Endoprothese

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Röntgenbild einer zementfreien Hüftendoprothese

Bei der Endoprothese (von griechisch endo „innen“), genannt auch Gelenkersatz, handelt es sich um ein Implantat, das dauerhaft im Körper verbleibt und ein geschädigtes Gelenk ganz oder teilweise ersetzt. Diese Kunstgelenke werden seit Mitte des 20. Jahrhunderts Menschen und Tieren anstelle ihrer eigenen zerstörten Gelenke eingesetzt. Als Vorläufer der heutigen endoprothetischen Technik gilt der 1939 publizierte[1] partielle Hüftkopfersatz durch „Cup-Plastik“[2] nach Marius Nygaard Smith-Petersen.

Anwendungen

Am bekanntesten sind wohl die künstlichen Hüftgelenke. Heute stehen auch Endoprothesen für weitere Gelenke zur Verfügung (Kniegelenk, Schultergelenk, seltener auch eine Sprunggelenk-Endoprothese sowie Ellbogengelenks- und Fingergelenksprothesen), wobei arthrotische Gelenkveränderungen eine häufige Indikation darstellen. Als Gelenkersatz ist auch die Bandscheibenprothese anzusehen. In der Veterinärmedizin (Hunde/Katzen) hat das künstliche Hüftgelenk ebenfalls Einzug gehalten.

Im Wesentlichen sind alle körperfremden Ersatzteile, die komplett in den Körper eingebracht werden, Endoprothesen, auch Implantate genannt. Dazu zählen auch Herzklappenersatz, Gefäßersatz, Harnleiterschienen oder Brustimplantate. Daneben gibt es noch spezielle Implantate, die nicht ausschließlich im Körper verborgen sind, sondern austreten, und daher auch als Endo-Exo-Prothesen bezeichnet werden können, wie Zahnimplantate, Cochlea-Implantate oder Endo-Exo-Prothesen nach Amputation z. B. des Oberschenkels oder des Oberarms. Der vorliegende Artikel beschäftigt sich jedoch ausschließlich mit den in Orthopädie und Unfallchirurgie verwendeten Gelenkendoprothesen.

Der weltweite Umsatz für Endoprothesen belief sich 2012 auf 43,1 Milliarden US-Dollar, was eine Steigerung um 1,2 % bedeutete. Dabei betrug der Marktanteil für Knie-Endoprothesen 49 % und für Hüft-Endoprothesen 42 %, während die übrigen Gelenke nur 9 % ausmachten. Weltweit vertreiben fast 200 Unternehmen Endoprothesen, wobei die führenden zehn Unternehmen 94 % des Marktes unter sich aufteilen.[3]

Prothesenverankerung im Knochen

Grundsätzlich entsteht der dauerhafte Halt einer Prothese durch vom Körper neu gebildete Knochensubstanz, die die Prothese fest umschließt. Diese knöcherne Integration erfordert eine genaue Einpassung der Prothese in das Knochenlager. Durch Knochenzement kann die Passgenauigkeit methodisch vereinfacht werden. Man unterscheidet demnach

  • zementierte Prothesen
  • zementfreie Prothesen
  • Hybrid-Prothesen, bei denen beispielsweise die Hüftpfannenprothese zementiert und der Schaft zementfrei ist

Werkstoffe/Werkstoffpaarungen

Klassische Paarung: Edelstahl und ultrahochmolekulares Polyethylen UHMW-PE

Der Prothesenschaft einer Hüftprothese besteht im 21. Jahrhundert üblicherweise aus

  • Titanlegierungen (TiAl6V4, TiAl6Nb7 – Schmiedelegierung) (zementfrei)
  • CoCrMo-Schmiedelegierungen (zementiert)
  • (heute nicht mehr) CoNiCrMo-Schmiedelegierungen
  • (vereinzelt) faserverstärkte Kunststoffe

Die Femur- und Tibiakomponenten eines Knieimplantats bestehen dagegen aus

  • CoCrMo-Gusslegierungen
  • Titan-Legierungen (Gussteile oder gefräste Schmiedeteile)

Typische Gleitpaarungen im Artikulationsbereich bei Total-Endoprothesen (TEPs) (also Ersatz von Gelenkkopf und Gelenkpfanne) sind

Beim Polyethen des Artikulationsbereichs handelt es sich ausschließlich um sogenanntes UHMWPE, Ultra high molecular weight polyethylene = ultrahochmolekulares Polyethylen, das durch seine hohe Kristallinität und langen Molekülketten in Kombination mit den verwendeten Metallen und Keramiken sehr gute tribologische Eigenschaften hat.

