Hermann Boßdorf
Hermann Boßdorf (* 29. Oktober 1877 in Wiesenburg, Landkreis Zauch-Belzig; † 24. September 1921 in Hamburg) war ein deutscher Dramatiker und Balladendichter.
Leben
Boßdorf stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Er besuchte zunächst die Volksschule seines Heimatortes und nach dem Ortswechsel der Eltern eine Schule in Hamburg. Nach dem Abschluss absolvierte er eine Ausbildung zum Telegraphenassistent. Dabei lernte er Dänisch und Schwedisch. Dadurch war er in der Lage, Werke nordischer Autoren in den Originalsprachen zu lesen. Weil sein Beruf ihn stark beanspruchte, litt seine Gesundheit zusehends. 1917 ließ er sich in den Ruhestand versetzen.
1899 hatte Boßdorf seine Frau kennengelernt, die sich für übersinnliche Phänomene interessierte. Unter ihrem Einfluss beschäftigte er sich mit Astrologie und Telepathie. In früher Jugend bereits hatte er hochdeutsche Dramen geschrieben, die um biblische Motive kreisten. Um 1900 verfasste er dann erste Gedichte. Die von Adolf Bartels in Gang gesetzte „Diskussion um die 'Erbschaft' Fritz Stavenhangens“ weckte sein Interesse am Plattdeutschen als Literatursprache.[1] Zugleich wurde er ein kämpferischer Akteur für die Niederdeutsche Bewegung.
Zeitgenossen berichten von der „gewaltig erschütternde(n) Wirkung“, die von Boßdorfs 1918 uraufgeführtem Drama De Fährkrog ausgegangen ist.[2] Diese Wirkung nutzte die hamburgische Gesellschaft für dramatische Kunst für ihre kulturpolitischen Ziele. Das von Richard Ohnsorg geleitete Amateurtheater nannte sich fortan Niederdeutsche Bühne und verschrieb sich der Aufgabe, niederdeutsches Schauspiel öffentlich durchzusetzen. In schneller Folge verfasste Boßdorf – von Ohnsorg dazu angeregt und dramaturgisch unterstützt – seine Bühnenwerke für die Niederdeutsche Bühne Hamburg. Neben Fritz Stavenhagen ist Boßdorf so zum Wegbereiter der besonderen Kulturmission des Plattdeutsch-Theaters geworden.
Boßdorfs literarisches Schaffen weist vier Hauptmotive auf, die verlorene Jugendgeliebte, die Sehnsucht nach dem Kind, den Ehebruch und den Tod. In seiner Wahl der dramatischen Stoffe ist Boßdorf sicherlich durch August Strindberg beeinflusst worden. Im Nachlass befindet sich eine Reihe unveröffentlichter Entwürfe und Fragmente.
Boßdorf schrieb in plattdeutscher Mundart. Seine Werke werden auch heute noch gelegentlich aufgeführt, u. a. im Hamburger Ohnsorg-Theater. Er starb im Alter von 43 Jahren und wurde in Hamburg, Friedhof Ohlsdorf, Planquadrat B 14 (südlich Kapelle 4), beigesetzt; es besteht die Patenschaft „Seeler/Ohnsorg-Theater“.[3]
Boßdorfs Gesammelte Werke wurden posthum von Willy Krogmann herausgegeben.
Ehrungen
- In seinem Geburtsort ist eine Hauptstraße nach ihm benannt und vor seinem Geburtshaus steht ein Gedenkstein.
- Der Hermann-Boßdorf-Weg in Kiel-Pries ist nach ihm benannt.[4]
- Die Boßdorfstraße in Bremen – Neustadt, Ortsteil Huckelriede, wurde nach ihm benannt.
- 1922 erfolgte die Benennung der Boßdorfstraße in Hamburg-Eimsbüttel.
Werke
- Willy Krogmann: Hermann Boßdorf. Gesammelte Werke. 11 Bände, Hamburg 1952–1957
- Eekboom, plattdeutsche Ballade, 1911
- De Fährkrog, niederdeutsches Mysterium, 1919
- Bahnmeester Dod, niederdeutsche Tragödie, 1919
- Ole Klocken, niederdeutsche Balladen, 1919
- Eichen im Sturm, hochdeutsche Balladen, 1919
- De verhexte Karnickelbuck, lustige niederdeutsche Geschichten, 1919
- Der Postinspektor, hochdeutsche Humoresken, 1920
- Der Schädel vom Grasbrook, kuriose unheimliche Geschichten, 1920
- Kramer Kray, niederdeutsches Lustspiel, 1920
- Simson und die Philister, eine biblische Tragödie
- Dat Schattenspel. Plattdütsche Komeedie in een Akt
- De rode Ünnerrock, niederdeutsches Lustspiel, 1921
- Rode Ucht un anner Geschichten, übersinnliche Geschichten, 1921
- Letzte Ernte (Lieder, Balladen, Prosa), postum erschienen, 1922
Fragmente:
- Bernd Beseke, Tragödie, 1923
- Schane Hagenah, Schauspiel, 1925
- Störtebeker, Tragödie, 1928
Verfilmung
- 1965: Der rote Unterrock – Regie: Günther Siegmund, mit Jochen Schenck, Otto Lüthje, Edgar Bessen, Hilde Sicks, Karl-Heinz Kreienbaum (Aufzeichnung aus dem Ohnsorg-Theater)
Hörspiele
