Internationales Institut für angewandte Systemanalyse

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Schloss Laxenburg, Sitz des IIASA

Das Internationale Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA, International Institute for Applied Systems Analysis) ist ein unabhängiges internationales Forschungsinstitut mit seinem Sitz in Laxenburg bei Wien (Österreich). Mit Hilfe seiner Forschungsprogramme und Initiativen betreibt das IIASA politisch relevante interdisziplinäre Forschung auf Gebieten, die zu umfangreich oder zu komplex sind, um von einem einzelnen Land oder einer einzelnen wissenschaftlichen Disziplin bewältigt zu werden. Diese Forschung umfasst dringende Fragen, die die Zukunft der Menschheit betreffen, wie z. B. Klimawandel, Energiesicherheit, Bevölkerungsalterung und nachhaltige Entwicklung. Die Forschungsergebnisse des IIASA und die Expertise seiner Wissenschaftler stehen den Entscheidungsträgern weltweit zur Verfügung, um sie bei einer effektiven, wissenschaftlich fundierten Entscheidungsfindung zu unterstützen, die es ihnen ermöglicht, diese Herausforderungen zu bewältigen.

Organisation

Am IIASA in Laxenburg arbeiten mehr als 400 Forscher aus 52 Ländern; außerdem verfügt das Institut über ein weitreichendes Netzwerk von Mitarbeitern, Alumni und Besuchern aus der ganzen Welt.

Das Institut wird gegenwärtig von Albert van Jaarsveld (Universität von KwaZulu-Natal) geleitet. Leena Srivastava ist zurzeit stellvertretende Generaldirektorin und stellvertretende Generaldirektorin für Wissenschaft. Zu den ehemaligen Direktoren zählen u. a. Howard Raiffa, Professor an der Harvard Business School und der Harvard Kennedy School of Government, Roger Levien, ehemaliger Vizepräsident bei Xerox, Leen Hordijk,[1] ehemaliger Direktor des Instituts für Umwelt und Nachhaltigkeit (Institute for Environment and Sustainability)[2] der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (Joint Research Centre, European Commission), Ispra, Italien, und Detlof von Winterfeldt, Professor an der University of Southern California.[3]

Das IIASA ist eine nicht regierungsgebundene Institution, die von wissenschaftlichen Organisationen seiner Mitgliedsstaaten finanziert wird, die zum heutigen Zeitpunkt folgende Staaten umfassen: Österreich, Brasilien, China, Ägypten, Finnland, Deutschland, Indien, Indonesien, Iran, Israel, Japan, Malaysia (Beobachterstatus), Mexico, Norwegen, Republik Korea, Russland, Schweden, Slowakei, Südafrika, Ukraine, die USA, das Vereinigte Königreich und Vietnam.[4] Das Institut wird auch durch Verträge, Subventionen und Stiftungen von Regierungen, internationalen Organisationen, wissenschaftlichen Institutionen, von Unternehmen und von Einzelpersonen finanziert.[5] Die Forschungsarbeit des Instituts ist vollkommen unabhängig und frei von politischen oder nationalen Interessen.

Geschichte

Am 4. Oktober 1972 fand ein Treffen zwischen Vertretern der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten und 10 weiterer Länder aus dem Ost- und Westblock an der Royal Society in London statt, bei dem die Gründungscharta des IIASA unterzeichnet wurde.[6] Dies war der krönende Höhepunkt der sechsjährigen Bemühungen von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Lyndon B. Johnson, und dem Ministerpräsident der UdSSR, Alexei Kossygin. Für das IIASA war das der Beginn eines bemerkenswerten Projekts, das dem Institut die Gelegenheit bot, mit Hilfe von wissenschaftlicher Zusammenarbeit während des Kalten Krieges Brücken zu bauen und sich mit den wachsenden globalen Problemen auf wissenschaftlicher Ebene zu befassen.[7] Der erste Wissenschaftler kam im Juni 1973 am IIASA an.[8]

Erfolgreiches Brückenbauen und erfolgreiche Wissenschaft gehen eindeutig Hand in Hand. Doch keines von beiden war vorprogrammiert. Schließlich handelte es sich um die 1970er Jahre, und zu dieser Zeit konzentrierten sich die meisten Forschungsorganisationen auf nationale Bereiche. Nur wenige von ihnen ermutigten Wissenschaftler aus verschiedenen Nationen oder Disziplinen im gegenseitigen Interesse ein gemeinsames Ziel zu verfolgen.