Zur Verminderung des unvermeidlichen Abriebs, der die Haltbarkeit einer Gelenkendoprothese reduzieren kann, werden seit Anfang der 2000er Jahre mehr und mehr kreuzvernetzte Polyethylen-Strukturen verwendet. Dieses sogenannte XUHMWPE (cross-linked UHMWPE) wird durch Bestrahlung (Beta- oder Gammastrahlung) von UHMWPE hergestellt. Als neuere Entwicklung bieten immer mehr Hersteller seit etwa 2010 auch Endoprothesen an, bei denen das (X)UHMWPE bis zu einem Gewichtsprozent Antioxidantien, v. a. Vitamin E, enthält. Davon verspricht man sich bessere Materialeigenschaften und vor allem eine bessere Beständigkeit gegen Oxidation. Während diese in Hüftsimulatoren bereits gezeigt wurde und der Schutzmechanismus von Antioxidantien gut verstanden ist, steht ein wissenschaftlicher Beleg für die bessere Haltbarkeit solcher Polyethylene in der Praxis noch aus.

Aufgrund der sehr schlechten tribologischen Eigenschaften von Titan wird dieses nicht als Material für artikulierende Prothesenteile eingesetzt. Lediglich modifizierte Titanoberflächen, die Titannitride zur Härtung einsetzen, werden vereinzelt für Artikulationsflächen genutzt.

Grundsätzlich werden immer mehr nickelfreie Endoprothesen verwendet, da die relativ häufig auftretenden Nickelallergien postoperativ zu Komplikationen führen können.

Ebenfalls geht die Tendenz bei Hüft-Endoprothetik immer mehr in Richtung der zementfreien Verankerung, auch bei Patienten in hohem Alter, sofern deren Knochensubstanz die zementfreie Version noch zulässt.

Allgemeine Risiken

Bei allen elektiven Prothesenimplantationen, die also geplant und nicht infolge eines Unfalls notwendig werden, haben Begleiterkrankungen, Medikation sowie körperliche und seelische Verfassung des Patienten einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis. Wundheilungsstörungen, Infekte und Lockerungen sind bei Rauchern mindestens doppelt so häufig, weshalb zu einem Rauchverzicht in den sechs Wochen vor und nach der geplanten Operation geraten wird.

Tendenziell sind die Operationsergebnisse in den Kliniken, die diese Eingriffe sehr oft durchführen, besser als in Kliniken mit einer geringen Anzahl dieser Eingriffen. Dies ist beim unikondylären Kniegelenksersatz besonders deutlich.[4]

Zur Minimierung der Risiken bei solchen Eingriffen wurde von der DGOOC die EndoCert-Initiative ins Leben gerufen, im Rahmen derer sich Endoprothetik-Zentren zertifizieren lassen können.

Hüfte

Den ersten totalprothetischen Ersatz (mit Endoprothese und neuer Pfanne) führte John Charnley 1961 ein. Pioniere der Hüftendoprothetik in Deutschland waren in den 1960er Jahren Hans-Wilhelm Buchholz und Hans-Hermann („Peter“) Lubinus. Werden sowohl der Gelenkkopf als auch die Gelenkpfanne ersetzt, handelt es sich um eine Total-Endoprothese (TEP) der Hüfte (Hüfttotalendoprothese, HTEP, genannt auch Hüft-TEP) als Ganzgelenk. Wenn nur der Hüftkopf ersetzt wird, ist das eine Hemi-Endoprothese (HEP) als Halbgelenk.

Entwicklungen ab den 2010er Jahren

Nach Auswertungen des deutschen Endoprothesenregisters gibt es einen Trend zu zementfreien Hüftschäften, die nach Jahresbericht 2019[5] in zwei Drittel aller Fälle eingesetzt werden, und von denen weniger als 15 Prozent Kurzschaftprothesen sind. Bei den Pfannen gibt es eine starke Tendenz zu „pressfit“-Pfannen, die aktuell dominieren. War noch 2000 jede zweite Pfanne eine Schraubpfanne, ist dies heute nur noch jede achtzehnte Pfanne. Mit einem Anteil von 84 Prozent sind Gleitpaarungen aus Pfannen mit hochvernetztem Polyethylen und Keramikköpfen Standard, während Metall-Metall-Paarungen nicht mehr zum Einsatz kommen.[6] Eine Leitlinie mit Indikationskriterien zur Hüfttotalendoprothese bei Coxarthrose wurde in Deutschland zuletzt im März 2021 veröffentlicht.[7]