- 1924–26: De Fährkrog – Regie: Hans Böttcher, mit Richard Ohnsorg, Magda Bäumken, Hans Langmaack, Aline Bußmann, Hans Baas (Produzent: NORAG, Hamburg) (Fünf Liveübertragungen, mit fast der gleichen Besetzung. Nur die Rolle der Bußmann wurde abwechselnd auch von Erna Schuhmacher und Käthe Alving gesprochen)
- 1925–26: Dat Schattenspeel – Regie: Hans Böttcher (1925); Richard Ohnsorg (1926), mit Hermann Möller, Magda Bäumken, Adolf Johannesson, Ada Hamer (Produzent: NORAG, Hamburg) (Zwei Liveübertragungen)
- 1925–26: Bahnmeester Dod – Regie: Hans Böttcher, mit Richard Ohnsorg, Magda Bäumken, Hermann Möller, Ada Hamer (Produzent: NORAG, Hamburg) (Zwei Liveübertragungen)
- 1926: De rode Uennerrock – Mit Bruno Wolberts, Richard Ohnsorg, Magda Bäumken, Adolf Johannesson (NORAG, Hamburg)
- 1926: Kramer Kray – Regie: Hans Böttcher, mit Paul Möhring, Magda Bäumken, Richard Ohnsorg, Arnold Risch, Ada Hamer, Käthe Alving, Hedwig Genzmer (NORAG, Hamburg)
- 1950: Bahnmeister Dood (Produktion: NWDR Hamburg)
- 1950: Dat Schattenspeel – Regie: Fritz Börner (Produzent: RB)
- 1952: De Fährkrog – Regie: Eberhard Freudenberg, mit Carl Hinrichs, Margarethe Wisser, Hartwig Sievers (Produzent: RB)
- 1953: De Nacht mit Störtebeker – Regie: Eberhard Freudenberg, mit Walter A. Kreye, Carl Hinrichs, Hans Joachim Schenck (Produzent: RB)
- 1954: De rode Ünnerrock – Regie: Günter Jansen, mit Erwin Wirschaz, Günther Siegmund, Walter Scherau (Produzent: NWDR Hamburg)
- 1954: Kramer Kray – Regie: Eberhard Freudenberg, mit Carl Hinrichs, Hans Rastede, Ruth Bunkenburg (Produzent: RB)
- 1955: Bahnmeister Dood – Regie: Eberhard Freudenberg, mit Carl Hinrichs, Ruth Bunkenburg, Walter A. Kreye (Produzent RB)
- 1961: De Fährkrog – Mit Walter Scherau, Heidi Kabel, Gisela Wessel (Produzent: NDR)
- 1961: Kramer Kray – Regie: Wolfgang Harprecht, mit Carl Hinrichs, Hans Rolf Radula, Anneliese Tesch (Produzent: RB)
- 1977: Kramer Kray – Regie: Wolfgang Harprecht, mit Carl Hinrichs, Hans Rolf Radula, Anneliese Tesch (Produzent: RB/NDR)
- 19??: Kramer Kray – Regie: Günther Siegmund, mit Karl-Heinz Kreienbaum, Christa Johns, Heini Kaufeld, Edgar Bessen (Produzent: NDR)
Literatur
- Carl Budich: Boßdorf als Lyriker und Balladendichter. Dissertation, Universität Hamburg 1927
- Heinrich Detjen: Hermann Boßdorf als Dramatiker. Pröpper, Hamburg 1936
- Albrecht Janssen: Hermann Boßdorf. Der Mensch, das Werk, der Dichter (= Niederdeutsche Bücherei. 111). Hermes, Hamburg 1927
- Willy Krogmann: Die Jugendgeliebte. Ein unbeachtetes Motiv im Schaffen Hermann Boßdorfs (= Niederdeutsche Bücherei. 207). Hermes, Hamburg 1948
- Ulf-Thomas Lesle: Stationen des Kampfes. In: Das niederdeutsche Theater. Von 'völkischer Not' zum Literaturtrost. Hamburg 1986, S. 104–116.
- Friedrich W. Michelsen (Hrsg.): Hermann Boßdorf. 1877–1921. Arbeitsgemeinschaft Niederdt. Tage in Hamburg e. V., Hamburg 1977.
- Walther Niekerken: Boßdorf, Hermann. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 483 f. (Digitalisat).
- Johann Tietjen: Der dichterische Gebrauch der neuniederdeutschen Sprache im Drama anhand der plattdeutschen Dramen von Stavenhagen und Boßdorf. Dissertation, Universität Hamburg 1949.
Weblinks
- Literatur von und über Hermann Boßdorf im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über Hermann Boßdorf in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
- Werke von Hermann Boßdorf bei Zeno.org.
- Hermann Boßdorf in der Datenbank Die niederdeutsche Literatur
Einzelnachweise
- ↑ Ulf-Thomas Lesle: Stationen des Kampfes. In: Das niederdeutsche Theater. Hamburg 1986, S. 104.
- ↑ G. H. J. Scholz: Der niederdeutsche Gedanke. Ms. ungedr. Archiv Ohnsorg-Theater.
- ↑ Verzeichnis von Ohlsdorfer Porträts bei fof-ohlsdorf.
- ↑ Hans-G. Hilscher, Dietrich Bleihöfer: Hermann-Boßdorf-Weg. In: Kieler Straßenlexikon. Fortgeführt seit 2005 durch das Amt für Bauordnung, Vermessung und Geoinformation der Landeshauptstadt Kiel, Stand: Februar 2017 (kiel.de).
Personendaten | |
---|---|
NAME | Boßdorf, Hermann |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Dramatiker und Balladendichter |
GEBURTSDATUM | 29. Oktober 1877 |
GEBURTSORT | Wiesenburg, Landkreis Zauch-Belzig |
STERBEDATUM | 24. September 1921 |
STERBEORT | Hamburg |