Hypergolität

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Arbeiten mit dem sehr giftigen Hydrazin, einer Komponente bei Raketentreibstoffen

Hypergolität ist eine Eigenschaft mancher Raketentreibstoffe, deren Komponenten spontan miteinander reagieren, wenn sie miteinander in Kontakt gebracht oder vermischt werden. Der Begriff Hypergole stammt von dem Deutschen Wolfgang Carl Nöggerath (1908–1973), der diese Bezeichnung für selbstzündende Treibstoffmischungen wie z. B. die der Messerschmitt Me 163 zum ersten Mal verwendete.[1]

Eigenschaften und Nutzung

Zündung

Die Komponenten hypergoler Treibstoffe sind meist starke Oxidations- und Reduktionsmittel, die sich bei Kontakt sofort, teilweise explosionsartig, entzünden. Da der Treibstoff nach dem Einspritzen in die Brennkammer sofort reagiert und brennt, kann sich nie zu viel Treibstoff in der Brennkammer ansammeln, bevor das Triebwerk gezündet wird. Die Zündung erfolgt auf jeden Fall, was für Waffensysteme wie Interkontinentalraketen und Oberstufen von Trägerraketen wesentlich ist. Hypergole Treibstoffe werden auch bei manchen Triebwerken zur Zündung eingesetzt. Triebwerke, die hypergole Treibstoffe verbrennen, benötigen keine komplizierten Zündvorrichtungen und können mehrfach zünden. Deshalb werden hypergole Treibstoffe oft bei Korrekturtriebwerken eingesetzt, da diese oft gezündet werden müssen und die Anzahl der Zündungen vorher nicht immer feststeht.

Umweltschädlichkeit und Lagerung

Die Komponenten hypergoler Treibstoffe sind oft hochreaktiv und deshalb meist giftig, instabil und schwierig zu lagern. Bei größeren Waffensystemen ist man daher zu Feststoffboostern übergegangen. Da hypergole Treibstoffe eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen, werden sie selten in Erststufen verwendet. Hydrazin-Derivate mit Distickstofftetroxid sind heute die einzigen hypergolen Treibstoffe, die noch eingesetzt werden. Sie sind zwar giftig, aber da sie ohne Kühlung problemlos lange Zeit lagerfähig sind (anders als z. B. flüssiger Wasserstoff), werden sie von Satelliten und Raumsonden oder in Oberstufen von Raketen verwendet. Bemannte Raumschiffe (z. B. das Space Shuttle) verwenden sie ebenfalls meistens für ihre Korrekturtriebwerke. Zudem können militärische Raketen lange Zeit ohne großen technischen Aufwand startbereit gehalten werden.

Spezifischer Impuls

Hypergole Treibstoffe haben meistens keinen sehr hohen spezifischen Impuls, weshalb sie selten verwendet werden, wenn Schub effizient bereitgestellt werden soll, beispielsweise in großen Raketenstufen. Da sie aber keine Tankisolierungen, Kühlsysteme oder Zündvorrichtungen benötigen, welche zusätzliches Gewicht bedeuten, lohnt sich der Einsatz zum Beispiel für Korrekturtriebwerke.

Beispiele

Beispiele für hypergole Treibstoffe sind:

Literatur

  • Armin Dadieu, Ralf Damm, Eckart W. Schmidt: Raketentreibstoffe (eBook). Springer-Verlag, Wien 2013, ISBN 978-3-7091-7132-5.
  • Thomas M. Klapötke: Chemie der hochenergetischen Materialien. de Gruyter, Berlin/ New York 2009, ISBN 978-3-11-021487-1.
  • Commons: Aircraft fuels – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Weblinks

Einzelnachweise

  1. John D. Clark: Ignition! : an informal history of liquid rocket propellants. New Brunswick, New Jersey 2017, ISBN 978-0-8135-0725-5, S. 14 (sciencemadness.org [PDF]): „Noeggerath learned of this, and joined the BMW people in their search for fuels with this interesting property. His code name for nitric acid was »Ignol« and for his fuels »Ergol,« and, a fast man with a Greek root, he came up with »Hypergol« for the spontaneous igniters. »Hypergol« and its derivatives, such as the adjective »hypergolic« have become a permanent part not only of the German, but of the English language, and even, in spite of the efforts of Charles de Gaulle to keep the language »pure,« of the French as well.“