Oberflächenersatz

Bei dieser neueren Entwicklung werden der Kopf des Oberschenkelknochens und der Schenkelhals nur teilweise entfernt, der Oberschenkelschaft nicht aufgebohrt, sondern lediglich die Oberfläche des Gelenkkopfes entfernt und durch eine Metallkappe ersetzt.[8] Diese auch als „McMinn-“ oder der „Hüftkappen-Prothese“ (engl. resurfacing) bekannten Prothesen werden eher bei jüngeren Patienten indiziert, weil dadurch mehr Möglichkeiten bei einer späteren Revision bestehen. Der geringe Knochenverlust, die geringe Luxationsgefahr und der Erhalt der physiologischen Gelenkmechanik gelten als die größten Vorteile des Oberflächenersatzes. Allerdings relativiert sich die Knochenschonung durch eine größere Pfannenfräsung, der Metallabrieb in der großflächigen Metall-Metall-Hartpaarung stellt ein bisher ungelöstes Problem dar, und das Langzeitschicksal des Resthüftkopfes unter der zementierten Kappe ist noch nicht geklärt. Im Oktober 2010 rief DePuy das ASR XL Hüftpfannen- und Hüft-Oberflächenersatzsystem zurück.[9] Im März 2012 erschien bei The Lancet eine Studie, nach der die Revisionsrate von großen Metall-auf-Metall-Prothesen (52-mm-Köpfe) nach fünf Jahren mit 5,1 % (bei 60-jährigen Männern) mehr als doppelt so hoch sei wie bei anderen Prothesen mit 2 Prozent (40-mm-Köpfe, 60-jährige Männer). Darin wird empfohlen, Metall-auf-Metall-Prothesen nicht zu verwenden.[10] Auch im Jahr 2013 musste Depuy Synthes eine weitere Hüftendoprothese vom Markt nehmen, da es gehäuft zu vorzeitigen Revisionen gekommen ist. Zurückgerufen wird die Adept 12/14 Modular Head Komponente für einen Totalhüftgelenkersatz.[11]

Erstmals ist im Juni 2011 in den USA eine Hüftprothese zugelassen worden, die Keramik (Gelenkkugel) und Metall (Hüftpfanne) kombiniert. In der vorausgegangenen zweijährigen klinischen Studie wurden an elf Kliniken in den USA und Kanada 194 neue Keramik-auf-Metall-Prothesen mit 196 Patienten mit konventioneller Metall-auf-Metall-Prothese verglichen. Die Zahl der nötigen Revisionsoperationen war mit zwei und drei in beiden Gruppen gering, es gab „keine vermehrten intra- oder postoperativen Komplikationen“. Die US-amerikanische Kontrollbehörde FDA erteilte daraufhin dem US-Hersteller DePuy Orthopaedics Inc. aus Warsaw (Indiana) für sein Produkt die staatliche Zulassung. Begleitend wurde eine Postmarketing-Studie aufgelegt, in der auch die Metall-Ionen-Konzentration im Blut kontrolliert werden soll.[12]

Da die Oberflächenersatz-Prothesen doch über die Jahre problematischer sind als zunächst angenommen, sind sie zunehmend umstritten. Eine kanadische Nachuntersuchung von 2450 Patienten nach mittleren 3,4 Jahren zeigte eine Fünfjahres-Überlebensrate von 96,4 % bei Männern und 93,6 % bei Frauen.[13] In der multivariaten Analyse waren weibliches Geschlecht (Hazard ratio HR=2,4), kleinere Femurköpfe unter 48 mm, einige spezielle Prothesenmodelle und kindliche Hüfterkrankungen in der Vorgeschichte (HR=2,4) unabhängige Risikofaktoren für eine vorzeitige Lockerung, sodass der Kommentator ebenso wie die Autoren der Studie empfahlen, einen Oberflächenersatz an der Hüfte nur noch in Ausnahme-Indikationen bei Frauen zu verwenden und bei Männern nur ab einem Prothesenkopfdurchmesser von 50 mm aufwärts zu verwenden.[14]

Kurzschaftprothese

Metaphysär verankerte Kurzschäfte

Etwas in Konkurrenz zum Oberflächenersatz wiederum bei jüngeren Patienten, ebenfalls mit dem Anspruch der Knochenschonung, stehen die sog. Kurzschaftprothesen. Nach mehrjähriger Erfahrung haben die Kurzschäfte teilweise gute Haltbarkeitsergebnisse geliefert. Einige haben sich nicht bewährt und sind vom Markt genommen worden. Außerdem sind sie teurer als die zementierten Endoprothesen.