Um seine ambitionierte Forschungsvision zu erreichen, musste das IIASA Grenzen zwischen Nationen und Disziplinen durchbrechen. Das ist gelungen, indem internationale multidisziplinäre Teams gebildet wurden, die sich mit unzähligen globalen – bereits lange bestehenden sowie neuen – Herausforderungen auseinandersetzten. Zum Beispiel bildet eine Studie über Wasserverschmutzung, die in den 1980er Jahren von einem Team von Chemikern, Biologen und Wirtschaftswissenschaftlern am IIASA ausgeführt wurde, noch immer die Grundlage für eine moderne Wasserwirtschaft in Japan, den USA und der ehemaligen Sowjetunion.

Als der Kalte Krieg (im Jahr 1991) zu Ende ging, hätten die Sponsoren des IIASA die Mission für beendet erklären und das Institut auflösen können. Doch das IIASA hat nicht nur das gegenseitige Verständnis zwischen Wissenschaftlern aus Ost und West gefördert, sondern es hat noch mehr getan. Das IIASA hat die wissenschaftlichen Vorteile aufgezeigt, die sich aus der Zusammenführung verschiedener Nationalitäten und Disziplinen im Hinblick auf die Erarbeitung gemeinsamer Ziele ergeben. Dieser Ansatz wurde auch weitgehend imitiert, wie z. B. vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) und dem International Geosphere-Biosphere Programme (IGBP).

Also wurde das Institut in den 1990er-Jahren nicht geschlossen, sondern es erweiterte sein Mandat von Ost und West auf eine globale Ebene. Heute bietet das IIASA mit seiner weiten Bandbreite wissenschaftlicher Expertise wissenschaftlich fundierte Einblicke in kritische politische Fragen in der internationalen und nationalen Debatte um den globalen Wandel.[9]

Die gegenwärtige Forschung des IIASA

Die Mission des IIASA besteht darin, den Entscheidungsträgern wissenschaftliche Hilfestellung bei der Lösung von globalen Problemen mit Hilfe der Systemanalyse zu leisten, um das menschliche Wohlergehen und den Umweltschutz zu fördern.

2010 wurde am IIASA ein neuer strategischer Plan für die nächsten zehn Jahre erstellt, der sich auf drei allgemeine Problempunkte konzentriert: Energie und Klimawandel, Nahrung und Wasser sowie Armut und Verteilungsgerechtigkeit.[10]

Zurzeit unterhält das IIASA neun Forschungsprogramme, die auf die Erforschung der Dynamik des globalen Wandels fokussiert sind. Diese Programme stützen sich auf ganzheitliche Ansätze und effektive, interdisziplinäre Zusammenarbeit, um die mannigfaltigen Lösungen aufzuzeigen, die gebraucht werden, um die globale Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung tatsächlich zu gewährleisten: angewandte Systemanalyse, Luftqualität und Treibhausgase, Management von Ökosystemen, Energie, Evolution und Ökologie, Risiko und Belastbarkeit, Übergang zu neuen Technologien, Wasser sowie Weltbevölkerung.

Die wesentlichsten Projekte des IIASA

Zehn IIASA Wissenschaftler waren unter den Autoren des IPCC Fourth Assessment Report (der vierte Sachbestandsbericht des IPCC, zu dem eine große Anzahl von Wissenschaftlern beigetragen hatten, wurde im Jahre 2007 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet). IIASA Wissenschaftler leisteten außerdem wesentliche Beiträge zu den Arbeitsgruppen II und III des IPCC Fifth Assessment Report (fünfter Sachbestandsbericht des IPCC) und wurden eingeladen,[11] zu den Arbeitsgruppen I, II und III des sechsten Sachbestandsberichts beizutragen.

