Apotheke und der Garten mit etwa 200 Heilpflanzen, sortiert nach Anwendungsgebieten, sind heute wieder öffentlich zugänglich.[12] Nach kurzer Blüte verschwanden solche Klosterapotheken aber im Zuge der Säkularisation ab 1803 sehr schnell wieder.[13]

Eingang zum Apothekergarten in Planten un Blomen, Hamburg
Heilpflanzengarten der Weleda AG, Schwäbisch Gmünd

Manche Apotheker unterhalten weiterhin Apothekergärten, beispielsweise als Lehrgarten für Auszubildende, Praktikanten und Laien.[14] Außerdem gibt es Apothekergärten als Bestandteil Botanischer Gärten, öffentlicher[15][16][17] und privater Grünanlagen[18] und in Museen wie dem LWL-Freilichtmuseum Detmold und dem Stadtmuseum Wendlingen am Neckar.[19][20] Auch das Unternehmen Weleda bewirtschaftet sieben Apothekergärten weltweit. Am Standort Schwäbisch Gmünd befindet sich mit 23 ha Fläche der größte Heilpflanzengarten Europas, in dem über 2.000 Pflanzenarten wachsen.[21]

Die Anlage und der Betrieb von ungefähr 20 Apothekergärten wurde seit mehreren Jahren vom Unternehmen Klosterfrau Healthcare Group deutschlandweit gefördert,[22] um die angeblich besonders heilkräftige „Klostermelisse“ und den daraus produzierten hochprozentigen Klosterfrau Melissengeist zu bewerben. Dabei handelt es sich bei der Klostermelisse in Wirklichkeit um eine gewöhnliche Zitronenmelisse, die in jedem Supermarkt als Gewürzkraut erhältlich ist.[23]

Literatur

  • Basilius Besler: Der Garten von Eichstätt. Nachdruck nach der handkolorierten Erstausgabe (1613) mit einem Vorwort von W. Dressendörfer und K. W. Littger. Taschen, Köln 2000, ISBN 3-8228-6576-1.
  • Franz-Christian Czygan: Arzneipflanzengärten – Objekte der Kunst. In: Zeitschrift für Phytotherapie. Band 11, 1990, S. 185–194.
  • Friedrich Gottlieb Dietrich: Der vollständige Apotheker-Garten. Neue vermehrte Ausgabe. Ebner, Ulm 1856.[24][25]
  • Hermann Jäger: Der Apothekergarten: Anleitung zur Kultur und Behandlung der in Deutschland zu ziehenden medizinischen Pflanzen. Für Apotheker und Gärtner, Land- und Gartenbesitzer. Verlag von Otto Spamer, 1859. Digitalisat
  • Werner Gaude: Die alte Apotheke: eine tausendjährige Kulturgeschichte. Verlag Koehler & Amelang, Leipzig 1985.
  • Johannes Gottfried Mayer: Klostermedizin: Die Kräutergärten in den ehemaligen Klosteranlagen von Lorsch und Seligenstadt. Verlag Schnell und Steiner 2002, ISBN 978-3-7954-1429-0.
  • Weleda AG (Hrsg.): Das Wissen der Weleda Gärtner. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-8186-0900-9.

Weblinks

Commons: Apothekergärten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Stadt Waiblingen: Idyllisch gelegen – der Apothekergarten (Memento vom 13. Dezember 2013 im Internet Archive), abgerufen am 9. Dezember 2013
  2. Stadt Gütersloh: Apothekergarten in Gütersloh, abgerufen am 9. Dezember 2013
  3. Landesärztekammer Thüringen: Apothekergarten am Thüringer Apothekerhaus, abgerufen am 9. Dezember 2013
  4. Von Apothekern, Pillen und Kräutern: mit Bildern und Texten, 2001, S. 64 Online
  5. Carmélia Opsomer-Halleux: The medieval garden and its role in medicine. In: Elisabeth B. MacDougall (Hrsg.) Medieval gardens. Dumbarton Oaks, Washington, D.C., 1986 (= Dumbarton Oaks Colloquium on the history of landscape architecture., Band 9).
  6. Jerry Stannard: Alimentary and medicinal uses of plants. In: Elisabeth B. Mac Dougall (Hrsg.): Medieval gardens. Dumbartin Oaks, Washington D.C. 1986 (= Dumbarton Oaks Colloquium on the history of landscape architecture. Band 9), S. 74.
  7. Christina Becela-Deller: Ruta graveolens L. Eine Heilpflanze in kunst- und kulturhistorischer Bedeutung. (Mathematisch-naturwissenschaftliche Dissertation Würzburg 1994) Königshausen & Neumann, Würzburg 1998 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 65), ISBN 3-8260-1667-X, S. 100 f.
  8. Apotheken-Garten in: Deutsche Gärtnerbörse: Ausg. A., Band 68, S. 756 ff. Online
  9. Werner Gaude: Die alte Apotheke: eine tausendjährige Kulturgeschichte. Verlag Koehler & Amelang, Leipzig 1985. S. 56 f.
  10. Gaude, S. 56
  11. a b c Gaude, S. 58
  12. Johannes Mayer: Klostermedizin. S. 43 ff.
  13. Johannes Gottfried Mayer: Klostergärten – die Apotheke Gottes In: Rudolf Walter (Hrsg.): Gesundheit aus Klöstern. Verlag Herder, Freiburg 2013, ISBN 978-3-451-00546-6, S. 8 ff.
  14. Malin Schneider: Führungen – Heilsames aus dem Apothekergarten, WAZ, 17. Juni 2013
  15. Landesapothekerverband Niedersachsen e. V.: Heilpflanzen- und Apothekergärten in Niedersachsen (Memento vom 13. Dezember 2013 im Internet Archive), abgerufen am 11. Dezember 2013
  16. Nicola Menke: Der Apothekergarten im Kurpark wird neu bepflanzt, in nordbayern.de online von 19. April 2011, abgerufen am 11. Dezember 2013
  17. Apothekergarten bei Planten un Blomen
  18. Albert M. Kraushaar: Bad Liebenzell – Apothekergarten zeigt sich gerade in voller Pracht, in Schwarzwälder Bote vom 4. Juni 2013, abgerufen am 11. Dezember 2013
  19. Führung durch den Apothekergarten, lwl.org
  20. Wendlingen: In Gottes Apothekergarten, 20. Juli 2013
  21. Nachhaltigkeit aus dem Blickwinkel der Vielfalt. In: Marco Englert, Anabel Ternès (Hrsg.): Nachhaltiges Management: Nachhaltigkeit als exzellenten Managementansatz entwickeln. S. 737.
  22. Fernsehen: Die Affaire Hademar Bankhofer (Aktualisiert: WDR feuert Bankhofer) (Memento vom 14. Dezember 2013 im Internet Archive), Handelsblatt, 23. Juli 2013
  23. Wirtschaft: Klostermelisse – die Piemont-Kirsche aus dem Hause Klosterfrau. (Memento vom 14. Dezember 2013 im Internet Archive) Handelsblatt, 25. Juli 2008
  24. Bernhard Fabian: Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa: Tschechische Republik. Böhmen, Olms-Weidmann, Hildesheim 1998, 328 Seiten
  25. Scherer, Vierchow, Eisenmann, Friedreich, Falck, Fick, Löschner und Wiggers: Canstatt's Jahresbericht über die Fortschritte in der Pharmacie und verwandten Wissenschaften, Band 6, Verlag der Stahel'schen Buchhandlung, Würzburg 1857.