Operative Behandlung

Die Operation kann sowohl unter Vollnarkose als auch mit einer Spinalanästhesie durchgeführt werden. Zunächst werden die verschlissenen Gelenkoberflächen und der bisherige Gelenkkopf am Oberschenkel entfernt und der verbleibende Knochen für das Implantat vorbereitet. Danach erfolgt die Implantation und Verankerung der beiden Gelenkkomponenten mit den oben beschriebenen Alternativen. Für die Hüftpfanne sollte eine Abduktion von 40 ± 10° und eine Anteversion von 15 ± 10° angestrebt werden, außerhalb dieser „sicheren Zone“ (nach Lewinnek 1978) steigt das Risiko einer Prothesenluxation um das Vierfache, außerdem besteht ein erhöhtes Risiko für vorzeitigen Abrieb der Prothesenkomponenten und für ein Impingement der Prothese. Anschließend wird ein Probekopf auf den Schaft gesetzt und die Hüfte eingerenkt, um Beinlänge, sicheren Halt und Achsstabilität zu überprüfen. Eventuell kann ein Probe-Hüftkopf mit längerem oder kürzerem Hals, mit mehr oder weniger Offset ausprobiert werden, bis ein sicherer und stabiler Halt gefunden wird. Abschließend wird der neue Hüftkopf aufgesetzt, das Hüftgelenk erneut reponiert und zuletzt die Wunde verschlossen. Für die gesamte Operation bis Wundverschluss kann mit einer bis zwei Stunden gerechnet werden. Der Patient kommt danach zur Überwachung in eine Aufwacheinheit. Nach weiteren zwei bis vier Stunden erfolgt dann die Rückverlegung in die Normal- oder Überwachungsstation. Zeitweise erfolgte die Implantation des Hüftgelenks durch einen Roboter (ROBODOC), das System wurde jedoch wegen erhöhter Risiken eingestellt.

Minimal-invasive Hüftendoprothetik

Minimal-invasiv implantierte Endoprothese
Operationsnarbe nach dem Einbau einer Endoprothese in die rechte Hüfte

Moderne minimal-invasive Operationstechniken erlauben heute eine gewebeschonende Art der Implantation. Es handelt sich hierbei um minimal- oder geringinvasive Zugänge zum Hüftgelenk. Die Definition des minimalinvasiven Zugangs wird jedoch zurzeit kontrovers diskutiert. Sicher ist aber wohl, dass dieses Prädikat „minimalinvasiv“ in Verbindung mit möglichst geringer Weichteilirritation nicht nur von einer einzigen Methode beansprucht werden kann, sondern mehrere Verfahren als minimalinvasiv gelten dürfen. Einer dieser Zugänge ist der direkt anteriore. Ein Vorteil ist die schnellere Rehabilitation der Patienten als bei den konventionellen Techniken aufgrund der schonenderen Weichteilbehandlung. Dies betrifft jedoch nur die ersten Tage nach der Operation. Im weiteren Verlauf gibt es keinen Unterschied zwischen den einzelnen Techniken in der Beweglichkeit oder Belastungsfähigkeit des Hüftgelenkes. Die minimalinvasive Technik ist nicht bei jeder Hüftgelenkserkrankung anzuwenden und hat ihre Grenzen.

Bei einer fortgeschrittenen Arthrose beider Hüftgelenke können diese in darauf spezialisierten Zentren beide innerhalb einer Anästhesie endoprothetisch ersetzt werden, wenn keine internistischen oder anästhesiologischen Probleme bestehen. Von Vorteil ist die kürzere Nachbehandlungszeit, und dass nur ein Krankenhausaufenthalt notwendig wird. Allerdings ist die Rate der Bluttransfusionen höher.

Betreuung nach der Operation

In den ersten Tagen nach der Operation werden Wundschmerzen mit Medikamenten aufgefangen. Die physiotherapeutische Bewegungstherapie des operierten Beines beginnt. Das postoperative Vorgehen unterscheidet sich erheblich zwischen zementierten und zementfreien Prothesen. Während der große Vorteil von zementierten Prothesen darin besteht, dass die Mobilisation bereits am ersten Tag nach der Operation beginnt und der Patient unter (schmerzlimitierter) Vollbelastung die ersten Schritte gehen kann, erfolgt bei zementfreien Prothesen in der ersten postoperativen Woche noch gar keine Belastung oder nur eine Teilbelastung der Prothese, damit die recht langsam erfolgende knöcherne Integration nicht gestört wird.

In den ersten Wochen werden medizinische Gehwagen und Unterarmgehstützen benutzt, um die Gangsicherheit zu verbessern und das operierte Hüftgelenk nicht zu überlasten. Die stationäre Behandlung in den meisten Kliniken dauert nach einem komplikationslosen Eingriff ca. acht bis zehn Tage. In dieser Zeit wird eine Anschlussheilbehandlung festgelegt. In diesen Rehabilitationskliniken sollten die Mobilität weiter verbessert und die das Hüftgelenk stabilisierende Muskulatur gezielt trainiert werden.