Das Greenhouse Gases – Air Pollution Interactions and Synergies (GAINS) Modell (Treibhausgase – Luftverschmutzung: Interaktionen und Synergien) wurde im Jahr 2006 als Fortsetzung des RAINS Modells (Regional Air pollution INformation and Simulation [regionales Luftverschmutzungs INformations- und Simulationsmodell]) ins Leben gerufen, um kosteneffiziente Strategien zur Bekämpfung der Luftverschmutzung, wie z. B. Feinstaub und bodennahes Ozon zu bewerten. Im Jahr 2019 wurde das GAINS Modell von der chinesischen Regierung offiziell zur Verbesserung der Luftqualität im Land übernommen.

Das IIASA hatte eine führende Rolle in der Arctic Futures Initiative (AFI) (Zukunftsinitiative für die Arktis), die ihren Höhepunkt in einem Bericht in Zusammenarbeit mit dem finnischen Außenministerium fand, der sich mit der Frage befasste, wie die Herausforderungen der Arktis, d. h. die menschliche Dimension, Steuerung und Kontrolle, internationale Kooperation, Umweltschutz, Umweltverschmutzung, Klimawandel, Stabilität und Sicherheit, Wirtschaft, Tourismus, Infrastruktur, und Wissenschaft und Bildung definiert und bewältigt werden können.

Das IIASA ist ein zentrales Mitglied der Food and Land Use (FOLU) Coalition (Nahrungs- und Landnutzungskoalition), die eine Plattform für Wissenschaft, den öffentlichen und den privaten Sektor bildet, um Lösungen zu erarbeiten und voranzutreiben, die dazu beitragen sollen, die Nahrungssicherheit, sowie gesunde und leistbare Ernährung sicherzustellen, den Verlust der Biodiversität einzudämmen, das Ökosystem wiederherzustellen und zu schützen, und dem Klimawandel und der Umweltverschmutzung entgegenzuwirken.

In einer Partnerschaft mit der Globalen Umweltfazilität (Global Environment Facility, GEF) und der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (United Nations Industrial Development Organization, UNIDO) – wurde das Integrated Solutions for Water, Energy, and Land Projekt (ISWEL, Integrierte Lösungen für Wasser, Energie und Land) geschaffen, in dem Instrumente und Kapazitäten für ein kohärentes Management der Wasser-, Energie- und Landressourcen im Indus- und Zambesibecken entwickelt werden.

Gemeinsam mit dem Sustainable Development Solutions Network (SDSN, Netzwerk für nachhaltige Entwicklungslösungen) initiierte das IIASA die Wissenschaftsplattform Food, Agriculture, Biodiversity, Land, and Energy Consortium (FABLE, Nahrungs-, Landwirtschafts-, Biodiversitäts-, Land- und Energiekonsortium). FABLE bringt Teams von Forschern und Entscheidungsträgern aus 20 entwickelten und Entwicklungsländern zusammen, die analytische Instrumente und modellgestützte Entscheidungshilfen erarbeiten, um Entwicklungsstrategien zu analysieren, die den nationalen Bedürfnisse entsprechen, die jedoch gleichzeitig mit den Sustainable Development Goals (SDGs, nachhaltige Entwicklungsziele) und dem Abkommen von Paris vereinbar sind.