In darauf spezialisierten Kliniken werden mit Standardimplantaten Langzeitergebnisse von über 15 Jahren erreicht. Sie erlauben in über 90 % der Fälle ein gutes funktionelles Ergebnis (Laufen, Stehen) bei weitgehender Schmerzfreiheit.

Regelmäßige Verlaufskontrollen in der Klinikambulanz oder beim Orthopäden mit klinischer und röntgenologischer Untersuchung sollen diese Ergebnisse langfristig begleiten.

Risiken des Eingriffes

Periprothetische Refraktur des Femurschafts (Rechteckschaft, Dall-Miles-Platte)

Die Implantation eines künstlichen Hüftgelenkes ist mit den generellen Risiken eines mittelschweren operativen Eingriffs verbunden. Dazu gehören die Bildung von Blutgerinnseln in den Beinen (Thrombose) während oder nach der Operation, die Wundheilungsstörung, Infektionen (siehe auch Osteomyelitis), der postoperative Bluterguss (Hämatom), die Nachblutung und die Möglichkeit einer Verletzung von Nerven und Blutgefäßen. Gelegentlich kann während der Operation ein Blutverlust auftreten, der eine Bluttransfusion (Eigen- oder Fremdblut) erfordert. Eine Implantatallergie gegen Bestandteile der Endoprothese kann ähnlich wie bei einer Infektion einen Austausch des künstlichen Gelenkes erforderlich machen (Revisionsoperation).

Das Risiko einer Thrombose kann durch eine nach der Operation begonnene Prophylaxe vermindert werden. In der Regel wird diese Prophylaxe über vier bis sechs Wochen durchgeführt. In randomisierten klinischen Studien zeigte sich ohne Prophylaxe ein Risiko einer Thrombose in 1,4–6,0 % in den ersten drei Monaten. Eine landesweite Kohortenstudie aus Dänemark zeigte für die letzten 15 Jahre trotz Prophylaxe ein Thromboserisiko von 0,79 % in den ersten drei Monaten und 0,29 % in den Monaten 4 bis 12 nach einer Hüftprothesen-Operation, was bezogen auf eine nicht operierte Vergleichsgruppe einem adjustierten relativen Risiko von 15,84 für die ersten drei Monate und von 2,41 für die folgenden neun Monate entspricht. Darauf hatten Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen keinen signifikanten Einfluss.[15]

Ein für den Eingriff spezifisches Risiko ist eine selten auftretende Absprengung von Knochengewebe am Oberschenkel, die dann einer zusätzlichen Stabilisierung durch Verdrahtung oder Schrauben bedarf. Bei circa 3 Prozent der Patienten kommt es im Laufe von zehn Jahren zu einer sogenannten Endoprothesenlockerung, die mit Schmerzen und eventuell entzündlichen Veränderungen einhergeht und eine Revisionsoperation mit einem Wechsel der Endoprothese erforderlich machen kann. Bei intaktem Weichgewebe erfolgt der Prothesenwechsel als „One-stage-“ (also einzeitig) und bei nicht intaktem und bei Abszessbildung als Two-stage-Austausch (zweizeitig) mit jeweils unterschiedlichem perioperativen Vorgehen.[16]

Bei einigen Patienten kommt es in den ersten Monaten nach der Operation zu heterotopen Ossifikationen. Ohne geeignete Gegenmaßnahmen kann durch sie die durch die Operation gewonnene Beweglichkeit wieder zunichtegemacht werden. Durch vorbeugende Röntgen-Bestrahlung des umliegenden Gewebes unmittelbar vor der Operation (in der Regel mit 7 Gy mittels eines Linearbeschleunigers) wird bei bekannten Risikopatienten die Knochenneubildung reduziert. Ebenfalls zur Prophylaxe heterotoper Ossifikationen wird postoperativ sehr oft ein Entzündungshemmer (in der Regel Indometacin) gegeben.[17]

Eine US-amerikanische Analyse zur Gefahr tiefer Wund- oder Protheseninfekte (0,5 % in der Studie) nach primärem Einsatz einer Hüftendoprothese bei über 30.000 Operationen ergab in einer multivariaten Analyse als Risikofaktoren:

  • Gleichzeitige beidseitige Prothesenoperation (Hazard ratio HR=4,80, Konfidenzintervall CI=2,09–11,1)
  • Reduzierter Gesundheitszustand mit einem ASA-Score von mindestens 3 (HR=2,20, CI=1,55–3,11)
  • Übergewicht mit Body-Mass-Index BMI > 30 (HR im Vergleich zu Normalgewicht=2,37, CI=1,55–3,61)
  • Weibliche Patienten (HR=1,43, CI=1,01–2,04)

Hingegen zeigte sich kein erhöhtes Risiko bei Diabetes (das nur in der univariaten Analyse ein Risikofaktor war, aber bei dem der BMI ein Confounder war). Ebenso spielten das Alter, die zugrunde liegende Diagnose, ethnische Zugehörigkeit, chirurgischer Zugangsweg und Fixationsmethode keine Rolle, ebenso wenig die OP-Häufigkeit des Chirurgen oder des Krankenhauses. Auch waren spezielle Reinraumtechniken (Laminar airflow und body exhaust suites), vorherige Antibiotika-Gabe oder die Art des Anästhesieverfahrens nicht mit einem veränderten Infektionsrisiko verbunden.[18] Im Rahmen der Forschung wird an antibakteriellen Beschichtungen der Implantate und Instrumente gearbeitet.

Anhaltende Schmerzen nach dem Eingriff

Die Internationale Vereinigung für Schmerzforschung definiert anhaltende Schmerzen nach chirurgischem Eingriff als mindestens drei Monate lang andauernd.[19][20]

Einer unabhängigen Studie zufolge sagen ein halbes Jahr nach Eingriff 58 % der befragten Patienten, sie hätten in den 4 Wochen vor Befragung Schmerzen an der operierten Hüfte gehabt. Von mittelmäßigen bis schweren Schmerzen sind 17 % der operierten Patienten betroffen.[21]

Schulter

Die erste Schulter-Prothese wurde als Monoblock-Prothese von C. S. Neer bereits in den 1950er Jahren vorgestellt, zunächst zur Versorgung komplexer Oberarmkopfbrüche, später aber auch bei Schultergelenkverschleiß.[22] In der 2. Generation wurden Prothesen entwickelt, bei denen Kalotten und Schäfte unterschiedlicher Größe miteinander kombiniert werden konnten. Durch modulare Prothesen der 3. Generation konnte dann auch das Offset zwischen Diaphyse und Metaphyse, die Inklination und Retroklination des Humeruskopfes variabel eingestellt werden und somit eine der individuellen Anatomie entsprechende Positionierung der Prothese erreicht werden. Aktuelle Prothesen der vierten Generation unterscheiden sich hiervon nur geringfügig und vor allem bezüglich der Verankerung am Glenoid und im Humerusschaft sowie in den Möglichkeiten bei einer Prothesenrevision.

Neben der Totalendoprothese mit Ersatz der Schulterpfanne (des Glenoid) als Ganzgelenk kommen 2011 in Deutschland weiterhin mehr Hemiendoprothesen als Halbgelenke zum Einsatz, bei denen das Glenoid nicht ersetzt wird. Für die Humeruskomponente gibt es neben der konventionellen Schaftprothese auch Prothesentypen mit einem Kurzschaft, schaftlose Prothesen und den kappenartigen humeralen Gelenkflächenersatz. Besonders in der Traumatologie haben aber auch modulare Langschaftprothesen eine häufige Indikation.

Besonders bei defekten Rotatorenmanschetten, aber auch zunehmend nach Oberarmkopfbrüchen und im Falle einer Revision einer gelockerten Schulterprothese kommen inverse Prothesen (Delta) zum Einsatz, bei denen die Glenoidkomponente sphärisch ist und mit einer konkaven Humeruspfanne artikuliert.[23]

Knie

Man unterscheidet bei der Knie-TEP:

  • Ungekoppelte (uni- und bikondyläre) Endoprothesen. Bei der unikondylären wird nur der innere oder (seltener) der äußere Kondylus (= Gelenkrolle). des Oberschenkelknochens ersetzt samt der gegenüber liegenden halben Gelenkfläche des Schienbeinkopfes (zwei Implantate). Die bikondyläre Endoprothese ersetzt beide Kondylen und die gesamte Gelenkfläche des Schienbeinkopfes. Zwischengeschaltet ist ein Polyäthyleninlay. Die bikondyläre TEP kann (sollte) durch einen Kunststoffersatz der retropatellaren Gelenkfläche ergänzt werden. Für den Einsatz einer ungekoppelten Knieprothese müssen beide Seitenbänder intakt sein. Posterior stabilisierte Inlays kommen zum Einsatz, wenn das hintere Kreuzband reseziert wird.
  • Gekoppelte Prothesen sind achsgeführte Scharniergelenke. Sie kommen zum Einsatz, wenn die Bandstabilität des Gelenks unzureichend ist. Dies ist vor allem bei ausgeprägtem X- oder O-Bein der Fall. Außerdem eignet sich die achsgeführte Knieprothese für Prothesenwechsel, bei denen mit Bandzerstörung und/oder Knochenverlust zu rechnen ist.