Das Challenges and Opportunities for Economic Integration within a wider European and Eurasian Space Projekt des IIASA (Herausforderungen und Chancen für eine wirtschaftlich Integration innerhalb eines erweiterten europäischen und eurasischen Raums) diente als einzigartige, entpolitisierte Plattform, auf der sich die wesentlichen Interessensgruppen in einem evidenzbasierten Dialog austauschen konnten. Im Jahr 2018 veröffentlichte das Projekt drei Berichte mit Analysen und Empfehlungen in einigen wichtigen Bereichen: der erste Bericht verglich die Produktstandards und technischen Verordnungen in der Region und zeigte auf, dass die Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU, Eurasian Economic Union) internationale Standards bereits vollständiger angenommen hat als bis dahin bekannt war; der zweite Bericht über direkte Investitionen aus dem Ausland hob hervor, dass Kapitalflüsse zwischen der EU und Russland rückgängig sind -- kurzfristig könnte eine Lockerung der administrativen Barrieren realistisch dazu beitragen, die Situation zu verbessern; und der dritte Bericht befasste sich mit den transeurasischen Landtransportkorridoren, und argumentierte, dass eine Erweiterung des Handels zwischen Europa und Asien erhöhte Kapazitäten erfordern würde, sowie die Beseitigung von infrastrukturellen Engpässen, eine Harmonisierung des regulatorischen Umfelds und eine Aufstockung der damit verbundenen Investitionen.

Seit 2010 ist das IIASA auch eine der drei „tragenden Säulen“ des Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital.[12]

Der Bericht über die globale Energiebewertung (Global Energy Assessment) erschien im Jahr 2012. Er war das Ergebnis einer gemeinschaftlichen und integrierten Zusammenarbeit von mehr als 500 Autoren, Analysten und Experten weltweit, die zu einer unabhängigen, wissenschaftlich fundierten und politisch relevanten Analyse der gegenwärtigen und neu entstehenden energierelevanten Fragen und Optionen beitrugen. Der Bericht bietet eine gründliche Bewertung von Themen wie nachhaltige Entwicklung, Armutsbekämpfung, Klimaschutz, Gesundheit, Energiesicherheit und Energiezugang.[13] Der gesamte Energiebewertungsbericht ist online als PDF einzusehen.

Literaturhinweis

Rindzevičiūtė, Eglė (2016). The Power of Systems: How Policy Sciences Opened Up the Cold War World. Ithaca, NY: Cornell University Press. ISBN 978-1-5017-0318-8.

Siehe auch: Club of Rome

Weblinks

Einzelnachweise

  1. "Wayback Machine" (PDF). 7 June 2011. Archived from the original (PDF) on 7 June 2011.
  2. "IES - Institute for Environment and Sustainability - Home". 14 April 2010. Archived from the original on 14 April 2010.
  3. http://en.www.mcu.es/bibliotecas/docs/MC/2012/CongresoBP/leviening.pdf
  4. IIASA's National Member Organizations Archived 27 June 2005 at the Wayback Machine
  5. IIASA Funding
  6. Profile of IIASA appended to summary of "Energy in a Finite World" (1981) http://www.iiasa.ac.at/publication/more_XB-81-202.php
  7. McDONALD, A. (1998), Scientific Cooperation as a Bridge Across the Cold War Divide: The Case of the International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA). Annals of the New York Academy of Sciences, 866: 55–83. doi:10.1111/j.1749-6632.1998.tb09147.x
  8. Jermen Gvishiani and Roger E. Lewis in Foreword to "Energy in a Finite World"(1981) http://www.iiasa.ac.at/publication/more_XB-81-202.php
  9. http://www.iiasa.ac.at/web/home/research/ResearchPartners/Climate-Change---IPCC-Fifth-Assessment-Report-.en.html
  10. http://www.iiasa.ac.at/web/home/research/Research.en.html
  11. http://www.iiasa.ac.at/web/home/research/ResearchPartners/Climate-Change---IPCC-Fifth-Assessment-Report-.en.html
  12. "derStandard.at". DER STANDARD.
  13. GEA, 2012: Global Energy Assessment - Toward a Sustainable Future, Cambridge University Press, Cambridge, UK and New York, NY, USA and the International Institute for Applied Systems Analysis, Laxenburg, Austria.

Koordinaten: 48° 4′ 6″ N, 16° 21′ 30,6″ O