Oberes Sprunggelenk

Belastung von Endoprothesen

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Prothesenschäfte zur telemetrischen Belastungsmessung

Über die tatsächlichen mechanischen Belastungen von Endoprothesen war bisher nur wenig bekannt. Genaue Kenntnisse über die Größe und Richtung der einwirkenden Kräfte und Momente sind aber eine Voraussetzung für die Verbesserung der Implantate und deren Verankerung im Knochen. Ein Forscherteam des Julius-Wolff-Instituts der Charité – Universitätsmedizin Berlin entwickelt seit vielen Jahren Endoprothesen mit integrierter Messelektronik,[24] mit denen die Gelenkbelastung im Patienten gemessen und drahtlos an einen Computer übertragen wird. Die Belastungen, die ein Mehrfaches des Körpergewichts betragen können, werden für die verschiedenen Alltagsaktivitäten gemessen, in einer Datenbank gespeichert und im Internet Interessierten zugänglich gemacht. Neben Hüft-, Schulter- und Knieendoprothesen wurden auch Wirbelsäulenimplantate für In-vivo-Messungen instrumentiert. Auch werten die Charité-Forscher aus, wie verschiedene Metalle aus Endoprothesen freigesetzt werden und sich im umliegenden Knochengewebe anreichern. Die Forschung ergab, dass sowohl partikuläre als auch gelöste Metalle, die aus Endoprothesen stammen, im umliegenden Knochen und im Knochenmark in überphysiologischen Konzentrationen vorhanden sind. Die kollagenhaltige Schicht, die nach der Operation das Implantat verkapselt, isoliert dieses somit nicht in dem Ausmaß vom menschlichen Gewebe wie bisher angenommen.[25]

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Belastungsmessung bei einliegender Knieendoprothese

Register

Zur Erfassung von Langzeiterfahrungen mit den Prothesen und der Erfolgsquote von Operationen kann die Einrichtung eines entsprechenden Registers dienen. Nach offensichtlichen Problemen mit Prothesen wurden 1979 in Schweden und Finnland die ersten Endoprothesenregister angelegt, Norwegen folgte 1987 diesem Beispiel. Das Anlegen eines solchen Registers kann zu einer Senkung von nachträglich notwendigen Operationen und zur Aufdeckung von problematischen Prothesenmodellen führen. Bis zum Oktober 2011 haben bereits 19 Länder ein solches Register eingeführt. In Deutschland befindet sich das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) als zentrales Melderegister seit Oktober 2011 in Erprobung.[26]

Literatur

  • Rüdiger Döhler: Brauchen wir neue Hüftendoprothesen? In: Chirurgische Allgemeine. Nr. 7, 2006, S. 471–475.
  • Hermann Ecke, Uwe Stöhr, Klaus Krämer: Unfallchirurgie. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Mit einem Geleitwort von Rudolf Nissen. Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 204–216, hier: S. 210.
  • Ulrich Hinkelmann, Michael Fleischhauer (Hrsg.): Die Endoprothese. Das künstliche Hüft- und Kniegelenk Schritt für Schritt erklärt. 2. Auflage. Elsevier, Urban & Fischer, München/ Jena 2007, ISBN 978-3-437-47191-9. (3. Auflage: Das neue Hüft- und Kniegelenk, die Endoprothese Schritt für Schritt erklärt. 2013, ISBN 978-3-437-47192-6)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Marius Nygaard Smith-Petersen: Arthroplasty of the hip. A new method. In: J. Bone jt. Surg. Band 21, 1939, S. 269 ff.
  2. Hermann Ecke, Uwe Stöhr, Klaus Krämer: Unfallchirurgie. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Mit einem Geleitwort von Rudolf Nissen. Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 204–216, hier: S. 210.
  3. Orthoworld: The Orthopaedic Industry Annual Report, For Year Ending December 31, 2012. zitiert nach „move – Belgium“, Information der Mathys Orthopaedics Belux NV-SA, Löwen/Belgien, November 2013.
  4. Vera Zylka-Menhorn: Endoprothetik: Aktive Rolle des Patienten gefragt. In: Deutsches Ärzteblatt. Jahrgang 117, 2020, Heft 9, 28. Februar 2020, S. A-438/B-382/C-369, Link
  5. Endoprothesenregister Deutschland (EPRD): Jahresbericht 2019, [1]
  6. Vera Zylka-Menhorn: Endoprothetik: Aktive Rolle des Patienten gefragt. In: Deutsches Ärzteblatt. Jahrgang 117, Heft 9, 28. Februar 2020, Seite A-438/B-382/C-369, Link.
  7. Evidenz- und konsensbasierte Indikationskriterien zur Hüfttotalendoprothese bei Coxarthrose. Auf: awmf.org vom 24. März 2021.
  8. Zum Rückruf des Systems durch den Hersteller (Memento vom 14. Februar 2013 im Internet Archive)
  9. Rückruf DePuy ASR™ Hüftoberflächenersatzsystem und ASR™ XL Acetabulumsystem, DePuy. (Memento vom 14. Dezember 2013 im Internet Archive)
  10. Alison J Smith, Paul Dieppe, Kelly Vernon, Martyn Porter, Ashley W Blom: Failure rates of stemmed metal-on-metal hip replacements: analysis of data from the National Joint Registry of England and Wales. In: The Lancet. Vol. 379, Issue 9822, 31. März 2012, S. 1199–1204. (abstract)
  11. Depuy: Rücknahme von Adept-Hüftendoprothesen – Montag, 18. Februar 2013 – aerzteblatt.de Rückruf für modulare Hüftköpfe der Produktfamilie ADEPT, DePuy International Ltd.
  12. Deutsches Ärzteblatt vom 16. Juni 2011: USA: Erste Keramik-Metall-Hüftprothese
  13. Canadian Arthroplasty Society: The Canadian Arthroplasty Society's experience with hip resurfacing arthroplasty. In: The Journal of Bone and Joint Surgery [Br]. 95-B, 2013, S. 1045–1051; doi:10.1302/0301-620X.95B8.31811.
  14. F. S. Haddad: Metal-on-metal. More questions than answers. In: Journal of Bone and Joint Surgery [Br]. 95-B, 2013, S. 1009–1010; doi:10.1302/0301-620X.95B8.32673.
  15. A. B. Pedersen, S. P. Johnson, H. T. Sørensen: Increased one-year risk of symptomatic vebous thromboembolism followinf total hip replacement. In: Journal of Bone and Joint Surgery. Band 94-Br, Ausgabe 12, Dezember 2012, S. 1598–1603.
  16. Marianne Abele-Horn: Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten. Unter Mitarbeit von Werner Heinz, Hartwig Klinker, Johann Schurz und August Stich, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Peter Wiehl, Marburg 2009, ISBN 978-3-927219-14-4, S. 177 (Vorgehen bei Prothesenwechsel).
  17. Präoperative Bestrahlung zur Prävention heterotoper Ossifikation nach Hüftgelenksendoprothese. oft zitierte Dissertation zu diesem Thema.
  18. R. S. Namba, M. C. S. Inacio, E. W. Paxton: Risk factors associated with surgical site infection in 30 491 primary total hip replacements. In: Journal of Bone and Joint Surgery. Britische Ausgabe, Band 94-B, 2012, S. 1330–1338.
  19. V. Wylde, S. Hewlett, I. D. Learmonth, P. Dieppe: Persistent pain after joint replacement: prevalence, sensory qualities, and postoperative determinants. In: Pain. 2011.
  20. IASP. Classification of chronic pain. Pain 1986;S1–226.
  21. Clinical relevance of persistent postoperative pain after total hip replacement – a prospective observational cohort study. In: J Pain Res. 10, 2017, S. 2183–2193.
  22. C. S. Neer, T. H. J. Brown, H. L. McLaughlin: Fracture of the neck of the humerus with dislocation of the head fragment. In: The American Journal of Surgery. 85, 1953, S. 252–258.
  23. Markus Loew: Schulterendoprothetik – Prinzipien und Indikationen. In: Orthopädie und Unfallchirurgie. up2date 2011, S. 503–518.
  24. Endoprothesen mit integrierter Messelektronik (Memento des Originals vom 23. Juli 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/jwi.charite.de Julius Wolff Institut der Charité
  25. Janosch Schoon, Bernhard Hesse, Anastasia Rakow, Melanie J. Ort, Adrien Lagrange: Metal-Specific Biomaterial Accumulation in Human Peri-Implant Bone and Bone Marrow. In: Advanced Science. n/a, n/a, ISSN 2198-3844, S. 2000412, doi:10.1002/advs.202000412 (wiley.com [abgerufen am 13. September 2020]).
  26. Harro Albrecht: Gefährliche Ersatzteile. In: Die Zeit. 27. Oktober 2011, Nr. 44, S. 51 (online-Version)